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Leserunde: Winnetou I

geschrieben von Rüdiger 
Re: Leserunde: Winnetou I
11. Mai 2005 06:41

Ich denke, es gefiel ihm wirklich. Und den Lesern auch.

Diese Vorfreude auf das dumme Gesicht, wenn der andere endlich merkt, wen er vor sich hat... Dochdoch.. gerade als Kind hat mich das sehr erheitert, während mir jetzt wiederkehrende Motive doch arg auf den Keks gehen.

Ähnlich hat es man es übrigens auch in den Sherlock-Holmes-Geschichten. Holmes liebt nichts so sehr, wie neue putzige Verkleidungen an seinem Freund Watson auszuprobieren. Und während der Leser nach einigen Geschichten prinzipiell jeder Marktfrau und jedem dicken Priester misstraut, fällt Watson doch jedes Mal wieder darauf herein. :-)

ta
Re: Leserunde: Winnetou I
11. Mai 2005 08:27
Ich bin jetzt mit dem ersten Kapitel durch.

Die Passagen in den Städten, also nicht im eigentlichen, ?wilden? Westen, fand ich immer die reizvolleren in Mays Amerika-Büchern (denen ich die Orient-Bände übrigens vorziehe), und dieses Kapitel ist ja ein besonders gelungenes, die Stelle mit dem Marmelade naschenden kleinen Mädchen, das traurig darüber ist, dass es eine Farewell-Party geben wird, hat mich richtig berührt heute morgen.

Bei Sam Hawkens sehe ich immer Ralf Wolter (in Kostüm und Maske natürlich) vor mir. Das geht mir bei anderen Figuren überhaupt nicht so. Winnetou z.B. stelle ich mir irgendwie viel edler, ernster und interessanter vor als diesen leeren Schönling, den sie alle so lieben. Old Shatterhand sah für mich lange Zeit so aus wie das kleine gezeichnete Karl May ?Porträt vorne in den Ueberreuther-Taschenbüchern, mittlerweile stelle ich mir bei ihm niemand konkretes mehr vor und erlebe die Handlung mehr aus seinem Blickwinkel, gleichsam so als wenn in einem Film die Handlung aus der Perspektive der Hauptfigur gezeigt wird und diese sozusagen die Kamera führt. - Daß Karl May gar nicht so kraftstrotzend-gesund aussah wie die besagte Zeichnung es suggerieren will, ist mir auch erst viel später klargeworden. Und dass Old Shatterhand zum Zeitpunkt der Winnetou I ? Handlung offenbar noch ein ganz junger Spund ist, ebenfalls.

Mit den Filmen und ihrer Hochglanz-Ästhetik kann ich herzlich wenig anfangen, ich muß immer an Blumensträuße in Plastikfolie denken, schön anzusehen, aber tot & steril (absurd, wie propper angezogen, frisch gewaschen und frisiert die Helden immer sind), aber Ralf Wolters Darstellung überzeugt mich. Doch, das passt. Auch beim Hadschi. - Und der Hohenstein-Ernstthaler Sam Hawkens letztes Jahr hat mir auch gefallen.

Let?s go west !
Re: Leserunde: Winnetou I
12. Mai 2005 10:36
Hallo zusammen!

<<absurd, wie propper angezogen, frisch gewaschen und frisiert die Helden immer sind<<
Naja, das kommt aber selbst bei May des öfteren schon mal vor, dass Old Shatterhand schief von der Seite angeguckt wird, weil er sauber angezogen ist und seine Waffen glänzen ;-)

Bin jetzt auch mit dem ersten Kapitel fertig. Ich muß sagen mir gefällt die Büffeljagd ja immer wieder ausnehmend gut. Das ist einfach grandios geschrieben, man hat hier das Gefühl als wäre man sozusagen ein dritter unsichtbarer Beobachter, der alles hautnah mitbekommt. Toll.

Was mir aber auch noch aufgefallen ist: Irgendwie ist die Geschichte mit dem Greenhorn das durch das Zutun eines alten Büchsenmachers als Landvermesser in den Wilden Westen geschickt wird doch schon sehr konstruiert. Nur um die Familie und den guten Mr. Henry nicht zu verärgern wird zugestimmt und die einzigste Sorge des guten Charley vor der Abreise ist seine Ausrüstung. Ob er mit Skalp oder gar lebendig wieder zurückkommt scheint die nebensächlichste Sache überhaupt zu sein. Naja...
Da frage ich micht wirklich wie mancher Leser zur damaligen Zeit glauben konnte, dass Karle diese Geschichten alle selber erlebt hat. Spätestens nach Lektüre dieser Szene hätte doch dem ein oder anderen evtl. mal auffallen müssen, dass das im Grunde doch nur Fiktion ist.

