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Helmut Schmiedt

geschrieben von andrea 
Re: Helmut Schmiedt
21. Juni 2007 20:51
Selbstverfreilicht.
Re: Helmut Schmiedt
21. Juni 2007 20:57
Dann aber erst am Montag. Ich genieß jetzt erstmal mein wohlverdientes (!)Wochenende.
Re: Helmut Schmiedt
22. Juni 2007 08:12
So, hier isser:

Auf du und du mit Winnetou

Eine schlechte Seminararbeit quittiert der Koblenzer Germanistik-Professor Dr. Helmut Schmiedt nicht, indem er seine Studenten skalpiert. Und im Hörsaal wird auch keine Friedenspfeife geraucht. Wohl aber fällt in seinen Vorlesungen schon einmal ein Zitat aus einem Winnetou-Roman. Schmiedt ist renommierter Karl-May-Forscher.

Text: Annette Herrmann Fotos: Annette Herrmann; Archiv


Häuptling der Karl-May-Forscher

Prof. Helmut Schmiedt hat sein Herz an Winnetou verloren - Koblenzer Germanist ergründet Erfolg des Abenteuerschriftstellers

Von unfähigen Studenten hat er noch nie einen Skalp genommen oder ihnen gar die Silberbüchse an die Stirn gedrückt. Zur Uni fährt er mit dem Zug - reitet nicht auf einem Pferd namens Iltschi. Und die Haare trägt er zwar schwarz, aber ohne Stirnband und dazu kurz geschoren statt häuptlingsschulterlang. Dennoch hat Helmut Schmiedt sein Herz an Winnetou verloren. Der Koblenzer Germanistikprofessor erforscht das Werk Karl Mays.

KOBLENZ. Mit Karl May verhält es sich ein wenig wie mit der "Bild"-Zeitung: Jeder schaut mal rein, keiner gibt es zu. Professor Dr. Helmut Schmiedt, Germanist an der Universität Koblenz, hat da weniger Scheu, kennt keinen akademischen Dünkel. Oder anders ausgedrückt: Er blickt gerne schon einmal keck und neugierig über den Tellerrand der allgemein anerkannt "hohen Literatur" hinweg.

Und wenn er dann von Karl May spricht, dann nimmt der Professor sogar Vokabeln wie "ein ziemlich genialer Erzähler" oder "hervorragender Schriftsteller" in den Mund. Die Augen des Germanisten beginnen zu leuchten, sprachlich gerät er ins Schwärmen.

Gesamtausgabe im Büro

Jeden einzelnen Roman des Radebeuler Abenteuerschriftstellers aus dem 19. Jahrhundert hat Schmiedt gelesen, vom "Schatz im Silbersee" bis zum "Ölprinz". Und das nicht nur in frühen Jugendjahren, in der Zeit also, in der Jungs sich mit Karl May auf die Reise in den Orient oder den Wilden Westen begeben. Nein, auch heute noch greift der 56-Jährige regelmäßig zu den Karl-May-Klassikern. In seinem Universitätsbüro auf dem Campus Metternich steht eine Gesamtausgabe im Bücherregal. Ein gewebtes Tuch mit dem Konterfei des Schriftstellers hängt gleich daneben an der Wand. Und hinter seinem Schreibtisch künden drei Fotografien, die Stationen aus dem Leben Karl Mays künstlerisch mit seinen Romanfiguren und den Requisiten seiner Helden in Verbindung bringen, vom Lieblingsforschungsobjekt des Germanisten.

Wer nun aber vermutet, in der Brust des Hochschullehrers pulsiere das Herz eines verkappten Möchtegern-Cowboys, wer glaubt, am Germanistikinstitut der Uni Koblenz werde auch schon einmal die Friedenspfeife geraucht oder Winnetous Silberbüchse finde sich bei Schmiedt über der heimischen Couch, der irrt.

Denn: Das Interesse Schmiedts am Häuptling der Apachen, an Old Surehand oder Old Shatterhand und all den anderen Helden, denen Karl May zur Unsterblichkeit verholfen hat, ist rein wissenschaftlicher Natur. Ganz unumwunden outet sich Schmiedt zwar als Karl-May-"Fan". Doch das nicht im herkömmlichen Sinne. Und längst hat Schmiedt natürlich auch die kindlich naive Herangehensweise an die May-Romane abgelegt, will nicht - wie vielleicht noch als kleiner Bub - am liebsten selbst mit Haut und (Indianer-)Haaren in die Rolle der Romanhelden schlüpfen.

