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Wanda

geschrieben von andrea 
Wanda
10. Juni 2008 20:29
Da mich die Wanda schon eine laaaange Zeit aus dem Bücherregal heraus angesehen hat, habe ich mich kurzerhand entschlossen, sie zwischen den Seiten 228 bis 263 von Krieg und Frieden zwischenzulesen und also meine eigene kleine Leserunde durchzuführen.

Wanda - Welch ein Name! Ich war gespannt darauf, was das für ein Fraumensch sein könnte, dass May ihr eine Novelle widmete. Es folgte eine Beschreibung jenes Weibes, die mir außerordentlich gut gefiel:
Quote

Von der Natur mit den herrlichsten Gaben ausgestattet, glänzte sie als leuchtendes aber unberechenbares Phänomen am gesellschaftlichen Himmel. Während andere ruhig ihre Bahnen wandelten, flimmerte sie in den verschiedensten Lichtern, zuckte blitzähnlich von einem Punkt zum anderen, warf oft die ganze Planetenstellung über den Haufen und hätte auch den kaltblütigsten Astronomen zur Verzweiflung bringen können.
- Wow, was für eine Beschreibung, was musste das für eine Frau, ein Wirbelwind sein!! Sollte May hier tatsächlich...?? Aber ach! ich wurde schmählich enttäuscht. Es kam wie immer: Kleine Händchen, kleines Gesichtchen, hübsches Köpfchen...und wirklich viel drauf hat sie auch nicht. Sie wird abwechselnd rot oder blass, je nach Situation und wirft sich ihrem Helden gerne an die tiefatmende Brust. Sie wirft weder Planeten aus den Bahnen noch irrlichtert sie über den Himmel. Sie wirft noch nicht einmal den Professor und Hagen aus dem Ballon. Nein, diese Frau entspricht so gar nicht der zitierten Beschreibung. Was mich bei May aber auch nicht wirklich wundert. Eine Frau dieser Beschreibung entsprach meiner Meinung nach nicht seinem Ideal. So reiht sich Wanda nahtlos in die Beschreibungen anderer Frauen ein, ohne wirklich aufzufallen.


Wanda, ein Name aus dem Polnischen, wie mir Wikipedia soeben verriet, bedeutet "vom Stamm der Wandalen" und *seufz* ist auch noch ausgerechnet der Name von Germanys next Topmodel 2008. Aber das nur nebenbei.

andrea
Re: Wanda
10. Juni 2008 20:34
Und wogt da gar nix? Würde mich wundern.
Re: Wanda
10. Juni 2008 22:59
andrea schrieb:
-------------------------------------------------------
> Wanda, ein Name aus dem Polnischen, wie mir
> Wikipedia soeben verriet, bedeutet "vom Stamm der
> Wandalen" und *seufz* ist auch noch ausgerechnet
> der Name von Germanys next Topmodel 2008. Aber das
> nur nebenbei.

Dachte die heißt Jenny.

Die erste Wanda begegnete mir in meiner frühesten Jugend und es war ein Fisch.

winking smiley

Markus
Re: Wanda
11. Juni 2008 06:25
Wandaforelle ?

grinning smiley
Re: Wanda
11. Juni 2008 06:39
Im inoffiziellen zweiten Teil des Films rutscht ihm auch ein "Wanda" raus, obwohl sie da "Willa" heißt. winking smiley
Re: Wanda
11. Juni 2008 11:13
Auf dem Karl-May-Symposium in Berlin - ja, es lohnt sich in der Tat auch solche Veranstaltungen mal zu besuchen, statt immer nur über den Unsinn solcher Treffen zu lamentieren - war ein in meinen Augen (und hauptsächlich Ohren) sehr interessanter Vergleich zwischen den "Wandas" Mays und Sacher-Masoch's.
Leider finde ich meine Unterlagen zur Zeit nicht, sonst könnte ich noch ein wenig mehr dazu beitragen.