Sabine
Re: Leserunde: Winnetou I
12. Mai 2005 11:08
Hallo zusammen,

>>> Naja, das kommt aber selbst bei May des öfteren schon mal vor

das Gegenteil aber auch !

>>> Fiktion

geht mir nicht so, ging mir nie so. Bei Jim Knopf allerdings auch nicht. Da hab' ich mir was bewahrt ... (Man könnte es aber auch anders nennen, ich weiß. ;-))

Ich habe auch wieder ein bißchen weitergelesen, bis zum Auftritt des Mr. White (der den Gutmenschen schon im Namen trägt) und der Entstehung des Schmetterhand-Namens.

Da ich die aktuelle Bamberger Ausgabe neben der Haffmanschen liegen habe und stichprobenartig vergleichend hineingucke, ist mir aufgefallen, daß es doch noch so manche Veränderung gibt, so werden im Bamberger Band Dick Stone und Will Parker von der äußeren Erscheinung her beschrieben, im Original nicht, und gelegentlich gibt es unnötige und unverständliche Textänderungen, an einer Stelle heißt es etwa ?was mich aber wenig kümmerte? statt ?was mich aber nicht im mindesten kränken konnte?, das ist etwas anderes, vermittelt eine ganz andere Befindlichkeit und geht weit über Modernisieren bzw. Änderung veralteter Stilformen hinaus.

Re: Leserunde: Winnetou I
12. Mai 2005 11:36
Fiktion ist vielleicht auch das falsche Wort. Sagen wir lieber die bunten Raupen im Kopf.

Die eingebaute Beschreibung von Dick Stone und Will Parker finde ich ganz nett, so kann man sich die beiden wenigstens ein bißchen vorstellen, das Bild im Kopf lässt sich so einfacher "konstruieren".

Noch eine Frage in Bezug auf die Bearbeitungen: Sind das da jetzt nur noch ein paar Stellen oder zieht sich das dann doch von vorne durch? Anscheinend versteht man in Bamberg unter Rückbearbeitung dann halt doch was anderes, wer weiß? ;-)

Sabine
Re: Leserunde: Winnetou I
12. Mai 2005 11:48
Hallo Sabine,

da ich nur stichprobenartig hineingucke und jedesmal irgendwas finde, fürchte ich schon, daß sich diese kleinen Änderungen von vorne bis hinten durchziehen. Finde ich sehr schade.

Beste Grüße

Rüdiger
Re: Leserunde: Winnetou I
12. Mai 2005 14:19
zu Mr. White, dem Gutmenschen:

Nicht zu vergessen, Mr. Black, der neue Hauslehrer - hoffentlich ist DER Name aber kein Omen für die Qualität des Unterrichts für die kleine Emmy gewesen, wobei der Unterschied zwischen Emmy und Old Shatterhand übrigens dem von Emma und Karl May gleichen dürfte.

Dann kommt natürlich noch Mr. Bancroft - oder sollte man nicht gleich Mr. Bankrott sagen - sowie Mr. Rattler, die menschliche Ratte.

Die (nicht ganz von der Hand zu weisenden) Assoziationen von Arno Schmidt zu den Namen Dick Stone und Will Parker zu erraten, überlasse ich -lieber den geneigten Lesern, wobei May diese Namen natürlich schon fast zwei Jahrzehnte vor der Niederschrieft von 'Winnetou I' für die 'Old Firehand'-Urfassung erfand.

Karl May und die Figurennamen, ein manchmal ein weites, mitunter aber auch ein enges Feld.
Re: Leserunde: Winnetou I
12. Mai 2005 16:33
>>> Karl May und die Figurennamen, ein manchmal ein weites, mitunter aber auch ein enges Feld.

Formulierungen auch (nach all dem Arno Schmidt, den ich wohl doch mal wieder lesen sollte, vorher) !

("von Ängsten taumelnd ..." - Hölderlin, Oedipus)

(Verzeihung.)

Nochmal ganz seriös zum Thema Immer-noch-Bearbeitung: Ich bin wirklich unangenehm überrascht, in welchem Ausmaß auch die neueste Ausgabe aus Bamberg (immerhin taucht Hans Wollschläger, allerdings der von vor ca. 40-45 Jahren, im Impressum als Rückbearbeiter bzw. Revidierer auf) immer noch bearbeitet ist: daß Sam Hawkens eigentlich Falke heißt und aus Deutschland stammt, steht im Original nicht, dafür gibt es im Original einen sehr schönen kleinen literarischen Ausflug zu Schillers Ritter Toggenburg, der fehlt in der GW-Ausgabe (man hat in Altfranken wirklich manchmal ein Händchen dafür, die schönsten Sachen wegzulassen, offenbar weil man damit nichts anfangen kann oder dem Leser das nicht zutraut), und geht dem Ich-Erzähler das Brüllen des Büffels im Original noch "durch alle Glieder", so ist es im GW-Band nur "schauerlich".
Schauerlich finde ich auch diese Bearbeiterei, gerade da, wo sie nun wirklich völlig unnötig ist.

