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"Weihnacht"

geschrieben von Helmut 
"Weihnacht"
09. Dezember 2005 23:37
Und wie versprochen 10.12.2005 00:37 ergeht der Startschuss zur Leserunde "Weihnacht"

Helmut
Re: "Weihnacht"
10. Dezember 2005 08:52
?Weihnacht!
Welch ein liebes, liebes, inhaltsreiches Wort!?

Hm. Ich weiß nicht. Auch Karl May hat dieses Weihnachten schon alles andere als ?lieb? erlebt, in der Zelle, allein und verstoßen, in unerquicklicher Ehe, und er legt beredtes Zeugnis davon ab, in der Weihnacht des Gefangenen im ?Waldröschen?, im ?Verlornen Sohn? auch, wenn ich mich recht erinnere.

Daß er es dennoch mit so penetranter Beharrlichkeit gleichsam besingt und beschwört, entspricht wohl mehr einem Wunschdenken, einer Sehnsucht, einer nicht aufgegebenen Hoffnung. Zu Zeiten der Entstehung dieser Erzählung war er ja auch wohlhabend und etabliert, und wird sich gern mal der Illusion und dem schönen Schein von ?Geborgenheit? in äußerem Glanz und oberflächlicher Geselligkeit hingegeben haben. Festzustellen, daß das alles auch nichts ist, dazu hatte er dann in späteren Jahren noch ausreichend Gelegenheit.

Aber letztlich hätte er wohl auch 1897 schon doch lieber mit den Schoschonen im Schnee Weihnachten gefeiert als vielleicht mit Verwandten aller Art und sonstigen Zwangs- oder Zufallsbekannten, sehr verständlich das, und so hat er denn dieses Buch geschrieben.

?eine alljährlich wiederkehrende Zeit allgemeiner Festlichkeit, der Familienfreude und der strahlenden Kinderaugen?

Ich weiß wieder nicht. Naja, vielleicht war es damals noch etwas anders, selbst die frühen Sechzigerjahre habe ich gar noch etwas idyllischer in Erinnerung in dieser Hinsicht als spätere, von heute ganz zu schweigen (oder war gar alles immer schon so und nur die Wahrnehmung hat sich verändert ?). Die Festlichkeit erscheint mir heuer nur noch aufgesetzt und pervertiert, mit der Familienfreude dürfte es vielerorts auch nicht mehr so weit her sein, und statt strahlender Kinderaugen sieht man auch vermehrt den blanken und hemmungslosen Egoismus kleiner Monster, die das nachahmen, was ihre Erzeuger ihnen vormachen: Ellenbogen, Kälte, Tricksen, Kämpfen, mit allen Mitteln, sich durchsetzen, auch wenn?s dann eigentlich so recht keinen Spaß mehr macht, das Leben, auf derart unfriedlichem Terrain in solch gearteter Gesellschaft.

Dann doch lieber in Schnee und Kälte hinauf zu den Schoschonen. Deren Feierlichkeit ist wenigstens noch echt, und gesungen wird auch so schön, ganz ohne High-Tech und Equipment, einfach aus dem Bauch heraus, denn nur dort spielt sie letztlich wirklich, die Musik.

winking smiley




1-mal bearbeitet. Zuletzt am 10.12.05 09:20.
Re: "Weihnacht"
10. Dezember 2005 19:17
Vorwort zu Weihnacht in der Weltbild-Ausgabe von Siegfried Augustin:
"... "Weihnacht, in der unglaublichen Zeit von maximal 8 Wochen fertiggestellt, ist ein Muster an innerer Geschlossenheit und struktureller Ausgewogenheit. Es enthält alles, was Mays literarische Unverwechselbarkeit ausmacht: Eine spannende Geschichte, verschiedenartige Schauplätze, das Freundespaar Old Shatterhand und Winnetou in vollendeter Ausführung, Humor, Hochspannung, ergreifende Szenen, überzeugtes Christentum ohne Dogmatismus und sehr viele persönliche Betrachtungen und Spiegelungen. Eine derartige erzählerische Meisterschaft hat May nach "Weihnacht" nicht mehr erreicht...."
Das einmal vorweg.

