Titelbild


Frage
Icon
Privat
Icon
Start
Icon
Verlage
Icon
Texte
Icon
Bände
Icon
Reihen
Icon
Extras
Icon
Forum
Icon
Gästebuch
Wiki
Wiki
Impressum
Impressum
Logo Karl-May-Verein

Karl May - Chronik

geschrieben von Rüdiger 
Karl May - Chronik
04. September 2005 07:59
Ich denke, es spricht nichts dagegen, eine Leserunde zur ?Chronik? zu eröffnen, auch wenn der oder die eine oder andere noch anderweitig beschäftigt ist, ich kenne es auch aus Literaturforen, dass mehrere Leserunden gleichzeitig laufen. Diese Runde kann uns ja, parallel zu anderen zu besprechenden Texten, längerfristig begleiten.

Ein paar Anmerkungen zum hochinteressanten Vorwort Dieter Sudhoffs.

Daß in einem Band der ?Gesammelten Werke? breit und lobend auf die Karl May Gesellschaft eingegangen wird, wäre vor, sagen wir, vielen Jahren, so nicht denkbar gewesen. Da ist eine ganz außerordentlich erfreuliche Entwicklung in Gang gekommen.

Die Formulierung ?im angenommenen Sinne? (statt ?im Sinne?, bezüglich der vielzitierten Bearbeitungen im Sinne Karl Mays) gefällt mir in ihrer Differenziertheit und Dezentheit so gut, dass sie in meinen festen Wortschatz übergehen wird.

Daß Arno Schmidt die These von latenter homosexueller Neigung Karl Mays ?fälschlich? aufgestellt habe, begründet der Autor mit keinem Wort, und lässt mich, einigermaßen verblüfft, ein Fragezeichen an den Rand setzen (im Geiste).

Es ist erfreulich, dass dem Autor Archiv und Nachlass in hohem Ausmaß zur Verfügung standen. Unerfreulich ist, dass dem, wenn man so will, Biographen der Konkurrenz, Wohlgschaft, aus dem Grund, dass dieser diesen Zugriff nicht hatte, ein Strick gedreht und gleichsam ?einer hingetreten? wird. Das gehört so nicht hinein in einen Text dieser Art. Jedenfalls freue ich mich sehr auch auf die Neuausgabe der Wohlgschaftschen Biographie und sehe ihr mit Erwartung und Spannung entgegen.

Auch die These, dass eine Biographie so und nicht anders auszusehen habe, ist nicht haltbar, das ist Ansichts- und Geschmackssache. Erfreulich, dass es z.B. auch Romanbiographien gibt, in denen Phantasie und dichterischer Gestaltung breiter Raum gelassen wird.

Nichtsdestotrotz ist Sudhoff, unzweifelhaft einer der interessanteren Köpfe in Sachen Karl May, gar nicht genug zu loben für seine ausgezeichnete Arbeit. Mit dieser Chronik legt der Karl May Verlag, nach schon einigen äußerst erfreulichen Publikationen der letzten Jahre, erneut einen Volltreffer hin.
Re: Karl May - Chronik
04. September 2005 11:30
Nachdem die Chronik ja noch nicht vollständig ist und man mit einer Kritik daher bis zum 5. Band warten sollte, möchte ich hier nur einige vorläufige Gedanken notieren.

Nachdem ich den ersten Band gelesen hatte, kam in mir die Frage auf, welche Überlieferungen, welche Fakten nach welchen Kriterien Aufnahme in die Chronik gefunden haben. Diesbezügliche Informationen, etwa auch Benutzungshinweise habe ich im Vorwort nicht gefunden.

Was mich - natürlich aus rein persönlichem Interesse - gewundert hat, ist, welche May-Abdrucke in der Chronik erwähnt wurden und welche nicht. Selbst die unsichere Börsenblatt-Anzeige, die Plaul meiner Überzeugung nach vor allem als Referenz an seine Hauptinformationsquelle als Nr. 1 in seine Bibliographie aufgenommen hat, wird erwähnt, dagegen verzichtete man aber auf die Nennung von Nachdrucken, zwar nicht immer, aber sehr häufig. Wie ich von Herrn Sudhoff erfahren habe, sei das Absicht. Ein Verlag wie etwa Theodor Herrmann in Wiesbaden, bei dem immerhin 5 May-Erzählungen erschienen, wird daher gar nicht erwähnt.
Nachdem das doch wohl kaum der unwichtigste unter den Geschäftspartnern Karl Mays war, vermisse ich persönlich in diesem Punkt Vollständigkeit.