Was ihn dagegen an Karl May, der einer einfachen Weberfamilie entsprungen ist und dessen Geschichten fasziniert und wissenschaftlich beschäftigt, ist das Geheimnis, das hinter dem bis heute andauernden Erfolg der Karl-May-Werke steckt. "Fast alle anderen Abenteuerschriftsteller aus der Zeit Karl Mays, also aus dem ausklingenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, sind von der Bildfläche verschwunden, längst in Vergessenheit geraten", weiß Schmiedt. Die Romane Karl Mays werden dagegen bis heute gelesen. Warum - das ist eine Frage, die Professor Helmut Schmiedt schon seit den späten 70er-Jahren beschäftigte.

Zufällig auf Thema gestoßen

Wobei es der Zufall war, der ihn auf dieses Thema brachte. 1977 suchte der Bonner Student Helmut Schmiedt nach einem Thema für seine Examensarbeit. Beim Streunen durch die Seminarbibliothek stieß Schmiedt dabei auf eine Doktorarbeit über Karl May. Schmiedt blätterte ein wenig in dem Werk, war umgehend vom May-Virus infiziert und legte seine Lehramtsprüfung einige Monate später mit einer Examensarbeit ab, die den Titel trug: "Karl May: Leben, Werk und Wirkung eines Erfolgsschriftstellers".

"Mein Professor, der die Arbeit betreute, hat zunächst schon etwas verwundert reagiert", erinnert sich Schmiedt. Kurz zuvor hatte Schmiedt bei dem gleichen Dozenten eine Hauptseminararbeit über Goethes Werther geschrieben. "Und zunächst versuchte der Professor doch vehement, mich dazu zu bewegen, diese Arbeit einfach zu einer Examensarbeit auszuarbeiten." Doch Schmiedt beharrte auf Karl May. Erfolgreich - nicht nur, was den Ausgang der eigenen Prüfung anbelangt. "15 Jahre später", erzählt Schmiedt schmunzelnd, "hat dann eben dieser Bonner Professor selbst einen Aufsatz über Karl May verfasst. Folglich fand er das Thema wohl interessant." Ebenso ergeht es etlichen weiteren Germanisten, die Karl May heutzutage längst nicht mehr unbeachtet im Bücherregal verstauben lassen und als vermeintlich seichte Literatur milde belächeln. Einige von ihnen sind in der Karl-May-Gesellschaft, einer literarischen Gesellschaft, vertreten, deren Zweiter Vorsitzender Helmut Schmiedt auch ist.

Neben Hochschulgermanisten und Deutschlehrern tummeln sich hier allerdings auch Anhänger des Schriftstellers, die dessen Werk allein durch die rosarote Brille betrachtet wissen wollen und jeden Makel weit von ihrem Idol fernhalten möchten. Bei Veröffentlichungen gebe es da auch schon einmal Zwist, verrät Schmiedt. "Kritische Publikationen über Karl May sind innerhalb der Gesellschaft nicht jedermanns Sache. Manche sind mit solchen Veröffentlichungen nicht so glücklich", weiß der Germanist, der mit solchen Anhängern jedoch wenig Mitleid hegt. Schmiedt: "Eine solch einseitige Betrachtung kann nicht Sinn der Übung sein." In vielen Dingen ist Schmiedt zwar so voll des Lobes über Karl May. "Spannungsbögen zu formen, das hat er einfach drauf", schwärmt der Professor.

"Genial" im Auswege finden

Und Abenteuergeschichten zu schreiben, das bekomme May in den verschiedensten Facetten dieses Genres perfekt hin. Geradezu in einer "genialen Art und Weise" und höchster Variationenkunst sei es May auch gelungen, seine Helden immer wieder aus aussichtslosen Situationen zu befreien - sei es nun im Wilden Westen, im Urwald, in der Wüste, im Orient oder auf einem Schif. Schmiedt: "Der scheinbare Underdog kommt zum Erfolg." Und das mit einer Plastizität der Schilderungen, die im Genre des Abenteuerromans ihres Gleichen suche.

Auf der anderen Seite verschließt Schmiedt seine Augen aber nicht, wenn es auch dunkle Facetten an Karl May zu entdecken gibt. So arbeitet der Professor derzeit an einer Biografie über May, die 2012 zum 100. Todestag des Autors erscheinen soll. Und hat dabei bereits herausgefunden: May konnte wohl menschlich ein ziemliches Ekel sein.