Helmut
Re: Wanda
11. Juni 2008 12:21
Liebe Andrea,
dass Dich die Lektüre so "enttäuscht" hat, liegt wahrscheinlich auch einfach daran, dass "Wanda" i.w. das erste längere Werk Mays war (vorher gabs vermutlich nur die noch kürzere "Rose von Ernstthal"). Novelle hat er es wohl auch nur deshalb genannt, weil er sich an "Roman" noch nicht getraut hat. Das Werk zeigt aber eben schon - trotz mancher Schwächen eines Früh/Erstlingswerks - schon sehr viel von dem, mit dem May dann später seine Meisterschaft begründete.
Um da nur 2 aufzuzählen, kommt da zuerst die Schilderung der auftretenden Figuren. So ist ja (wenn man genau hinschaut und liest) insbesondere die Titelfigur schon sehr "vielschichtig" angelegt. Und zum zweiten, sind die die Literaturgattungen - auch einer der Mayschen Besonderheiten - großartig "vermischt", in diesem Fall Abenteuer-, Dorf- und Kriminalgeschichte.
Aber, nochmal gesagt, "Wanda" ist eben eines der ersten - wenn nicht das erste - Werk, an dem May seine Schriftstellerkünste zeigte.

Helmut
P.S.: Dies ist mir - meine ich - besser als Rezension gelungen - als das was ich vor 4 Monaten direkt nach der Lektüre, geschrieben habe.
Re: Wanda
11. Juni 2008 17:04
Ja, war mir bekannt, dass es das erste längere Werk war. Ich habe auch mehr darüber schmunzeln müssen, als ehrlich enttäuscht zu sein. So wirklich habe ich ja auch nichts anderes erwartet, es hätte mich auch sehr gewundert.
Aber trotzdem entspricht die Wanda im Fortlauf der Geschichte nicht der Beschreibung, die May da losgelassen hat. Wenn man so wie May eine Frau beschreibt, dann muss da was anderes kommen. Sag ich jetzt einfach mal so. Sie ist zwar nicht eindimensional, aber es ist mir zuwenig, nicht Fisch, nicht Fleisch. smoking smiley
Die Fortsetzung des o.a. Textes:
Quote

Für sie gab es keine dehorsielle Unmöglichkeit. Sie ritt trotz eines Husarenleutnants, schoß mit den Jägerburschen um die Wette, betrat ganz unerwartet den Fechtboden und trieb mit dem Schläger in dem kleinen, weißen Fäustchen Jedmänniglich in die Enge, fuhr mit Vieren im sausenden Galopp über Haide und Stoppel, durch Dick und Dünn, erschien bei Tagesgrauen, wenn die ehrbaren Spießbürger sich noch in den Federn streckten, hochgeschürzt auf dem Turnplatze der Feuerwehr, um an Reck, Barren, Bock und Kletterstange ihre Meisterschaft zu bewähren, tanzte, sang und deklamirte prächtig, spielte das Piano mit ungewöhnlicher Fertigkeit, schien in jeder Sprache, in jeder Kunst und Wissenschaft zu Hause und wußte auch in die steifsten Zirkel Leben und Bewegung zu bringen. Trotz dieser scheinbar unweiblichen Vielseitigkeit und Selbstständigkeit war jedem ihrer Worte, jeder ihrer Thaten, ihrem ganzen Wesen und Leben eine so bezaubernde Anmuth, eine so mädchenhafte Reinheit, ein so imponirender Adel aufgeprägt, daß es außer der Stiefmutter Niemanden gab, der auch nur die leiseste Spur eines Anstoßes zu entdecken gewußt hätte, und wie sie von der Männerwelt vergöttert wurde, so stand sie bei den Frauen in der unbeschränktesten Achtung und Ehrerbietung. Wo die Armuth ihre düsteren Schatten über ein Familienleben warf, wo die Krankheit drohend an die Thüren klopfte, wo irgend ein Leid den fröhlichen Schlag eines Menschenherzens hemmte, da erschien sie gewiß, um Rath, Trost und Hilfe zu bringen, und es war deshalb kein Wunder, wenn sie nicht blos von ihren Schutz- und Pflegebefohlenen, sondern auch von Anderen, die von ihrem stillen, liebevollen Walten Kenntniß nahmen, wie ein Engel verehrt wurde.
- Da darf man doch einiges erwarten?! Heutzutage wäre das eine Powerfrau.