Heute abend, pünktlich zur Fußball-Bundesliga-Sendezeit habe ich nunmehr begonnen, "Weihnacht" zu lesen. Da habe ich die meiste Ruhe hierfür. Leider habe ich dann auch nur mitbekommen, dass Mainz verloren hat.... Zurück zum Thema.

Dieses Buch habe ich vor so langer Zeit das letztemal gelesen - und dann in der Bamberger Fassung - dass mir zwar die Handlungsstränge im Groben noch bekannt sind; aber den genauen Ablauf der Geschichte hatte ich doch nicht mehr parat. Allerdings hat mir das Buch damals nicht so besonders gut gefallen, warum, könnte ich heute nicht mehr sagen. Aber es gehörte definitiv nicht zu meinen Favoriten. Von vielen Forumsbekannten weiß ich, dass sie gerade dieses Buch favorisieren. Nun, dann lasse ich mich doch einmal überraschen.

Da die Erinnerung doch ziemlich verblasst ist, habe ich jetzt fast ein neues Leseerlebnis.
Das erste Kapitel - Einleitung - habe ich soeben beendet (Seite 108 der Weltbild-Ausgabe). Und ich bin überaus angenehm überrascht über die sehr witzigen Dialoge und die amüsanten Beschreibungen. Mehrmals musste ich laut auflachen und habe den Dialog dann nochmals gelesen, um zu genießen.
Sehr gelacht habe ich z.B. auch bei der Beschreibung des Franzls: "Eine blütenweiße Schürze bedeckte den Schmerbauch; über dem Latze derselben thronte eine sanft quatschelige Unterkehle...." Himmel, was für ein Ausdruck! Sanft quatschelige Unterkehle. (hupf) Aber die Dialoge sind wirklich zum Schießen. Jedenfalls die mit Carpio.
Es gibt dann aber auch schon die dramatischen Szenen mit der auswanderungswilligen Familie, wo man natürlich direkt weiß, irgendwie wird diese Familie nochmals auftauchen.
Der Erzähler selbst ist wieder in seiner bekannten Rolle als Führer des anderen, dem er -selbstverständlich- überlegen ist, den er so in seine Richtung lenkt, dass diesem es möglichst nicht auffällt, da dieser ja so ein leicht verwirrter Typ ist.
Ich frage mich allerdings, warum er sich überhaupt mit Carpio abgibt. Er sagt zwar zu Beginn, dass Carpio ein prächtiger Junge sei, aber die weiteren Beschreibungen desselben lassen den Schluss zu, Carpio sei eher ein Art Depp. Im Prinzip ist Carpio ein ganz einfacher Charakter, von einer "geradezu kindlichen oder gar kindischen Harmlosigkeit, die keine Tatkraft aufkommen lässt und alles womöglich beim Schwanz anstatt beim Kopfe anfasste". - Was will ein so überlegener Typ wie der Erzähler mit einem solchen Partner? Na, vor allem überlegen aussehen und in jedweder Situation glänzen. Und dann muss sich der Erzähler auch noch verstellen: "... und gab mich, wenn ich mit ihm allein war, ebenso kindlich unbeholfen wie er" und "ich aber wachte heimlich über ihn und hielt, indem ich mir den Anschein gab ganz in seinem Willen aufzugehen, alle Unannehmlichkeiten möglichst fern von ihm". Eigentlich ist das ein starkes Stück. Ich würde mir an Carpios Stelle, so mir dies einmal auffallen sollte, ziemlich -entschuldigt- verarscht vorkommen. Nun gut, Carpio ist es wohl nicht aufgefallen. Und wenn, so wusste unser Erzähler ihm diesen Gedanken schnell auszureden.

Aber nun ist die Einleitung rum und ich beginne jetzt, pünktlich zu "Wetten, dass" (auch so eine Sendung, bei der man sich weglesen kann) mit dem 2. Kapitel: Der Prayer-man.
Begeben wir uns auf den Weg in den wilden Westen und erfahren, welche Gefahren dort auf unseren Helden warten.