Überhaupt, findet Schmiedt, ist der Autor selbst ebenso interessant wie sein Werk. "An der Persönlichkeit Mays gibt es viele Aspekte zu entdecken, die bis dato eher unbekannt waren", ist sich der Germanist sicher. Und auch die Romane bieten für den Professor noch auf lange Sicht ausreichend Stoff, um sich wissenschaftlich mit ihnen zu beschäftigen.

Und sollte die wissenschaftliche Forschungsquelle irgendwann doch versiegt sein, dann macht das dem Koblenzer Professor auch keine Angst. Dann wird das zu ergründende Literatenfeld der Unterhaltungskünstler einfach ausgedehnt. Der Anfang ist gemacht. Noch im Juni erscheint im Aisthesis-Verlag die neue Veröffentlichung von Helmut Schmiedt. Titel: "Dr. Mabuse, Winnetou & Co. 13 Klassiker der deutschen Unterhaltungsliteratur".

Was Goethe und May teilen

Schmiedt zitiert in Vorlesungen in einem Atemzug Passagen von beiden

KOBLENZ. Der eine gilt als Trivial-Autor, der andere als der größte deutsche Dichter und Denker schlechthin. Dennoch haben Karl May und Johann Wolfgang von Goethe viel gemein, behauptet Prof. Schmiedt.

"Unter didaktischen Aspekten bilden Goethe und May - und nicht etwa Goethe und Schiller - ein nahezu unschlagbares Gespann", so der Wissenschaftler und leidenschaftliche Karl-May-Forscher.

Wenn Schmiedt in einer Lehrveranstaltung grundlegende literaturwissenschaftliche Sachverhalte darlegen will, dann tut er dies deshalb meist anhand von Werken Goethes und Mays. "Mit durchschlagendem Erfolg", wie der Professor erzählt.

Ein Beispiel: Wenn Schmiedt seine Studenten davon überzeugen möchte, wie sehr die Texte der Bibel Einfluss auf die Literatur frührer Jahrhunderte ausgeübt und wie selbstverständlich die Autoren damit gerechnet haben, dass ihre Leser die Spuren auch mühelos entschlüsseln können, dann tut er dies gern, indem er in einem Atemzug Passagen aus Mays Abenteurromanen und solche aus einem Goethe-Klassiker zitiert.

Schmiedt: "Wenn man diesen Gedanken nur mit Karl-May-Belegen illustriert, kommt er nicht gut an, denn viele Zuhörer denken spontan, das sei ein wohl doch etwas skurriler Fall." Wenn er auf der anderen Seite nur mit Goethe-Exempeln arbeite, sei die Wirkung auch nicht günstiger. "Denn das Auditorium ist - nicht ganz unrecht - überzeugt, dass sich mit Goethe schlechthin alles belegen lässt."

Die Kombination von beidem aber lässt seine Studenten dann aufhorchen: "Wenn man Goethe und May zusammen nimmt und etwa darauf hinweist, dass Werther Gesprächspartner mit Worten Jesu traktiert und dass Old Shatterhand nicht zufällig gleich drei Kreuze an Winnetous Grab errichten ließ, dann kann man einigermaßen sicher sein, dass ob dieser Beispielkombination die Botschaft ankommt." Denn: Wenn etwas bei Goethe und May zu finden ist, dann muss es sich wohl um etwas Wichtiges handeln, dann wird es ernst genommen und prägt sich ein - davon ist Schmiedt überzeugt.

In der Mitte ein Bild von Schmiedt:
Schon als kleiner Bub hatten es Professor Dr. Helmut Schmiedt die Abenteuer von Karl May angetan. Die ersten Literaturschätze aus der Jugendzeit hat er bis heute aufgehoben. Während Schmiedt in ganz jungen Jahren gerne selbst mit Haut- und Indianerhaaren etwa in die Rolle von Trapper Schneiergabel geschlüpft wäre, ist sein Interesse an May heute literaturwissenschaftlicher Natur.

Dann links 2 Bilder:
Zwei, die wohl jeder kennt: Winnetou (Pierre Briece) und Old Shatterhand (Lex Barker). Die Filme mit den beiden wurden zur erfolgreichsten deutschen Filmserie nach dem Zweiten Weltkrieg - und Autor Karl May prägte so bis in unsere Zeit ein Bild von Indianern und Cowboys, das in Wahrheit ganz anders aussah.