Und als Krönung am Schluss sagt Wanda:
Quote

Ich werde nie, nie wieder sein, wie ich gewesen bin, sondern fein gehorsam und demütig
- Der Traum eines jeden Mannes, der Widerspenstigen Zähmung grinning smiley Wie sagte mein Herr, als ich ihm dies vorgelesen habe: "Tja, nimm Dir mal ein Beispiel daran!" (abgelehnt)

Ansonsten war die Geschichte ja nicht schlecht, das habe ich damit ja auch nicht sagen wollen. Ein Genre-Mix mit einigen nett gezeichneten Figuren.

May hat schon so früh schon ein Faible für gepfählte Bösewichter. Wie kommt man eigentlich auf so eine Idee? Der Professor hätte ja sich das Genick brechen können, aber nein, er spießt sich auf. Sehr dramatisch.

Nachdem ich Unwissende mich schnell bezüglich Sacher-Masoch gewikit habe, würde mich der Vergleich tatsächlich interessieren. Vielleicht findest Du Deine Unterlagen ja wieder, so nach dem Aufräumen.winking smiley

andrea
Re: Wanda
11. Juni 2008 18:41
Ich habe mir heute über mehrere Stunden die Mühe gemacht, Deine gestrigen Thesen, über die ich mich heftig geärgert hatte, zu widerlegen - und am Ende mußte ich feststellen, Du hast nicht ganz Unrecht, um nicht zu sagen, halbwegs Recht, jedenfalls mehr, als mir lieb sein kann ...

(knirscht innerlich mit den Zähnen, trollt sich ...)

(außerdem war es bestimmt der Redakteur. So.)

*

(Aber daß Du zum gefühlten dreihundertsiebenundachtzigsten Mal "mein Herr" schreibst, darüber würde ich denn doch mal nachdenken ...)

grinning smiley
Re: Wanda
11. Juni 2008 19:14
Bei der Sacher-Masoch'schen Wanda handelt es sich um die Hauptfigur der Novelle (sic!) "Venus im Pelz" (der "Urszene des Masochismus").
Ich will nur den letzten Absatz der Zusammenfassung zitieren (der Vortag war von Dr. Andreas Degen):
Quote

Mays wie Sacher-Masochs Wanda wird trotz ihrer vorgeblichen Stärke letztlich nur als Erfüllung männlicher Erwartungen gezeigt. Als "gezähmte Wilde" entspricht sie dem Frauenbild der Kaiserzeit, beide Texte feiern eine finale Erfüllung in der bürgerlichen Ehe.


Helmut
Re: Wanda
11. Juni 2008 22:32
Rüdiger schrieb:
-------------------------------------------------------
> Wandaforelle ?
>
> grinning smiley

Ne, "Ein Fisch Namens Wanda".

Gab da noch eine Wanda Jackson, Rockröhre der 50er Jahre "Let´s have a party".

Markus
Re: Wanda
12. Juni 2008 11:06
@ Rüdiger

solltest gerade Du die Schwingungen bei "mein Herr" nicht spüren? winking smiley

*

sie schreibt ja gerade nicht "mein Herr", also keine Anführungsstriche, so unsensibel sind wir Frauen ja nicht grinning smiley
Re: Wanda
12. Juni 2008 11:09
Ich beantworte Dir das privat, sonst ist hier "der Käs' warm"

grinning smiley
Re: Wanda
14. Juni 2008 09:45
@ Helmut: Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen. Danke.

@ Rehkitz: Du differenzierst wenigstens. (hupf)

@ Rüdiger: Sooo viel Arbeit wollte ich Dir eigentlich gar nicht machen. (Das bezog sich noch gar nicht auf deine Ausführungen, die ich eben noch nicht gelesen hatte, sondern war nur allgemein gemeint)

--- Nachdem ich dieses Forum gelesen habe, bin ich zum nächsten Forum gewechselt - und da erst finde ich den Haufen Arbeit, den sich Rüdiger gemacht hat.