*steigt in den Sattel und trabt an*
andrea
Re: "Weihnacht"
10. Dezember 2005 20:20
andrea schrieb:
-------------------------------------------------------

> Ich frage mich allerdings, warum er sich überhaupt
> mit Carpio abgibt. Er sagt zwar zu Beginn, dass
> Carpio ein prächtiger Junge sei, aber die weiteren
> Beschreibungen desselben lassen den Schluss zu,
> Carpio sei eher ein Art Depp. Im Prinzip ist
> Carpio ein ganz einfacher Charakter, von einer
> "geradezu kindlichen oder gar kindischen
> Harmlosigkeit, die keine Tatkraft aufkommen lässt
> und alles womöglich beim Schwanz anstatt beim
> Kopfe anfasste". - Was will ein so überlegener Typ
> wie der Erzähler mit einem solchen Partner?

Tja. Was wohl?
Re: "Weihnacht"
10. Dezember 2005 22:07
Arno Schmidt (und angeblich Elbogen schon vorher) hatte da auch so seine Vermutung. Man muss nur das obige Zitat genauer lesen, dann kommt man auch drauf welche. Und dann noch Mays Spitzname ...
Re: "Weihnacht"
11. Dezember 2005 09:45
In Hermann Wohlgschafts m.E. ganz außerordentlich lesens- und empfehlenswerten dreibändigen Betrachtungen über Karl Mays Leben und Werk bin ich jetzt im zweiten Band gerade bei der Passage angelangt, wo er den Band ?Weihnacht? auf 15 Seiten detailliert bespricht.

Er hält das in relativ kurzer Zeit geschriebene Werk zurecht für ?literarisch hervorragend? und beschäftigt sich ausgiebig mit der Figur des Carpio, die er, wie viele vor ihm, auf die er auch hinweist, [teilweise] für eine Ich-Variante von Karl May, eine Spiegelung, hält. Auch da kann und mag ich ihm voll und ganz folgen.

?In Carpio, dem >zerrissenen<, teilnahmslosen, zur Selbst-Zerstörung tendierenden Depressiven, hat der Schriftsteller das Erbärmliche, das Kranke ? und absolut Hilfsbedürftige ? bejaht und gerechtfertigt.
[?]
Liest man die ganze Erzählung von Carpio, dem >Kinde<, bzw. Old Jumble, dem >Wirrkopf<, her und durchschaut man, in welcher Figur sich der Autor ? einen wesentlichen Teil seines multiplen, vielgesichtigen Ich ? wirklich darstellt, dann eröffnet der scheinbare Heldenroman ganz andere Perspektiven.? (S. 1097)

Karl May würde sagen: ?Dieser Herr hat mich verstanden?.
Re: "Weihnacht"
11. Dezember 2005 14:34
@ Rolf und Helmut: Bah, schämt euch. Also wirklich... winking smiley

Dass es sich um eine Selbstspiegelung Mays handelt, der Gedanke liegt schon nahe. Allerdings ist mir May, was ich bis jetzt von ihm weiß, nicht sooooo extrem vorgekommen. Insofern teile ich eher die Ansicht, dass es sich um eine "teilweise Ich-Variante" handelt. Aber um das in allen Facetten beurteilen zu können, habe ich definitiv noch nicht das entsprechende Hintergrundwissen. Da fehlt mir aber nicht nur das -übermäßige- Interesse, sondern auch die entsprechende Sekundärliteratur dazu.
Aber ich stelle fest, man kommt irgendwann nicht umhin, sich doch genauer mit Mays Innenleben befassen zu müssen. Damit man solche wie von mir zitierten Feinheiten auch richtig einordnen kann. winking smiley

Zum Buch: Wenn ich so weiterlese wie bisher, z.B. auch beim Kochen, dann bin ich heute abend mit dem Buch fertig. Jetzt bin ich bereits im Lager der Upsaroka`s. Das zeigt allerdings auch, dass mich das Buch regelrecht fesselt. Ja, ich muss sagen, die Geschichte gefällt mir außerordentlich gut. Auch wenn ihr mich jetzt steinigt: Da könnte man einen tollen Film draus machen. Ich weiß gar nicht mehr, warum ich es früher nicht mochte. Ob mir damals wohl die geistige Reife fehlte??