Rechts ein Bild von Karl May:
Eines von 14 Kindern einer Weberfamilie, erfindungsreich in jeder Beziehung, unglaublich produktiv - und manchmal ein ziemliches Ekel: Karl May ist eine schillernde Figur.

Unten ein Wandbild:
Wandschmuck im Büro eines Germanistik-Professors: Eine Goethe-Büste sucht man bei Prof. Schmiedt vergeblich. Dafür gibt"s ein gewebtes Tuch, das das Konterfei von Karl May zeigt.


Rhein-Zeitung - Ausgabe Mittelmosel vom 18.06.2007, Seite 12
(in einigen Tagen ist der Artikel auch frei verfügbar.)

andrea



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 22.06.07 08:16.
Re: Helmut Schmiedt
22. Juni 2007 09:04
Das mit der Biografie für 2012 ist ja interessant ...

Und was für eine Gesamtausgabe er da stehen hat, wüßt' ich mal gerne. Meines Wissens gibt es noch gar keine ...
Re: Helmut Schmiedt
22. Juni 2007 09:56
Rüdiger!!

Wenn die Mittelmoseler Ausgabe der Rhein-Zeitung schreibt, der Häuptling aller Karl-May-Forscherinnen und Forscher besitzt eine Gesamtausgabe, dann muß es einfach eine geben.

Frank P.
(Nicht präsent im Kürschner: Deutscher Literatur-Kalender)
Re: Helmut Schmiedt
22. Juni 2007 10:19
In der May-Wikipedia stoßen wir bei Eingabe von „Gesamtausgabe“ zwar überraschenderweise u.a. auf Bertha Behrens (die kannte ich noch nicht) und Rudolf Steiner, aber nicht direkt auf Karl May. Im Steiner-Artikel steht dann der wundersame Satz

„bei May ist die Gesamtausgabe auf 143 Bände mit je 420 Seiten geplant.“

Hm. Wer hat nun Recht, die Presse von der Mittelmosel (ein ehemaliger Opernintendant am Rhein prägte seinerzeit mal für eine in Essen-Werden am Baldeneysee erscheinende Lokalzeitung das hübsche Wort vom „Talsperrenjournalismus“) oder die May-Wiki ?

winking smiley



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 22.06.07 10:19.
Re: Helmut Schmiedt
22. Juni 2007 10:43
Der Steiner-Text ist bisher nur aus Höflichkeit drin geblieben; eine unbekannte IP legt den ständig neu an und ich wollte ihr Zeit geben, das Teil zu überarbeiten.

Achso... nochwas... DANKE ANDREA!! (laola)

ta



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 22.06.07 11:17.
Re: Helmut Schmiedt
22. Juni 2007 11:06
Dem Rehlein ist scheinbar der Weihnacht-Artikel entgangen, Asche auf mein Haupt. (Ähm, genauer gesagt, man ist nicht reich genug, um Abonnent zu sein, daher...) Hätte aber natürlich noch Interesse, wenn da schon jemand so freundlich ist.

Und da fällt mir ein, wenn man schon im FP-Verbreitungsgebiet wohnt, könnte man doch zum Gartenfest kommen, nicht? Sieht man sich morgen? (@ Dhomasch)
Re: Helmut Schmiedt
22. Juni 2007 11:57
(@Rehkitz)
Leider keine Zeit zum Gartenfest. Muss ein eigenes feiern. Mit viel Bratwurst. Vielleicht nächstes Jahr. Wenn dann wieder eins sein sollte. Bis Montag.
Re: Helmut Schmiedt
22. Juni 2007 12:03
Achso - ja fast vergessen ... DANKE ANDREA!! (laola)

Frank P.
(Nicht präsent im Kürschner: Deutscher Literatur-Kalender)
Re: Helmut Schmiedt
22. Juni 2007 13:44
Interessant:

"Und hat dabei bereits herausgefunden: May konnte wohl menschlich ein ziemliches Ekel sein."(devil) ?

Da bin ich gespannt. Wahrscheinlich hat er gemault, wenn Emma den Kaffee zu leicht gemacht hat.
Re: Helmut Schmiedt
22. Juni 2007 13:48
Das haben inzwischen alle rausgefunden, die die Chronik gelesen haben. Aber die Schnittmenge zu den Abonnenten bzw. Lesern der Zeitung ist vermutlich nicht soooo hoch.

ta
Re: Helmut Schmiedt
23. Juni 2007 09:58
JennyFlorstedt schrieb:
-------------------------------------------------------
> Das haben inzwischen alle rausgefunden, die die
> Chronik gelesen haben.