"Von Powerfrau zum Heimchen" - das traurige Schicksal der Wanda v.C.

*lacht sich eins und geht jetzt wieder Kriech und Frieden lesen...*

andrea



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 14.06.08 09:56.
Re: Wanda
14. Juni 2008 09:56
Quote

Du differenzierst wenigstens.

Der war gut, gefiel mir (aber paß' auf, sonst veröffentliche ich die PN an Rehkitz doch noch ...)

winking smiley

Ich versuch's dann auch noch mal mit dem Differenzieren, man soll ja die Hoffnung nie aufgeben:

(zitiert seine Internetseite) :

Am Ende erleben wir eine wundersame Wandlung:

[...]

Das ist nun freilich ein starkes Stück. Und wert, aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet zu werden.

Zum einen als kompromisslose Entscheidung für eine Person mit allen Konsequenzen in Ordnung und letzten Endes so ungewöhnlich nicht, nur von einer Frau, wie sie vorher beschrieben wurde, nicht gerade zu erwarten.

Zum anderen ist diese extreme und zu vorher gezeigtem Wesen nicht recht passende Reaktion möglicherweise ein redaktioneller Eingriff nach damaligem Zeitgeschmack.

Oder May selber hat hier seine Figur in vorauseilendem Gehorsam Verleger- und / oder Publikumswünsche bedienend, sozusagen verraten, hat sie nicht konsequent bis zum Schluß durchgehalten, sich bzw. sie verbiegen lassen.

Oder aber: er wollte die Extreme bewusst zeigen. Daß möglich ist, dass jemand, der so stark und eigenständig erscheint, sich dieser Selbstbestimmtheit freiwillig begiebt.

All dies ist möglich. Oder eine beliebige Mischung aus alledem.

[...]

Die Fassung in Band 72 der GW „Schacht und Hütte“ ist bearbeitet, worauf im Vorwort ausdrücklich hingewiesen wird, man betrachtete die Erzählung in ihrer ursprünglichen Form als sozusagen nicht genießbar. (Wer sich an der Widerspenstigen wirklich krassen Zähmung am Ende des Originals allzusehr stört, wird hier vielleicht einigermaßen entschädigt, die ganze Angelegenheit erscheint etwas wohl gefälliger sein sollend abgemildert, wie so oft.)

Zitatende.

Zu der letzten Bemerkung noch ein anderes Zitat (ich hab' ja sonst nichts drauf außer Zitieren und Googeln, das wurde schon richtig erkannt) :

Intensiv leben kann man nur auf Kosten des Ichs. Der Bürger nun schätzt nichts höher als das Ich (ein nur rudimentär entwickeltes Ich allerdings). Auf Kosten der Intensität also erreicht er Erhaltung und Sicherheit, statt Gottbesessenheit erntet er Gewissensruhe, statt Lust Behagen, statt Freiheit Bequemlichkeit, statt tödlicher Glut eine angenehme Temperatur.

(das war jetzt nicht von mir, sondern von Hermann Hesse. Aber auch den muß man sich ja bekanntlich verbitten.)

winking smiley
Re: Wanda
14. Juni 2008 10:13
Dieser Thematik der Entscheidung für eine bestimmte Lebensform sozusagen wider besseres Wissen, aber aus freien Stücken, wie man sie am Ende der „Wanda“ sehen kann (nicht muß), begegnet man des öfteren, im Leben wie in der „Kunst“, z.B. auch am Ende von Ibsens „Frau vom Meer“ oder im Festwiese-Bild der „Meistersinger“. Man kann es aber auch auf

"Von Powerfrau zum Heimchen" - das traurige Schicksal der Wanda v.C.

reduzieren.