Schön sind solche Sätze: "Ich habe schon früher irgendwo einmal das Gefühl beschrieben oder vielmehr zu beschreiben versucht, welches so ein Krafthieb hinterlässt; ich bitte also, auch zu schlagen, aber gefälligst nicht mit dem Kolben, sondern diese Stelle nachzuschlagen." - Da muss er doch beim Schreiben schon drüber gelacht haben. Überhaupt kommen viele solcher witzigen Stellen und Dialoge vor.
Das Werk scheint tatsächlich in einer Art Hochgefühl entstanden zu sein, zumindest liest es sich so, als hätte sich der Autor zu der Zeit wirklich richtig gut gefühlt. Das Buch bzw. die Geschichte wirkt rund, gelungen.

Vielleicht werde ich gleich mal die KMV-Variante nachschlagen. Mal feststellen, wieviele Textstellen abgeändert worden sind.

So, und nun weiterlesen, was so alles im Lager der Upsaroka`s passiert.

*nimmt die Satillodecke und etwas süßes Gebäck und macht es sich in ihrem Tipi bequem*

andrea
Re: "Weihnacht"
11. Dezember 2005 15:34
Hallo Andrea et al.,

wenn Du in dem Tempo weitermachast, musst Du eben zur Strafe nochmal lesen, damit die anderen noch eine geringe Chance haben, "nachzukommen".


Und nun kommt noch eine kleiner etwas "off-topic"-Absatz:

Ich bin durch das Lesen in "Weihnacht" auf ein schweres (eigentlich unentschuldbares) Versäumnis von mir gestossen worden. Und das kam so:
Ich stiess (bei der Erzählung Watters) auf "Idaho", und da ich ja da schon mal (eigentlich schon zweimal) war, habe ich mir den "Karl-May-Atlas" hervorgeholt, um seine mit meiner Reiseroute zu vergleichen. Und dabei musste ich feststellen, dass ich seinerzeit (es war im Oktober 92) als ich den Pass am "Grand Teton Peak" (an der Grenze zwischen Wyoming und Idaho) überquerte, unweigerlich an den Gros Ventre Bergen mit dem Mt. Hancock vorbeigefahren sein muss.
Und dort ist ja schliesslich, ja was wohl, eine der heiligsten Stätten, das Grab des größten aller Indianer-Häuptlingen, nämlich das von Winnetou.
Und ich (... hier kann ein Schimpfwort eingesetzt werden ...) hatte damals keine Ahnung davon (und hatte bis heute keine Ahnung davon) und habe es weder gesucht noch gefunden. (Es waren allerdings auch keine Wegweiser dorthin zu sehen, auch auf meinen Fotos, die ich mir nochmals sorgfältig durchgesehen habe, ist kein Hinweis darauf zu finden.) Ich habe auch keine Erinnerung mehr, ob ich damals irgend so was in meinem Inneren gespürt habe, dass ich einer solchen Stätte nahe bin.
Als einzige Entschuldigung (wenn auch eine schlechte) mag vielleicht gelten, dass das damals für mich eine "May"-ferne Zeit war.


Helmut






1-mal bearbeitet. Zuletzt am 11.12.05 15:37.
Re: "Weihnacht"
11. Dezember 2005 16:40
Fährst halt nochmal hin, Helmut. smiling smiley


Witzig finde ich ja, wie May in der Eingangsepisode, wo es darum ging, dass er ein Weihnachtsgedicht und eine Motette geschrieben, bzw. komponiert hatte und damit einen kurzen Ruhm, aber auch einen baldigen Überdruss ernten musste, schließlich resümiert:
"Was den ebenso wohlbegründeten wie unerschütterlichen Vorsatz in mir wachrief, meine etwaigen Gedichte auf alle Fälle erst nach meinem Tode erscheinen zu lassen. Dass ich in diesem Entschlusse bis auf einige wenige Ausnahmen treu geblieben bin, macht mich gewiß des Dankes der Mit- aber wohl schwerlich der Bewunderung der Nachwelt wert!
(Haffmanns Verl. TB, S. 23)

War schon mal jemand von Euch in Birnai bei Aussig an der Elbe, wo May sich ein Zimmer gemietet hat, um dort fleißig und in Ruhe an seinem Roman zu schreiben?

