rodger schrieb:
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> Ich fasse das, worum es mir ging, gerne noch
> einmal zusammen, vielleicht versteht?s ja doch
> noch einer.
>
> 1.) Egal, wie groß ein Tier ist, töten ist töten.
> Nur die menschliche Wahrnehmung ist eine andere.
> Je kleiner das Tier, desto harmloser kommt ihm die
> Angelegenheit vor. Aber das ist eine simple
> Täuschung.
>
> 2.) Fressen und gefressen werden, Töten, das ist
> der Schöpfung immanent. Daher ist das Schlachten
> von Hühnern und das Jagen von Elefanten zu
> akzeptieren. Wer hier moralisierende Unterschiede
> macht, belügt sich selbst.
>
> 3.) Was den einen und den anderen abstößt, ist
> individuell verschieden. Ich finde es traurig,
> wenn Tiere getötet werden, aber den entsprechenden
> Anblick kann ich besser ertragen als den
> taubenjagender Kinder. Letzterer widert mich
> maßlos an, und ich kann mir kaum unsympathischeres
> vorstellen.
Nein, tut mir leid, Rüdiger, ich verstehe das auch anders (wenn auch wieder ganz anders als die meisten anderen Diskutanten) Wenn du hier die Tötung einer Fliege oder Nacktschnecke oder von mir aus gar noch eines Bakterium oder einer Pflanze auf eine Stufe mit der Tötung eines Wirbeltiers stellst, dann scheint mir das doch eher in die Abteilung ?Trickserei, Weggucken, schöner Schein und Illusionen? zu gehören. Man kann "Tötung" natürlich so allumfassend definieren, daß sie auch das alltägliche Absterben der körpereigenen Zellen umfaßt, bei einer solchen Sichtweise, gerät dann selbst das Schleifen eines Diamantens zur Tötung, obwohl der Stein nicht mal ein Lebewesen ist.
Mit dieser Argumentation könnte man gar noch folgern, daß das Vorhandensein sowie die Größe und Komplexität eines Gehirnes nichts mit dem Ausmaß der Empfindung und der Bewußtseinsstufe eines Lebewesens zu tun hat, und insofern auch jede - ja nicht einmal bewußt wahrgenommene - Tötung einer Ameise unter dem Tritt eines Schuhes mit der Abschlachtung eines Schweines gleichstellt, nur mit der Realität hat das dann nichts mehr zu tun.
Ich sehe das natürlich differenzierter. Die Frage nach der Moral beim Töten geht selbstverständlich darum, ob das Lebewesen, das da getötet wird, ein Eigenempfinden besitzt, was ihm ermöglicht Gefühle wie Schmerz, Freude usw. zu empfinden, oder nicht. Die moralische Frage ist nun lediglich die, ob man daraus für sich persönlich eine Konsequenz zieht oder nicht. Der Hinweis darauf, das Tötung immer gleich Tötung ist, ist da nur eine Scheuklappe.
Wer das anders sieht, und meint, daß die Qualität des Gehirnes kein Kriterium ist, dem empfehle ich als Eigenversuch die Entfernung seiner Großhirnrinde, wenn er mir dann anschließend versichern kann, daß da kein Unterschied zum geistigen Zustand vor dem Eingriff ist, laß ich mich vom Gegenteil überzeugen. Ich fürchte aber, daß derjenige, obgleich er dann auch noch in der Lage sein wird, Gefühle zu empfinden, zum Beschreiben derselben aber nicht mehr in der Lage sein dürfte. Es ist halt so, ?Menschen in der Regel zu oberflächlich, zu undifferenziert, und zu wenig bereit, wirklich bewußt zu sein und die Dinge so wahrzunehmen, wie sie wirklich sind?
Schöpfungsimanent ist nichts auf Dauer. Der Größte Teil der Schöpfung ist und war unbelebt, der größte Teil der irdischen Lebensgeschichte war in der Tat von Fressen und Gefressen werden bestimmt, nur zu behaupten das "Töten" selbst in dieser begrenzten Schöpfungsgeschichte immanent wäre ist genauso unsinnig, wie etwa zu behaupten, daß alle Lebewesen nackt herumlaufen müssen, was Menschen ja nun auch nur eher selten tun. Die Selbstreflexion, das Bewußtsein erlaubt es dem Menschen schließlich, sich nicht nur von Instinkten und Genen bestimmen zu lassen, ja sich notfalls selbst sozialpsychologischen Gruppendruck entziehen zu können. In unseren Breiten empfinde ich als "Moral"-Vegetarier jedenfalls nur eine ehrliche Aussage wie "Ich esse gerne Fleisch, weil es mir verdammt gut schmeckt und irgendwelche moralisch-ethische Bedenken interessieren mich dabei einen feuchten Kehricht!? als akzeptabel. Begründungen nach dem Motto "Das war schon immer so und wird auch immer so sein" sehe ich da eher als Herumgeeiere.
Thomas
René Magritte ? Das Vergnügen (1927)
PS: Wenn Kinder Tauben jagen, dann doch wohl eher, weil die immer so schön davon flattern und aufgrund ihrer Gewöhnung an den Menschen meist höchstens ein paar Meter weiter wieder landen, so daß das Spiel wieder von vorne beginnen kann ... bis die Taube genug hat und schließlich richtig davonfliegt. Wenn sich eine Taube hingegen sofort fangen ließe oder sogleich in großer Entfernung landen würde, wäre der ganze Spaß am Spiel ja ruckzuck vorbe., Ums Quälen oder gar Töten-Wollen gehts da überhaupt nicht. Genauso rennen Kinder auch hinter ihrem Hund her, denn wollen sie ja auch nicht in die Bratpfanne stopfen. Das schließt natürlich nicht aus, daß es unter Kindern nicht auch solche Exemplare gibt, die beim ?Taubenjagen? perverse Aggressionen bis hin zu Tötungsgelüsten entwickeln, und denen man dieses als Beobachter auch angewidert ansieht.