Außerdem hatte ich vor Erscheinen der Chronik erwartet, hier eine Faktensammlung vorzufinden. Wie Dr. Sudhoff mitteilte, hätte ich dann da etwas missverstanden. Ihm sei es darum gegangen, zu den Tagen/Terminen/Ereignissen, möglichst alle Überlieferungen heranzuziehen. Der Leser müsse dann selbst entscheiden, was wahr ist und was nicht.

In solchen Fällen, wo man nur eine Quelle hat, die im schlimmsten Fall nur Karl May selbst ist mit seinen romanhaften Selbstzeugnissen, werden daher nur Unsicherheiten wiederholt. Ein aktuelles Beispiel ist die angebliche Werbereise Karl Mays für die Zeitschrift "Schacht und Hütte" nach Berlin, ins Ruhrgebiet und nach Österreich. Nimmt man den hervorragenden Artikel von Michael Rudloff aus den aktuellen Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft dazu, so sind an dieser Reise doch die größten Zweifel zurecht angebracht.

Im Vorwort erwähnt Sudhoff zur Fehsenfeld-Ausgabe, dass die 'grüne' Einbandgestaltung von Felix Krais in Stuttgart mitgestaltet worden sein soll. Ich weiß, dass das in der Sekundärliteratur ein-, zweimal zu lesen ist, aber jeweils ohne Quellenangabe. Nachdem ich daran aus dem Bauch heraus meine Zweifel hege, weil Felix Krais der Drucker war und nicht die Binderei - das war nämlich C. H. Schwabe in Stuttgart -, so hätte mich nun gefreut, wenn in der Chronik dazu ein Dokument enthalten gewesen wäre. Aber die Sache wird - außer im Vorwort - überhaupt nicht erwähnt.

Der Reiz der Chronik wird also vermutlich vor allem in dem liegen, was tatsächlich an neuen Details aus Mays Biografie mitgeteilt wird, etwa der Einbruch in seine Wohnung, aber auch neue Dokumente, so etwa der Brief an Fehsenfeld, aus dem sehr zweifelsfrei hervorgeht, dass die beiden ursprünglich nur an Kolportage dachten, als es um die Einführung der "gesammelten Reiseromane" ging. Karl May hat dem Freiburger doch tatsächlich ein deutschlandweites Vertriebsnetz mit angeboten. Da kann er doch nur an Münchmeyer gedacht haben. Das finde ich in seiner Deutlichkeit allerdings sensationell.

Was mich persönlich eher langweilt, sind die teils mehrere Seiten füllenden Berichte von Menschen, die Karl May besucht haben, seien es Schüler oder Adlige, die teils erst Jahrzehnte später ihre Erinnerungen zu Papier brachten. Da wiederholt sich einfach vieles. Ich muss nicht von jedem einzelnen lesen, wie Karl May aussah, oder wie seine Villa eingerichtet war und dass er Stories zu Gehör brachte und man bei der nochmaligen Schilderung von Winnetous Tod gemeinsam in Tränen ausbrach. Man darf nicht vergessen, dass es sich bei den Besuchern doch eher um gläubige Fans - welchen Standes auch immer - handelte, deren späte Zeugnisse von Verklärungen überlagert sein dürften. Den Wert eines solchen Dokumentes schätze ich eher als gering ein.

Was bei aller Mäkelei über Details nicht zu unterschätzen ist, ist, dass die Chronik entgegen aller Erwartungen tatsächlich lesbar ist und sich nicht nur zum Nachschlagen eignet, und dass bestimmte Ereignisse jetzt im Zusammenhang erscheinen, die früher unabhängig von einander an verschiedenen Orten dokumentiert waren und auch getrennt voneinander bewertet wurden. Die Chronik bringt daher ein Stück der Komplexität zurück, die ein Leben nunmal ausmacht. Bei der bisherigen Zerteilung der verschiedenen Aspekte eines Schriftstellerlebens in diverse Themenschubladen ging allein durch die Kategorisierung viel an Erkenntnis verloren, die jetzt wieder oder erstmals greifbar ist.