Gruß

Sylvia



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 11.12.05 16:41.
Re: "Weihnacht"
11. Dezember 2005 18:19
N'Abend zusammen!

Mit dem ersten Kapitel bin ich jetzt auch durch. Also ich muß sagen daß mich diese Seiten ja doch ein wenig nachdenklich gemacht haben. Dieser doch teilweise krasse Gegensatz von Übermut und Fröhlichkeit und gleich dabei dann das düstere, die Armut der Auswandererfamilie. Das gibt richtig Stoff zum nachdenken....

Ich finde es absolut schön, wie unser Karle diese "Weihnachtsreise" zusammen mit Carpio beschreibt, das ist alles so richtig fröhlich und lässt wirklich eine Leichigkeit aufkommen, die man beispielsweise auch in "Durch die Wüste" so richtig fühlt. Die Stelle mit der Wurst in die Carpio dann zum Ausgleich für die gefutterte Stelle Federn füllen will, oder die verwechselten Landkarten (Schweden und Norwegen resp. Algier, Tunis und Tripolis statt Böhmen und Sachsen sind einfach nur schön.

Welche Szene mir ja wirklich fast das Wasser in die Augen getrieben hat, war die "Weihnachtsfeier" der Auswandererfamilie mit unseren Freunden beim Franzel. Vor allem als dann noch das Gedicht (warum bitteschön tut Karl am Anfang der Geschichte eigentlich so, als ob dieses Gedicht etwas ganz und gar Schlimmes sei: immerhin schreibt er hier er habe diese Gedicht "verbrochen" und auch alles weitere in diesem Zusammenhang klingt für mich eher nach einer Rechtfertigung WARUM er es geschrieben hat. So arg schlimm finde ich dieses Ding jetzt gar nicht) vorgetragen wird wäre es - ich gestehe es offen - fast um mich geschehen gewesen.

Und ich finde schon dass man Karle in gewisser Weise in Carpio wiedererkennen kann, diese kleinen Schludrigkeiten, die er auch schon mal ab und an in seinen Werken "versteckt" hat lassen sich in Gestalt Carpios doch gut wiederfinden.

Eine Frage hätte ich ja noch in die Runde: wie bitte hört sich eine "fette" Stimme an?? Dieser Ausdruck ist mir im Orientzyklus schon über den Weg gelaufen und taucht jetzt hier erneut auf.

So weit erst mal von meiner Seite, muß weiterlesen, bevor Andrea den wilden Westen komplett alleine bereist (hupf)

Sabine





2-mal bearbeitet. Zuletzt am 11.12.05 18:51.
Re: "Weihnacht"
11. Dezember 2005 18:48
Hallo Twin!

> Also ich muß sagen daß mich diese Seiten ja doch ein wenig nachdenklich gemacht haben. Dieser doch
> teilweise krasse Gegensatz von Übermut und Fröhlichkeit und gleich dabei dann das düstere,
> die Armut der Auswandererfamilie. Das gibt richtig Stoff zum nachdenken....

So war das wohl auch beabsichtigt. Ganz abgesehen davon, dass es mal wieder die Spannung aufbaut, was unser Mayster ja wirklich meisterlich konnte.

> Ich finde es absolut schön, wie unser Karle diese "Weihnachtsreise" zusammen mit Carpio beschreibt,
> das ist alles so richtig fröhlich und lässt wirklich eine Leichigkeit aufkommen, die man
> beispielsweise auch in "Durch die Wüste" so richtig fühlt. Die Stelle mit der Wurst in die
> Carpio dann zum Ausgleich für die gefutterte Stelle Federn füllen will, oder die verwechselten
> Landkarten (Schweden und Norwegen resp. Algier, Tunis und Tripolis statt Böhmen und Sachsen sind
> einfach nur schön.