Dazu genügte doch schon die Lektüre der "Psychologischen Studie" ... oder von "Mein Leben und Streben" ... oder das bewusste Zur-Kenntnis-Nehmen wie KBN und OS mit Leuten umgehen, die anderer Meinung sind als sie ... oder wie er den armen Halef zur Schnecke schreibt in den Anfangskapiteln von "Ardistan und Dschinnistan" ...
Re: Helmut Schmiedt
25. Juni 2007 08:15
JennyFlorstedt schrieb:
-------------------------------------------------------
> Das haben inzwischen alle rausgefunden, die die
> Chronik gelesen haben.
> ta

Nein!
Re: Helmut Schmiedt
25. Juni 2007 08:30
Es ist mir schwer vorstellbar, dass jemand die Chronik (und die anderen genannten Werke) gelesen haben soll, OHNE zu bemerken, dass May "menschlich ein ziemliches Ekel sein" konnte. smiling smiley

Quote

...das bewusste Zur-Kenntnis-Nehmen wie KBN und OS mit Leuten umgehen, die anderer Meinung sind als sie ... oder wie er den armen Halef zur Schnecke schreibt in den Anfangskapiteln von "Ardistan und Dschinnistan" ...

Du wirst doch jetzt das literarische Ich resp. den Ich-Erzähler nicht mit dem Schriftsteller gleichsetzen? tsstsstss....

ta
Re: Helmut Schmiedt
25. Juni 2007 09:11
Bevor es alle vergessen. Auszug aus Weihnacht ist da!!!

Datum: Freitag, 22.12.2006
Nummer/Jahrgang: 297/44
in der Beilage "Weihnachten 2006" der Freien Presse (gesamtes Vebreitungsgebiet) auf Seite B4


Statt Schmerzens- gab es jetzt Freudentränen
Wie zwei junge Männer aus einer Reiseerzählung von Karl May auf dem Weg in den Wilden Westen Momente der Einkehr erleben

In Karl Mays Reiseerzählung "Weihnacht!" lernt man den Erzähler und seinen Freund Carpio kennen, die sich vom Erzgebirge sus in den Wilden Westen aufgemacht haben. Bereits auf dem Weg dorthin feiern sie einmal das Fest.

Der betende Greis kam mir jetzt nicht mehr wie ein Bettler vor. Wenn die Berge hoch zum Himmel steigen, bedecken sie ihre Häupter mit Schnee, und wenn der Schnee des Alters den Menschen krönt, ist er dem Himmel nahe; Himmelsnähe aber erweckt Ehrfurcht in jeder fühlenden Menschenbrust. Der mit zitternden Lippen um Einlass in den Himmel bittende Alte, die still weinende Frau und der mit seinen Tränen kämpfende Knabe, sie waren für mich ihrer Bettlerschaft entkleidet und zwangen mich, an die Schriftworte zu denken: "Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen." Welchen Eindruck machte die jetzige Situation gegen die kindische Heiterkeit, welche vorher hier geherrscht hatte! Während draußen in der Abendkälte das Elend sich mühsam durch die verschneiten Wege geschlichen hatte, waren wir beschäftigt gewesen, die Zeit mit schülerhaften Witzen totzuschlagen. Ich schämte mich!
Der Wirt schien etwas ähnliches wie ich zu fühlen; er räusperte sich einigemal, wie um aus einer inneren Verlegenheit herauszukommen, und sagte dann: "Ja, ihr sollt hier Weihnachten feiern; ich tue es; ich hole ihn herein!"
Er ging in den Flur hinaus, und dann hörten wir ihn jenseits desselben eine Thür öffnen, welche, wie wir später erfuhren, in das Wohnzimmer führte. Wer der "ihn" war, den er holen wollte, sahen wir, als er einen buntbehangenen Christbaum getragen brachte, dessen Lichter noch nicht ganz abgebrannt waren. Er stellte ihn auf den Tisch, bat uns, die Lichter anzuzünden, und entfernte sich dann wieder. Der fremde Knabe sprang auf und bat uns mit strahlenden Augen, uns helfen zu dürfen, ein Wunsch, den wir ihm natürlich mit Freuden erfüllten.
Dann kam Franzl wieder. Er brachte einige Kleidungsstücke von sich und seiner Frau, auch einen Kuchen und eine Wurst, welche er unter den Baum legte; dazu fügte er fünf blanke Gulden, indem er sagte:
"Hier, das beschert euch das heilige Christkind, welches eure Tränen gesehen und euer Gebet gehört hat. Bedankt euch bei ihm und nicht bei mir!"
Welche eine Freude gab es jetzt! Die Augen des Greises öffneten sich weit, um das Licht der Weihnachtskerzen in sich aufzunehmen; die Frau weinte jetzt nicht mehr Schmerzens-, sondern Freudentränen, und der Knabe schlang seine Arme um ihren Hals, um das Schluchzen, welches ihn jetzt von neuem übermannen wollte, an ihrer Brust zu verbergen. Ich konnte nicht anders, ich musste in die Tasche greifen und einen Gulden herausnehmen, den ich zu den fünf des Wirtes legte. Als Carpio dies sah, sagte er leise zu mir:
"Ja, ihr könnt geben, ihr! Der Franzl hat reich geheiratet, und du hattest fünf Thaler, ich aber nur drei; ich bin der Ärmste und kann nichts - und doch, doch, ich kann auch etwas geben, wenn auch kein Geld wie du; pass nur auf!" Er bat um Schweigen, stellte sich neben den Baum und begann zu deklamieren:
"Ich verkünde große Freude,
Die Euch widerfahren ist,
Denn geboren wurde heute
Euer Heiland Jesus Christ -"
Wie kam es nur, dass mein eigenes Gedicht mir so fremd vorkam, so, als ob es nicht von mir, sondern von einer ganz andern Person, einem ganz andern Wesen stamme? Je weiter er sprach, desto fremder kam es mir vor und desto tiefer griff es mir in die Seele hinein. Auch die andern hörten voller Andacht zu. Der Greis verwendete keinen Blick von dem Redner; seine Augen bekamen Glanz; es tauchte ein seltsames Licht in ihnen auf.
War das der Reflex des brennenden Weihnachtsbaumes? Oder war es der Schein einer höhern Klarheit, welche jetzt sein Herz erleuchtete?