So freue ich mich eher ungeduldig auf die nächsten Bände und insbesondere auf die Register, die die Arbeit mit diesem Monumentalwerk erst ermöglichen.
Re: Karl May - Chronik
04. September 2005 11:46
Ich habe bisher nur die Einleitung gelesen und etwas darin herumgeblättert. Trotzdem 2 Anmerkungen:

- Zu der (wohl berechtigten, ich kenn das nicht beurteilen) Kritik an der HKA hätte man (meiner Meinung nach) hinzufügen können (und sollen), dass der KMV (der ja unbestritten die besten Voraussetzungen dafür hat) erstmals 93 Jahre nach Mays Tod auch diesen Weg geht.

- Was mich noch stört (vielleicht liegt das an meinem Alter), dass kommentarlos (und unnötigerweise) bei den Datumsangaben die englisch/amerikanische Schreibweise (MM.DD) übernommen wurde, die meines Wissens im Deutschen (noch) nicht gebräuchlich ist.

Helmut
Re: Karl May - Chronik
04. September 2005 11:56
Sehr geehrter Herr Moritz!

Dazu auch einige Anmerkungen:

- Sie können nicht erwarten, dass ein Verlag - egal welcher - sich in eigenen Publikationen selbst kritisiert.

- Was die Datumangabe angeht, so glaube ich nicht, dass sie amerikanisch ist (im Text z. B. nie), sondern dass die fett hervorgehobenen Datumsangaben Signaturen sein sollen, die gleichzeitig eine eindeutige chronologische Sortierung bilden sollen. Da ist das Jahr die erste Sortierebene, der Monat die zweite und der Tag die dritte. Es gibt ja auch solche Signaturen: JJJJ.MM.DD. Und das ist sicher nicht amerikanisch.

- Was mich dagegen eher stört, sind die Anführungszeichen, die deshalb, und nur deshalb so gewählt wurden, weil sie im Satz weniger Platz benötigen. Für mich ist das nicht nachvollziehbar. Man muss sich halt damit abfinden.

Herzlichen Gruß
Wolfgang Hermesmeier
Re: Karl May - Chronik
04. September 2005 12:08
Hallo zusammen,

die Datumsangaben empfinde ich auch als irritierend, zumal man immer gucken muß, was sind nun Tage und was Monate: manchmal bezieht sich ein Eintrag auf einen Tag, manchmal auf mehrere Monate.

Die Sache mit der Onanie und dem diesbezüglichen diversen Schriftverkehr zwischen höchstoffiziellen Stellen (S. 90 ff): unglaublich. Ich könnte es so wirklich nicht glauben, wenn ich das alles nicht schwarz auf weiß lesen würde. Wo sollten die armen Kerls denn hin damit ? In unerquicklichen Hinterhof-"Beziehungen" verstärkt uneheliche Kinder ansetzen ? Vergewaltigen ? Schafe und Ziegen ? Die latente schwule Ader hervorsuchen ? Fortgeschrittenen Yoga machen ?

Und dieses (teilweise nicht unverschuldete) Lebens-Schicksal der frühen Jahre: man kennt das zwar alles schon, aber wenn man es dann noch einmal so komprimiert wie detailliert liest, unberührt läßt es mich nicht.
Re: Karl May - Chronik
04. September 2005 12:10
Hermesmeier schrieb:
-------------------------------------------------------
>>
> - Sie können nicht erwarten, dass ein Verlag -
> egal welcher - sich in eigenen Publikationen
> selbst kritisiert.
>

Leider richtig. (Nichtmal bei durch Namen gekennzeichneten Beiträgen)


- Was die Datumangabe angeht, so glaube ich nicht,
> dass sie amerikanisch ist (im Text z. B. nie),
> sondern dass die fett hervorgehobenen
> Datumsangaben Signaturen sein sollen, die
> gleichzeitig eine eindeutige chronologische
> Sortierung bilden sollen. Da ist das Jahr die
> erste Sortierebene, der Monat die zweite und der
> Tag die dritte. Es gibt ja auch solche Signaturen:
> JJJJ.MM.DD. Und das ist sicher nicht
> amerikanisch.
>

Das ist sicherlich die (physikalisch) richtigere Reihenfolge der Daten. Für mich war das bisher aber in deutschen Texten unüblich und ich habe es bisher nur bei Büchern des angelsächsichen Sprachraums so ähnlich gesehen (im amerikanischen schreibt man allerdings meist MM.DD.JJJJ).
Für eins chronologische Sortierung ist dies allerdings heutztage nicht mehr erforderlich.