(Das ist keineswegs so sarkastisch gemeint wie es vielleicht klingt, nicht dass ich gleich wieder Ärger kriege, man muß ja hier aufpassen. Nein, man kann es so und so sehen, und an beiden Blickwinkeln ist etwas dran.)
Re: Wanda
14. Juni 2008 10:30
Nur eine Kleinigkeit zu dem "redaktionellen Eingriff" sei hier angefügt.
Die (verm.) Erstveröffentlichung von "Wanda" war im "Beobachter an der Elbe" und zwar zu der Zeit, in der May dort selbst Redakteur war.
Einerseits hätte er also den Schluss der Novelle "verpassen" können, denn er für richtig hielt. Andererseits musste er natürlich für den Verkauf der Zeitschrift sorgen, und durfte deshalb wohl die (vermuteten) Interessen und Wünsche der Leser nicht aus den Augen verlieren.

Helmut
Re: Wanda
14. Juni 2008 20:39
... und im übrigen wird unter den Literaturwissenschaftlern der KMG die These vertreten, dass es eine unveröffentlichte "Ur-Wanda" gab, auf die der Begriff "Novelle" tatsächlich zutraf. Das ganze soll dann in den bekannten Abdrucken um mehrere Kapitel erweitert worden sein. Wie beweist man sowas nur?
Re: Wanda
14. Juni 2008 20:58
Interessant sind zu alledem auch die Anmerkungen von Roland Scnmid in Band 72 GW "Schacht und Hütte", im Vorwort sowie in der Vorbemerkung zu "Wanda".



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 14.06.08 20:59.
Re: Wanda
12. Oktober 2008 22:07
Hallo!
Ich muss gestehen, dass ich an „Wanda“ nichts auszusetzen habe. Das ist schon der ganze Karl May! Na ja, vielleicht ein wenig zu wenig geschliffen.

Ich amüsiere mich immer wieder über die gedrechselten Phrasen, die KM einfallen, wenn er Leute gebüldet reden lässt, wie etwa hier:

Er ging mit Thomas in den Saal zurück und ließ die beiden Majestäten allein.
»Meine Königin hat den Wunsch des treuherzigsten Ihrer Unterthanen vernommen.«
Sie erröthete und erwiederte mit schalkhaftem Lächeln:
»Es ist Uns die Wissenschaft über die Wünsche der Unsrigen sehr angelegen.«
»Und diese Wissenschaft verfolgt den Zweck der Erfüllung dieser Wünsche?«
»Ohne Zweifel, sobald dieselben billig sind.«
»Dürfen wir Uns zu der verheißungsvollen Ansicht neigen, daß der vorhin vernommene Wunsch zu dieser glücklichen Kategorie gehöre?«
»Vielleicht. Nur dürfte die Ressortfrage eine unentschiedene bleiben.«
»Untersuchen Wir diesen Casus. Der Kuß als Dankzahlung gehört in das Ressort des Finanzministers, der Kuß als Opfer in dasjenige des Cultusministers, der Kuß als Aeußerung einer innerlichen Gesinnung in dasjenige des Ministers des Innern, der Kuß als Friedenszeichen in dasjenige des Kriegsministers und der Kuß als Buß- und Sühnezeichen in dasjenige des Justizministers.«
»Dann müßten Wir Uns in Erwägung des Geschehenen für den letzteren Fall entscheiden und mit Ergebung in die Strenge des Gesetzes die über Uns verhängte Strafe tragen.«
»Das klingt so widerstrebend, daß Wir Uns bewogen fühlen, diese Strenge durch ein nachsichtsvolles Arrangement zu mildern und auf dem Gnadenwege dem finsteren Verhängnisse zu begegnen.«
»Wir sagen Dank und fügen Uns in Euren hohen, gnadenreichen Willen.«

Ich schwanke bei der Bewertung solcher Sätze.
Hat KM ernsthaft gelaubt, so reden feine, gebüldete Leute? Dazu müsste man zeitgenössische Autoren lesen. Nun nicht just Fontane, Raabe, Th. Mann, obwohl man bei denen auch geschraubte Stellen finden kann. Aber wie wär’s mit Nathaly von Eschtruth, Courths-Mahler, Marlitt?

Erstere nenne ich eine Karla Mayin für Mädchen!