Es ist schon ganz nett, dieses Anfangskapitel, aber ich hab es bislang eher so in Kauf genommen. Ich weiss nicht, woran es liegt, vermutlich daran, dass ich immer schnell zum abenteuerlichen Westen wollte. (hupf)

> (warum bitteschön tut Karl am Anfang der
> Geschichte eigentlich so, als ob dieses Gedicht etwas ganz und gar Schlimmes sei: immerhin
> schreibt er hier er habe diese Gedicht "verbrochen" und auch alles weitere in diesem
> Zusammenhang klingt für mich eher nach einer Rechtfertigung WARUM er es geschrieben hat. So arg
> schlimm finde ich diese Ding jetzt gar nicht)

Vielleicht ein nicht gerade dezent verlaufender Versuch, die Aufmerksamkeit gerade auf seine Gedichte zu lenken? Schliesslich webt sich ja sozusagen der gesamte Band "Weihnacht!" um dieses eine Gedicht herum. Eine sehr ungewöhnliche Methode, die Mitmenschen vor den von ihm 'verbrochenen' Reimen zu schützen. Wann kamen denn eigentlich die "Himmelsgedanken" raus? grinning smiley

> Eine Frage hätte ich ja noch in die Runde: wie
> bitte hört sich eine "fette" Stimme an?? Dieser
> Ausdruck ist mir im Orientzyklus schon über den
> Weg gelaufen und taucht jetzt hier erneut auf.

Also, eine "fette Stimme" hört sich für mich ein wenig knödelig bzw. ölig an. Einfach schmierig. Das kann man nicht wirklich beschreiben, man kann es nur am Beispiel vorführen oder mit seiner Vorstellung abmachen, denke ich. Derzeit fällt mir leider niemand bekannteres ein, der eine solche Stimme hat. Ich melde mich wieder, wenn mir eine solche Stimme begegnet. smiling smiley

Schönen Sonntagabend noch




Sabine
Re: "Weihnacht"
11. Dezember 2005 18:57
Hallo Sabine!

Die "Himmelgedanken" erschienen erstmals Ende 1900.

Grüße

Rolf
Re: "Weihnacht"
11. Dezember 2005 18:59
Zur Stimmsuche:
Also, da wäre z.B. der CSU-Politiker Glos (richtig geschrieben ? Ich weiß es nicht). Oder, im Voigtland habe ich mal einer längeren Rede gelauscht (waren es eineinhalb oder zweieinhalb Stunden ? Gefühlt waren es dreieinhalb). Die Stimme habe ich auch als eher unschlank in Erinnerung.

Das mit der Verwechslung der Landkarten, Tunis statt Böhmen usw. war mir beim Lesen gar nicht aufgefallen. Könnte auch eine beabsichtigte Selbstironie sein.

Die Himmelsgedanken kamen erst viele Jahre später als "Weihnacht". Angefangen hat er damit, glaube ich, auf der Orientreise. Hier können uns Faktenfa-, äh, Faktenfachleute helfen.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 11.12.05 19:01.
Re: "Weihnacht"
11. Dezember 2005 19:03
<<Was den ebenso wohlbegründeten wie unerschütterlichen Vorsatz in mir wachrief, meine etwaigen Gedichte auf alle Fälle erst nach meinem Tode erscheinen zu lassen. Dass ich in diesem Entschlusse bis auf einige wenige Ausnahmen treu geblieben bin, macht mich gewiß des Dankes der Mit- aber wohl schwerlich der Bewunderung der Nachwelt wert!<<

Also würden laut dieser von Silvia erwähnten Aussage aus dem Anfangskapitel die "Himmelsgedanken" zu den wenigen Ausnahmen gehören oder wie?? winking smiley
Re: "Weihnacht"
11. Dezember 2005 19:09
Nein, er war 1897 noch anderen Sinnes. Später war er dann von der eigenen Poesie so beeindruckt, daß er es nicht mehr aushielt, sie nicht zu veröffentlichen.