Gruß, Helmut Moritz
Re: Karl May - Chronik
05. September 2005 18:53
Das Juwel ?Besuch Emma Pollmers. Klöße mit Rind.? auf S. 253 oben mag ich nur zit-, nicht kommentieren.

*

Es macht mich, sozusagen, richtig an, dieses Jahr 1879, mitzuerleben, wie es ?Knack? macht, durch die ?Zündung? beim ?Hausschatz? und die erste Buchausgabe. Es ist zwar schon 126 Jahre her, und der Mann ist seit 93 Jahren tot, aber ich fühle mit ihm, und freue mich.

?Nur wenige Menschen sind wirklich lebendig und die, die es sind, sterben nie. Es zählt nicht, daß sie nicht mehr da sind. Niemand, den man wirklich liebt, ist jemals tot.?

Also sprach Ernest Hemingway.

winking smiley
Anonymer Teilnehmer
Re: Karl May - Chronik
08. September 2005 17:07
In den vergangen Tagen habe ich die zwei Chronik-Bände mit großem Interesse und wahrer Begeisterung gelesen, viel neues erfahren, bin bezüglich Emma May zu gänzlich neuen Erkenntnissen gelangt.

Nun mußte ich an anderer Stelle lesen, dass der von mir sehr geschätzte und bedeutsame Karl-May-Forscher Ralf Harder zu der Erkenntnis gelangt ist, dass die Chronik zwar sehr zu empfehlen sei, inhaltlich aber doch nicht so toll ist, viele Fehler sich eingeschlichen haben, die eigentlich hätten vermieden werden können.

Tja, was hat man denn da jetzt gelesen!?
Re: Karl May - Chronik
09. September 2005 01:56
> Daß Arno Schmidt die These von latenter homosexueller Neigung Karl Mays
> ?fälschlich? aufgestellt habe, begründet der Autor mit keinem Wort, und lässt mich,
> einigermaßen verblüfft, ein Fragezeichen an den Rand setzen (im Geiste).

och, ich mach meine Fragzeichen nicht nur im Geiste, sondern ganz real im Buch eye rolling smiley

Und an dieser Stelle hab ich, mooment, ich muss mal nachschauen, doch ja, tatsächlich das Wort "fälschlich" unterstrichen und ein Fragezeichen an den Rand notiert.

Nun nicht, weil ich Schmidts "Sitara" so überzeugend fände, sondern weil das einfach das falsche Wort am falschen Platz ist: Schmidts Behauptung, Mays latente Homosexualität bestimme die Struktur seiner Texte (jetzt mal *sehr* verkürzt) ist schlechterdings weder veri- noch falsifizierbar: Es handelt sich hier um einen Glaubenssatz, um eine mehr oder weniger plausible Behauptung - aber nicht um einen Satz, dessen Wahrheitsgehalt eindeutig festgestellt werden könnte. Man kann nur glauben, was Schmidt schreibt oder halt nicht, man kann es für plausibel halten oder auch nicht -- aber man kann nicht eindeutig sagen "stimmt" oder "stimmt nicht".

Kurz: Sudhoff behauptet an dieser Stelle, ihm sei das erstaunliche Kunststück gelungen, einen prinzipiell nicht falsifzierbaren Satz zu falsifizieren.

Und da das natürlich nicht geht, schrumpelt der so selbstsicher auftrumpfende Passus der Einleitung an dieser Stelle zu einem ganz banalen "glaub ich nicht" zusammen.

Giesbert Damaschke, München
Re: Karl May - Chronik
09. September 2005 07:11
Eben. Genau so.

Herzlich willkommen !

smiling smiley (y)
Anonymer Teilnehmer
Re: Karl May - Chronik
09. September 2005 11:16
Richtig, sehe ich auch so wie Rodger.

Sage auch herzlich willkommen, lieber Herr Dr. Damaschke.



