Karl May Hörspiele
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Silbersee: Vergleich - May - Halver - Lüth

geschrieben von Thomas Sch. 
Thomas Sch.
Silbersee: Vergleich - May - Halver - Lüth
03. Mai 2005 12:07
Es ist bekannt, daß die Skripte der sechsteiligen Europa-'Winnetou'-Hörspielserie und der zweiteiligen Europa-'Old Surehand'-Hörspielfassung von Peter Folken für die Folgen bei Neue Mode/Peg/Picollo einerseits und Auditon/Box andererseits zu großen Teilen wortwörtlich wiederverwendet wurden, das gleiche gilt auch für 'Das Vermächtnis des Inka' von Europa sowie 'Der Schatz im Silbersee' von Peg, die wortgetreu für Auditon/Box eingespielt wurden.

Weitgehends unbekannt ist jedoch, daß die Europa-Produktion zu Der Schatz im Silbersee das Vorbild für die Trash-Fassung von Tobby Lüth ist. Mir jedenfalls fiel vor einiger Zeit auf, daß der Tierbändiger dort gleichfalls Venuti (Anagramm von Vinetu - vgl. Winnetou!) benamst ist, obgleich dieser Name von Konrad Halver für die Europa-Aufnahme frei erfunden wurde (bei Karl May gibt es den Menageriebesitzer Jonathan Boyler sowie einen namenlosen Tierbändiger).

Ein flüchtiger Vergleich einiger Szenen in beiden Hörspielen erhärtet nun tatsächlich meinen Verdacht, wobei Tobby Lüths Hörspielfassung näher Halvers Skript als Mays Buchvorlage zu folgen scheint, was man insbesondere bei Abweichungen von Romantext feststellen kann. Im folgenden sind beispielhaft die jeweiligen 'Venuti'-Szene aus den beiden Hörspielversionen den relevaten Textauszügen aus dem Roman gegenübergestellt, sodaß man die Transformation aus der Buchvorlage über die Adaption Halvers hin zur Fassung von Lüth nachvollziehen kann.

Buchvorlage von Karl May (in der bearbeiteten Fassung des Karl-May-Verlages, (© 1952):
"Es ist nicht, Ladies und Gentlemen", rief ein gut gekleideter Mann, der soeben aus seiner Kabine getreten war. "Nur ein Pantherchen, ein kleines Pantherchen, weiter gar nichts! Ein allerliebster Felis pardus, nur ein schwarzer, Mesch'schurs!" (...)
"Ich bin der berühmte Tierschaubesitzer Jonathan Boyler (...)
Um den Reiz des des seltenen Schauspiels zu erhöhen, werde ich eine Fütterung des Tieres anbefehlen.
(...) während sein Tierbändiger, den er rasch herbeigerufen hatte, die zu der Schaustellung nötigen Vorbereitungen traf, [blickten] die Fahrgäste (...) der Schaustellung mit großer Spannung entgegen.
"Hört Boys", sagte der Cornel zu seinen Gefährten, "eine Wette habe ich gewonnen und die andere verloren (...)
"Gut", meinte der Cornel, den der Genuß des vielen Branntweines siegesgewiß machte. "Paßt auf, wie gern und schnell dieser Goliath mit mir trinken wird."
Brinkley ließ sich das Glas füllen und näherte sich dem Erwähnten. Die Körperformen dieses Mannes waren allerdings gewaltig. Er war noch höher und breiter gebaut als Großer (...). Da stellte sich der Cornel breitspurig vor sein vermeintliches drittes Opfer hin und sagte:
"Sir, ich biete Euch einen Drink an. Hoffentlich weigert Ihr Euch nicht."
Der Angeredete warf ihm einen erstaunten Blick zu und wandte sich ab, um die durch den frechen Burschen unterbrochene Unterhaltung mit dem Kapitän fortzusetzen.
"Pooh!" rief der Cornel aus. "Seid ihr taub? Oder wollt ihr mich nicht hören? Das möchte ich euch nicht raten, da ich keinen Spaß verstehe, wenn mir ein Drink abgeschlagen wird. (.-..) Soll es Euch wie dem Indianer ergehen, dem ich -"
Er kam nicht weiter, denn er hatte in diesem Augenblick eine so gewaltige Ohrfeige von dem Riesen erhalten, daß er niederstürzte, eine Strecke auf dem Deck hinschoß und sich dann noch überkugelte. Da lag er einen Augenblick wie erstarrt, raffte sich jedoch schnell auf (...)