winking smiley
Re: "Weihnacht"
11. Dezember 2005 19:51
Tja, das wars dann: Ich habe fertig.
Vor einer Stunde habe ich "Weihnacht" beendet.
Und ich muss gestehen, bei Carpios Sterbeszene musste ich mir ein Tempo holen. Schon allein bei der Vorstellung des Gesangs von "Stille Nacht" musste ich schlucken.
Geht mir dabei immer so. Wenn wir Heiligabend in der Kirche sind und die Kirche wird nur von Kerzen erhellt und dann fangen die Leute an, dieses Lied zu singen, dann muss ich mich immer ganz schrecklich zusammenreißen, um nicht loszuheulen. Das ergreift mich immer wieder. Normalerweise habe ich überhaupt nicht nah am Wasser gebaut...

Als Ausgleich werde ich mir die KMV-Version vornehmen und nach Unterschieden suchen.

Wenn mich ein Buch fesselt, höre ich nicht eher auf, bis ich fertig bin. Das kann manchmal bis nachts um 3 Uhr gehen. Oder einen ganzen Sonntag lang. Dann kommt noch ein ziemlich hohes Lesetempo hinzu... *seufz*

Also es hat mir sehr gefallen, hier stimmte wirklich alles: verschiedene Handlungsstränge, die hinterher alle sauber aufgedröselt waren, eine dramatische Geschichte, unsere Helden in Bestform, good guys und bad guys, aber auch god bad guys, die für eine Geschichte noch wesentlich interessanter sind, halt nicht nur Schwarz-Weiß-Malerei.
Das mit der "atmosphärischen Dichte" - das kommt wirklich hin.

Aber diese Koketterie mit den Gedichten und Motetten!! eye rolling smiley So schlimm ist das Gedicht nu auch nicht, dass man das Vortragen immer wieder mit Händen und Füssen verhindern müsste.
Sabine, das macht er nicht nur am Anfang so, sondern u.a. am Ende auch noch mal:
"Was ist das?" - "Ein Gedicht." - "Pshaw, Gedicht." ...
"Von welchem Dichter ist es denn?" - "Von keinem berühmten, sondern im Gegenteile von einem jungen Gymnasiasten, dem mein Vater damals Unterricht in der Kompositionslehre gegeben hat, wie er mir schrieb."
"Ein Schüler? Pshaw! Wollen das lassen!..."

Übrigens: Der Ausdruck "küßliche Lippen" :-x beschreibt doch wesentlich schöner einen wunderbaren körperlichen Vorzug als der heute gebräuchliche Ausdruck: "Knutschlippen". Oder?? Allerdings Winnetou mit Knutschlippen? Und dann sein superlanges Haar??? Nein, diese Gedanken weise ich jetzt doch von mir....

"Wer sich nicht bekehren lässt und sich gegen andere Meinungen gern nachtragend zeigt, dem entgeht die Elastizität, welche zum Parieren schwerer Schicksalsschläge nötig ist." - Schöner Satz.

Was mich noch sehr angesprochen hat:
"Aber Carpio war eines der vielen, vielen Opfer der landläufigen und doch so falschen Ansicht vieler studierter Väter, dass es eine Schande für sie sei, einen nicht studierten Sohn zu haben. Auch Väter, welche es zu einer guten Lebensstellung brachten, ohne eine höhere Schule besucht zu haben, und die nun doch wissen sollten, dass es viele Wege gibt, sich zu einer sogenannten, aber auch nur sogenannten, "besseren Existenz" emporzuarbeiten, setzen einen Trumpf darauf, wenigstens einen ihrer Söhne irgend einer Alma mater womöglich mit Gewalt in die widerstrebenden Arme zu treiben. Die Enttäuschung lässt nicht auf sich warten, und wenn man zehn Menschen in die berühmte Klage vom "verfehlten Leben" einstimmen hört, so kann man getrost behaupten, dass acht oder neun von ihnen Söhne solcher Väter sind."
Da kenne ich auch solche Familien, wo z.B. alle Kinder Abitur machen mussten und das auch noch auf französischen Internaten, Studium war schon vorgegeben, aber es scheiterte alles daran, dass die Kinder diesem Druck nicht gewachsen waren und jetzt ihr Leben lang daran zu knacken haben, dass sie dem Anspruch der Eltern nicht genügt haben und eine Anerkennung Ihres Lebensweges durch die Eltern versagt geblieben ist. Ich immer wieder froh, dass meine Eltern uns Kindern in dieser Beziehung nichts vorgegeben, keinen Druck ausgeübt haben und unsere beruflichen Entscheidungen in jeder Hinsicht akzeptiert und anerkannt haben. Wir konnten unser Leben frei planen und entscheiden, meine Eltern haben uns, sofern es kein ausgesprochener Blödsinn war, immer unterstützt (nicht finanziell, da stand das Gelübde der ewigen Armut im Wege). So kommt es, dass wir ein schönes familiäres Verhältnis haben. Ich finde es für jeden schade, der sich aufgrund solcher Zwänge nicht mit seinen Eltern versteht oder unter einem "verfehlten" Leben leidet.