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 09.09.05 20:18.
Re: Karl May - Chronik
10. September 2005 10:58
Hallo Herr Damaschke

Wo steht das in der Chronik von Arno Schmidt, Bd. ? S. ?

Günther Wüste
Re: Karl May - Chronik
10. September 2005 13:24
In der Einleitung von Dieter Sudhoff heißt es auf S. 7:

"Ein Rezeptionswandel setzte erst in den 1960er Jahren ein [...]. Ursächlich hierfür war ... zum anderen ... die Initiative des Schriftstellers Arno Schmidt, der zumindest Mays symbolistisches Späwerk in die Regionen der Hochliteratur erhoben wissen wollte. Dass dann ausgerechnet Schnmidts umstrittene Studie 'Sitara und der Weg dorthin' (1963), in der er May fälschlich eine latente homosexuelle Neigung unterstellte, zur Initialzündung der neueren May-Forschung wurde, ist indes nicht ohne Ironie."

Schmidt stellt in in "Sitara" eine These auf, die wahr sei kann oder auch falsch. Der Knackpunkt ist nur: Die These lässt sich weder beweisen noch widerlegen, sie kann nur mehr oder weniger plausibel gemacht werden. Wenn Sudhoff also schreibt, Schmidt würde "May fälschlich eine latenten homosexuelle Negiung" unterstellen, suggeriert er sicheres Wissen, wo es prinzipiell keines geben kann. Mir zum Beispiel erscheint Schmidts Sitara in Grundzügen plausibel, Sudhoff hält es wohl für Quatsch. Aber das ist etwas prinzipiell anderes als die Aussage, Schmidt unterstelle (nebenbei - diese Wortwahl finde ich eher seltsam, als seien die individuellen sexuellen Präferenzen Gegenstand von "Unterstellungen") "fälschlich" etc. etc.

Aber das ist wirklich nur eine Kleinigkeit -- wenn es im Vorwort auch für meinen Geschmack etwas zu viele Kleinigkeiten dieser Art gibt.
Re: Karl May - Chronik
10. September 2005 13:42
Bei diesem Vorwort fiel mir vor allem die Selbstzufriedenheit des als verantwortlich Zeichnenden auf. Ein bisschen zu dick aufgetragen finde ich. Benutzungshinweise sucht man dagegen vergeblich. Mich hätte es auch gefreut, wenn klargelegt worden wäre, was genau eigentlich die Chronik an Daten und Fakten versammelt. Welche Informationen waren es wert aufgenommen zu werden? Es finden nicht einmal alle Verleger Erwähnung, für die Karl May gearbeitet hat. Hier hätten vielleicht doch die Schubladen benannt werden sollen, aus denen man schöpfte.

Um auch mal über ein Detail Korinthen zu kacken, beziehe ich mich auf Sudhoffs Bemerkung im Vorwort, die Einbandgestaltung der gesammelten Reiseerzählungen stamme von Felix Krais in Stuttgart. Das findet sich als Vermutung ohne Quellenangabe auch bereits ein- zweimal in der Literatur und wird nun in das Vorwort kolportiert. Zweifel hatte daran sowieso, weil Krais der Drucker war und nicht der Binder. Das war die Firma C. H. Schwabe. Nun hätte ich erwartet, dass das im Hauptteil der Chronik wieder auftaucht und dann auch mit Fakten belegt ist. Aber nixda. Kommt gar nicht vor.

So richtig glücklich bin ich mit der Chronik nicht. Da hatte ich - wie Herr Sudhoff auch schon feststellte - offenbar eine andere Erwartungshaltung.
Re: Karl May - Chronik
10. September 2005 22:37
Mittlerweile bin ich beim zweiten Band, den man ganz anders liest als den ersten, der aufgrund vieler kleinerer Einträge ein ganz anderes Schrift- oder Erscheinungsbild auf den Seiten hat.

Einige nette Sachen, die mir im ersten Band aufgefallen sind (leider habe ich mir die Seitenzahlen teilweise nicht notiert):

Der Hausschatz in Beantwortung einer Leserinnen-Zuschrift:

?Ihre Hoffnung ist vergebens. Unser verehrter Mitarbeiter Dr. Karl May, der Weltläufer, der einst mehr außer als im Hause war, ist bereits verheirathet. Die Ehe schützt ihn vor wilden Thieren und Menschen und leitet ihn auf die friedlichen Bahnen, welche wir gewöhnlichen Erdenpilger wandern. Auf ihn dürfen Sie also nicht mehr rechnen.?