Aus: "Weihnacht!" von Karl May

Außerdem ist auf der Seite
- ein Auszug aus dem 1. Band von Theodor Fontanes "Vor dem Sturm. Roman aus dem Winter 1812-1813".
Sowie diese vier Gedichte:
- "Weihnachten" von Joseph von Eichendorff
- "Der Stern" von Wilhelm Busch
- "Schenken" von Joachim Ringelnatz
- "Wunderweiße Nächte" von Rainer Maria Rilke.
Illustriert ist die ganze Sache mit einem "Blick über die weihnachtlich erleuchtete Erzgebirgslandschaft bei Schwarzenberg." von Ulf Dahl

Hinweis: Ich habe den Text so abgeschrieben wie er ist. Sprich: "Thür" blieb "Thür" und "dass" blieb "dass"
Re: Helmut Schmiedt
25. Juni 2007 09:46
JennyFlorstedt schrieb:
-------------------------------------------------------

> Du wirst doch jetzt das literarische Ich resp. den
> Ich-Erzähler nicht mit dem Schriftsteller
> gleichsetzen? tsstsstss....

Nein, tue ich natürlich nicht. Wobei: Selbst wenn ich es täte, täte ich nur, was Karl May selber tat. winking smiley

Und da KBN/OS weltanschaulich/ideologisch praktisch 1:1 das Sprachrohr Karl Mays ist, muss letzterer sich schon gefallen lassen, dass ich auch davon ausgehe, dass gewisse, sich ständig wiederholende Motive bzw. Handlungsweisen seines Helden einer tief in Karl May verankerten Struktur entsprechen.

So, wie Conrad vom Wasser nicht loskommt, Hemingway von den Frauen, vom Krieg, vom Jagen und vom Fischen, Stifter vom behutsamen Restaurieren alter Dinge, Schopenhauer von seiner Maya ...



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 25.06.07 09:47.
Re: Helmut Schmiedt
25. Juni 2007 10:31
JennyFlorstedt schrieb:
-------------------------------------------------------
> Es ist mir schwer vorstellbar, dass jemand die
> Chronik (und die anderen genannten Werke) gelesen
> haben soll, OHNE zu bemerken, dass May "menschlich
> ein ziemliches Ekel sein" konnte. smiling smiley
>
>
> ta

Die Beschreibung der Ereignisse in der Chronik ist für mich im allgemeinen nie so vollständig, dass ich ein solches (Vor-)Urteil fällen würde. In den Fällen, in denen ich versucht habe, dies nachzuvollziehen, kam ich regelmäßig zu einem anderen Ergebnis.

Helmut
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