Bearbeitung von Konrad Halver:
Venuti: Ruhe, es liegt kein Grund zur Aufregung vor. Ich bin der berühmte Tierbändiger Salvatore Venuti. Und das sonnige Kerlchen dort im Kasten ist doch nur ein allerliebstes schwarzes Pantherchen. Ihr sollt jetzt die einmalige Gelegenheit haben, einer Raubtierfütterung beizuwohnen.
Erzähler: Während der Tierbändiger damit beschäftigt war, das Fleisch für den Panther herbei zu schaffen und die Passagiere sich gespannt in der Nähe des Kastens aufstellten, hatte sich der rothaarige Bandit wieder Mut angetrunken und rief jetzt seinen Leuten zu:
Brinkley: Hört, ihr Jungs. Ich wette mit euch, daß mein zweiter Drink nicht abgewiesen wird. Dieser Goliath dort soll ihn haben.
Erzähler: Mit einem gefüllten Glas näherte Brinkley sich dem Erwähnten. Die Körperformen dieses Mannes waren in der Tat gewaltig, so groß und breit war er gebaut. Der Cornel stellte sich breitspurig vor sein zweites Opfer hin und sagte:
Brinkley: Sir, ich biete Euch einen Drink an. Hoffentlich weigert Ihr Euch nicht.
Erzähler: Der Angeredete warf ihm einen erstaunten Blick zu, um dann seelenruhig seine Unterhaltung mit dem Kapitän fortzusetzen. Brinkley schäumte vor Wut.
Brinkley: Hee, seid ihr taub? Ich verstehe keinen Spaß, wenn mir ein Drink abgeschlagen wird. Sagt, hört Ihr mich nicht? Nun gut, dann soll es Euch ebenso ergehen wie der Rothaut, der ich - aaaaah.
Erzähler: Er hatte eine so gewaltige Ohrfeige von dem Riesen erhalten, daß er niederstürzte und von der einen Reeling zu andern kugelte. Sich aufraffen und zu seinen Leuten zurücklaufen war für den feigen Kerl eins.

Bearbeitung von Tobby Lüth:
Venuti: Ruhe, nur keine Aufregung, meine Damen und Herren. Ich bin der berühmte Tierbändiger Salvatore Venuti. Dieses Tierchen ist so lieb, es ist nur ein kleines schwarzes Pantherchen. Gleich wird er von mir gefüttert, und wenn Sie zahlen, meine Damen und Herren, dann dürfen Sie zuschauen.
Erzähler: Während der Dompteur die Fütterung vorbereitete, hatte Brinkley, der Anführer der Banditen, sich einen anderen aufs Korn genommen. Er nahm sein Glas und ging auf einen Mann zu, der groß und breit war wie ein Kleiderschrank.
Brinkley: Hört mal, Jungs. Wollen wir wetten, daß dieser Goliath einen Drink nicht ablehnen wird? Hallo, Sir, darf ich Ihnen einen Drink anbieten?.
Erzähler: Der Mann sagte keinen Ton sondern sah ihn nur verächtlich von der Seite an. Da wurde Brinkley wütend.
Brinkley: Hee, du langer Lulatsch, sag mal, bist du taub? Ich verstehe keinen Spaß, wenn man von mir einen Drink ablehnt. - Gut, wenn du willst, werde ich dir auch eine knallen wie der Rothaut.
Erzähler: Kaum hatte er das gesagt, bekam er einen solchen Kinnhaken, daß er von einer Reeling zu andern rollte. Er stand auf, hielt sich das Kinn und kroch ängstlich zu seinen Leuten.

Wie man sieht, ist in der Hörspielbearbeitung Konrad Halvers wesentlich mehr aus der Buchvorlage wörtlich enthalten als bei Tobby Lüth, andererseits hat Lüth gerade auch solche Formulierungen von Halver übernommen, die nicht im Roman zu finden sind. So beispielsweise die Charakterisierung Old Firehands als "groß und breit", die Bezeichnung "Jungs" für die Tramps, den wütenden, wortwörtlich exakt übernommenen Satz "Ich verstehe keinen Spaß, wenn man von mir einen Drink ablehnt" des Cornels (bei May heißt es hingegen: "da ich keinen Spaß verstehe ..."), dem jeweils noch der Hinweis "... wie der Rothaut" folgt, sowie die "Reeling", die im Roman gar nicht genannt wird.

Weiteren Aufschluß bietet der Vergleich des gesamten Anfangs bis zu der hier zitierten Szene sowie des Schlusses, der im Forum des 'CLH-Board' zu finden ist: [www.clh-board.net]
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