*

Interessant, wie eine Bearbeitung entstehen kann. Als der Zeichner sich bei den Illustrationen vertan und in einer Szene Indianer gemalt hat, teilt der Verlag Karl May mit, man habe den Text entsprechend ändern müssen (die Helden verkleiden sich nun, vermeintlich aus taktischen Gründen, als Indianer; diese Bearbeitung ist also offenbar doch nicht von Karl May selbst, wie andernorts manchmal zu lesen).

*

Bewegend die Sache mit dem angenommenen Kind.

*

Und verblüffend die Stelle, wo es heißt, jemand habe Mays Stil kritisiert, insbesondere die Verwendung von Relativpronomina.

Sandhofer am 13.1.2004 im KMC-Forum in Sachen Identifizierung eines unter anderer Kennung schreibenden Foren-Teilnehmers:
?Es gibt auch Westmänner, die anhand eines Relativpronomens sagen können, dass hier Winnie-the-Pooh im Gebüsch liegt.?

Es kommt doch alles wieder.

winking smiley
Re: Karl May - Chronik
11. September 2005 07:41
Mit der "Chronik" liegt also ein Kompendium vor, dass vieles nochmals wiederholt und bequem zusammenstellt, was in der Sekundärliteratur teils häufiger als einmal zu lesen ist (verzeichnete Illustrationen führen zur Textbearbeitung; Briefkasten im "Hausschatz").

Die Sache mit dem angenommenen Kind fand ich hingegen alles andere als bewegend, weil sie Karl May nicht sonderlich sympathisch aussehen lässt. Er selbst wollte die verantwortliche Vaterrolle nicht übernehmen, sondern nur den guten Onkel spielen, der das Kind gelegentlich verwöhnt, wenn es gerade konveniert. Ansonsten überließ er die mit der Erziehung verbundene Arbeit seiner Frau, die einerseits überfordert war, andererseits absolut nicht wollte und dies auf Ihre ganz eigene, skandalöse Weise quittierte. Dass sie das Mädchen regelmäßig einsperrte, scheint Karl May gar nicht mitbekommen zu haben und ich kann auch nicht erkennen, dass er etwa verhindert oder rückgängig gemacht hätte, dass dem Kind Geschenke vorenthalten oder weggenommen werden.
Nachdem das Mädchen dann wieder bei seiner Mutter war und dort bleiben wollte, schreibt May zu Weihnachten doch einen sehr verräterischen Brief an eines der Geschwister dieses Mädchens in dem Sinne: Ich hätte euch ja was geschenkt, aber bei euch ist es ja so viel schöner als bei mir. Was hätte ich euch schenken können?

Hier zeigt sich Karl May als echter Stinkstiefel. Noch ungerechter hat wohl kaum jemand die beleidigte Leberwurst gespielt. Bewegend finde ich das nicht, sondern widerlich.

Und wenn man sich Emmas Rolle hier genauer betrachtet, kann man sich vermutlich leicht erklären, weshalb die Mays kinderlos blieben. Sie hat offenbar für ihre eigene Lebensplanung Kinder ausgeschlossen. Und wenn sie tatsächlich mal schwanger gewesen wäre, hätte sie einen Weg gefunden, diesen unbequemen Zu-, nein Umstand, zu beseitigen. Aber das ist natürlich alles böswillig erfunden.

Schönen Gruß
in den Sonntag
Re: Karl May - Chronik
11. September 2005 11:12
Intressante Leseerlebnisse

Intressant auch die Mitteilung in Chronik Band 2, S. 427 das das Vorwort von Durch Wüste und Harem (Fehsenfeld 1892) von May selber stammt.