So, das war es für heute abend.
Lest fleißig weiter.

"Yahhhheeee" *galoppiert von dannen*
andrea

Re: "Weihnacht"
11. Dezember 2005 21:04
Brrrrr, hoohhh, mein tapferer Swallow, ich war ja doch noch nicht fertig.

Ich habe mir also dann direkt mal die KMV-Ausgabe geholt. 315.Tsd.
Und schon beim ersten Durchblättern merkt man sehr schnell, dass irgendwie Text fehlt.

Das fängt ganz harmlos an:
Bei der Beschreibung von Franzl wird aus "blütenweiß" einfach "weiß", aus "glänzend eingefettetes dunkles Haar" wird lediglich "eingefettetes Haar", aus "volles und rotwangiges" ein nur noch "rotwangiges" Gesicht.

Schon ziemlich heftig ist die Kürzung bei der Beschreibung des "unvergleichlichen" Winnetous:
Da fehlt ab "Einen Bart trug er nicht;..." bis "...wenn er aber zürnte, drohende Odinsaugen." aber auch der ganze Text. Natürlich auch die küßlichen Lippen.

Und am Schluss wurde nach Carpios Tod ziemlich schnell die Beerdigung durchgeführt. Die Szene, wo alles heult und die Worte Winnetous zum Tod Carpios fehlen ebenfalls.

Ebenso wird der Schluss ziemlich hopplahopp abgehandelt. Da fehlt auch, dass der Erzähler seinen Hadschi noch aufgesucht hat, es fehlt, wie die Verwandten Carpios ihn aufgenommen haben ("als müsse ich froh sein, daß mir nicht abverlangt worden war, mit Hilfe überzeugender Unterlagen zu beweisen, daß der Betrag nicht eigentlich ein größerer sei!").

Also schon ziemlich heftige Kürzungen - und das nur auf den ersten Blick.

Vielleicht hat mir deshalb früher das Werk nicht so gut gefallen, weil da durch die Kürzungen so viel Seele verloren gegangen ist?

Ahja, aus "Bleichgesichter" wird "Blaßgesichter" WARUM???

Nu ist aber Schluss für heute.

*bringt das Pferd in den Stable*
Good night, ladies and gentlemen

andrea
Re: "Weihnacht"
11. Dezember 2005 21:10
Du meine Güte, du mußt aber wirklich einen rasanten Mustang erwischt haben, Andrea winking smiley Ich werde mit meiner alten Mähre wahrscheinlich nicht ganz so schnell vorwärts kommen und hoffe doch daß der oder die ein oder andere mir noch hilfreich zur Seite steht, sollte das gute Tier mal bocken.... (hupf)
Re: "Weihnacht"
11. Dezember 2005 21:15
Rasant und tiefergelegt.

cool smiley
Re: "Weihnacht"
11. Dezember 2005 21:19
>> Rasant und tiefergelegt.

Wie macht man das denn bei einem Mustang?

Oder handelt es sich um das blecherne Modell gleichen Namens einer bekannten amerikanischen Automarke?

grübelnd

Sabine
(die überlegt, ob sie jetzt die Tierschützer auf den Plan rufen muss)
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