Oder hat KM solche Stellen als Parodie geschrieben?
Aber um dieser Stelle willen ist mir „Wanda“ einzigartig!

Als nach einiger Zeit Winter sich mit Wanda zurückzog, um einen Augenblick der Erholung zu finden, fragte die Polin:
»Sie singen auch?«
»Zuweilen ein Liedchen.«
»Welches Sie natürlich selbst dichten und componiren?'
»Nicht immer. Bei unserm Reichthume an werthvollen, tonkünstlerischen Werken hat ein Autodidakt, wie ich, keine Veranlassung, sich auf die anspruchslosen Kinder seiner Mußestunden zu beschränken.«
»Bei diesem fremden Worte fühle ich immer ein verwandtschaftliches Mitgefühl für jene reichbegabten Naturen, welche, an kleinliche Verhältnisse gebannt, in ihnen keine Befriedigung finden können, oder gar zu Grunde gehen müssen, weil sie für Größeres angelegt sind.«
Er blickte sie überrascht an. Kannte sie sich wirklich so genau, daß die Selbsterkenntniß ihr diese Worte diktirte? Er entgegnete mit leisem Kopfschütteln:
»Zu Grunde gehen? Sollte eine großangelegte Natur nicht die Kraft besitzen, auch das Kleine zu überwinden?«
»Das Kleine, ja, aber nicht das Kleinliche. Ich kenne leider diesen Unterschied.«
»Das Kleine ist zu achten; denn es ist ein Theil des Großen und Ganzen, und man darf es deshalb, wenn es Einem feindlich entgegentritt, ohne Schädigung des Selbstgefühles immerhin bekämpfen. Das Kleinliche aber ist einfach verächtlich und kann weder die Seelenstimmung noch die Entschließungen eines ausgebildeten Characters beeinflussen!«
»Eines ausgebildeten Characters, - ja, Das ist es,« setzte sie hinzu. »Das Kleinliche besitzt im Leben ja nur deshalb so viel Macht, weil es an wirklich ausgeprägten Characteren mangelt. Und wer trägt die Schuld an diesem Mangel? Wie viel wird hier gefehlt und gesündigt, wie manches Lebensglück zertrümmert, weil der Grundstein zu demselben auf sandige oder verwitterte Unterlage zu liegen kam!«
»Und doch liegt es meist in unsrer eignen Hand, den wankenden Bau mit starkem, vorurtheilsfreiem Willen niederzureißen, um ihn dann auf festerem Boden schöner und haltbarer wieder aufzurichten.«
Jetzt war an ihr die Reihe, ihn mit einem forschenden Blicke anzusehen. Traute er ihr diesen Willen nicht zu?
»Wer doch die freie, ungebundene Kraft dazu besäße!« hauchte sie.
»Wenn nicht, so leiht man sich die nöthige Kraft. Auch ich habe niedergerissen und arbeite noch heute an dem Wiederaufbau des Zertrümmerten.«
»Allein?«
»Allein.«
»Dann beneide ich Sie um Ihren Muth.«
»O, ich habe noch davon übrig, Kraft und auch Muth,« erwiederte er, während sein Auge in heller Genugthuung aufleuchtete.
Sie fühlte, daß weder Stolz noch Selbstüberhebung aus diesen Worten sprach, und legte unwillkürlich die Hand auf das Herz, in welchem noch nie empfundene Neigungen sich geltend machen wollten.

Das ist Karl Mays Programm und Lebensplan, nachdem er die Haftjahre hinter sich gebracht hat. Am 2. Mai 1874 wurde KM aus der Haft entlassen. Im März 1875 beginnt der Abdruck von „Wanda“ im „Beobachter an der Elbe“.

Und diesen Plan hat er verwirklicht! Dass er es dabei auch wieder übertrieb und dadurch in scheußlichste Lagen kam, hat ihn auch nicht zerstört. Und neben den Prozessen und den Pressehetzen hat er dann noch sein Alterswerk hingestellt.

Also nicht gegen Wanda!

Gruß Fritz
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