Gruß Günther Wüste
Re: Karl May - Chronik
11. September 2005 11:20
Interessant dennoch, denn Mays Vorstellung von Kind-haben scheint ziemlich idealisiert gewesen zu sein. Mir fallen nur Ellen/Harry, das Waldröschen und der kleine Kurt ein. Superkinder. Dass es nun aber bei seiner eigenen Nichte nicht damit getan war, sie vielleicht in schöne Kleider zu stecken, ihr Schule, Unterkunft und Verpflegung zu finanzieren und sie ab und zu mit einem Geschenk zu verwöhnen, was dem Kind wahrscheinlich gar nicht so viel bedeutet haben wird, weil es die Mutter, das Zuhause vermisste, wird May nicht so klar gewesen sein (hat er denn nicht an seine viel besungene Großmutter gedacht? Oder war das alles gar nicht so mit der Liebe, Güte, Zuwendung?), oder er hat, wie damals wohl üblich, von Emma erwartet, dass sie diese "mütterlichen" Aufgaben übernimmt. Da hat er sich aber geschnitten. Die hatte - selber angeblich ein verwöhntes Einzelkind - damit ja nun überhaupt nichts am Hut.
Dumm gelaufen, da wollte die Kleine wohl kein Edelmenschlein werden.
Enttäuschend finde ich auch, dass May das gar nicht weiter reflektiert hat.

Gruß

Sylvia
Re: Karl May - Chronik
11. September 2005 15:34
@Herr Hermesmeier

- Karl May und das angenommene Kind:

Nun, der eine nimmt hauptsächlich den einen Aspekt (hier den kritischen) wahr, der andere den andern (hier den tragischen), beide Aspekte, und noch mehr, sind vorhanden, und beide Leute haben Recht. Man kann Dinge immer so und so betrachten.

Das mit dem Brief sehe ich anders. Den kann ich gut nachvollziehen, und da sehe ich keinen Stinkstiefel. Der Mann war, verständlicherweise, gekränkt, und der Brief ging ja nicht an das Kind. Er wird nicht aus Geiz nichts geschenkt haben, sondern aus Gekränktheit. Das sollte man nicht einseitig materiell sehen.

- Emma:

Ist doch in Ordnung, wenn jemand kein Kind haben will, ich will auch keins. In dem Fall hatte May halt das Pech, andere Bedürfnisse zu haben als seine Frau. Hätten die beiden vorher klären können und sollen. Es gibt auch Paare, die sind sich da einig. Es ist ja wohl keine moralische Verpflichtung, einen Kinderwunsch zu haben. ? Wieso ?böswillig? ?

@Sylvia

1.) Das Kind hat sich bei Karl May sehr wohl gefühlt und mochte ihn.
2.) An Edelmenschen habe ich bei der Lektüre der entsprechenden Seiten nicht gedacht, und Karl May zu der Zeit vermutlich auch kaum.
3.) Zu der Zeit, darauf wird ja auch zu Recht hingewiesen, waren die Rollen klar verteilt. Kein Mensch wird erwartet haben, dass der Mann kocht und sich um Kleidung kümmert. Schön, dass er, wie Wolfgang Hermesmeier sich ausdrückt, den guten Onkel gespielt hat. Das hat er offenbar gut und mit Herz gemacht. Was will man mehr. Er hat ? im Rahmen seiner Möglichkeiten ? das beste gegeben.
4.) Emma hat das Kind schlecht behandelt. Deshalb hat dessen Mutter es wieder mitgenommen.




2-mal bearbeitet. Zuletzt am 11.09.05 15:37.
Re: Karl May - Chronik
11. September 2005 16:32
Hermesmeier schrieb:
-------------------------------------------------------
>
> Und wenn man sich Emmas Rolle hier genauer
> betrachtet, kann man sich vermutlich leicht
> erklären, weshalb die Mays kinderlos blieben. Sie
> hat offenbar für ihre eigene Lebensplanung Kinder
> ausgeschlossen. Und wenn sie tatsächlich mal
> schwanger gewesen wäre, hätte sie einen Weg
> gefunden, diesen unbequemen Zu-, nein Umstand, zu
> beseitigen. Aber das ist natürlich alles böswillig
> erfunden.
>

Hallo Hr. Hermesmeier,
dies mag zwar "bösartig erfunden" sein, aber bereits Karl May hat diesbezügliche Spekulationen in seiner "Frau Pollmer"-Studie geäußert. Und Klara May wollte, wenn man den "Ermittlungen in Sachen Frau Pollmer" Glauben schenken darf, an Emma diesbezügliche körperliche Merkmale (allerdings, die einer früheren Geburt) festgestellt haben.


Gruß,
Helmut Moritz
In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.

Klicken Sie hier, um sich einzuloggen