Die Büffeljagd habe ich jetzt auch hinter mir, morgen geht es weiter mit Mustang fangen.



Beitrag bearbeitet (12.05.05 19:21)
Re: Leserunde: Winnetou I
12. Mai 2005 21:37
Guten Abend,

leider bin ich die letzten beiden Tage nicht weitergekommen, aber jetzt gehts wieder ran.

Übrigens ist die Beschreibung von Stone und Parker (in der KMV Bearbeitung) aus dem "Ölprinz" (der im gleichen Jahr wie WI enstand), wie ich auf der Werke-CD gefunden habe, d.h. letztendlich stammt sie doch von Karl May.

*

Und ausserdem möchte ich noch darum gebeten haben (aus Respekt vor mir), die Begriffe "Altfranke(n)" und "altfränkisch" nicht als Schimpfworte zu gebrauchen ;-)))

*

Viel Erfolg beim Mustangfangen, lieber Rüdiger, und fange den richtigen.


Helmut
Re: Leserunde: Winnetou I
12. Mai 2005 22:35
Hallo zur späten Stunde,

>>> Übrigens ist die Beschreibung von Stone und Parker [...] aus dem "Ölprinz" [...] d.h. letztendlich stammt sie doch von Karl May.

Den Eindruck habe ich manchmal auch bei anderen unvermittelt auftauchenden Einschüben, so bei der "Westmannslos"-Passage in "Winnetous Erben". Vielleicht aus einem Flunker-Brief ?

>>> die Begriffe "Altfranke(n)" und "altfränkisch" nicht als Schimpfworte zu gebrauchen ;-)))

Mach' ich doch gar nicht. Wo ich mich doch selber schon als Träger des einen oder anderen "altfränkischen Zugs" ertappt gefühlt habe.

>>> und fange den richtigen

Ein Maultier (ich weiß gar nicht was das ist) wurde gefangen. Und der Grizzly ist auch schon tot. Morgen werde ich dann wohl dem Vorläufer von Der-mit-dem-Wolf-tanzt begegnen.

Gute Nacht.

Re: Leserunde: Winnetou I
13. Mai 2005 07:52
Guten morgen!

Ich bin gerade noch beim Maultier zureiten. ;-)

<<Ein Maultier (ich weiß gar nicht was das ist)<<
Um Dich mal aufzuklären Rüdiger: ein Maultier ist eine Kreuzung zwischen Pferd und Esel, wobei das Pferd mütterlicherseits daran beteiligt ist.

Der arme Sam kommt in der Passage mit den Mustangs wirklich ziemlich schlecht weg. Was der da alles für "Bockmist" baut. Irgendwie tat mir der arme Kerl beim Lesen richtig leid! (Ist wahrscheinlich typisch Frau, immer auf der Seite des Schwächeren ;-))

<<Schauerlich finde ich auch diese Bearbeiterei, gerade da, wo sie nun wirklich völlig unnötig ist.<<
Dem kann ich nur zustimmen. Ob es im Satz nun heißt: Dabei fragte ich ihn... oder ob man den unbedingt umstellen muß zu:....fragte ich ihn dabei.
Solche Erbsenzählerei finde ich sowas von blödsinnig!

Sabine



Beitrag bearbeitet (13.05.05 09:32)

Sabine

Re: Leserunde: Winnetou I
13. Mai 2005 08:22
>>> (Ist wahrscheinlich typisch Frau, immer auf der Seite des Schwächeren ;-))

Nö, das ist eher Wesenssache und individuell völlig verschieden. Wie viele Frauen stehen auf Machos, und wieviele Hunderttausende fuhren seinerzeit auf Adolf H., seine Leute und deren seltsames Herrenmenschentum ab. (Die entsprechenden Bilder sehen übrigens oft genauso aus wie später bei den Beatles, die emotionalen Ausnahmezustände lassen sich halt mal so, mal anders hervorrufen, sie sind da, latent, immanent, nur die auslösenden Objekte ändern sich).

*

Klekih-Petra tritt plötzlich hinter einem Baum hervor wie das Glasmännlein bei Wilhelm Hauff, gelegentlich wird ein märchenhafter Zug in Karl Mays Büchern doch deutlich. - Und beim Winnetou sah ich dann plötzlich entgegen kürzlich gemachter Angaben doch Herrn B. vor mir, doch, man wird ganz schön manipuliert ...
Re: Leserunde: Winnetou I
13. Mai 2005 08:52
Hallo Rüdiger,

bei dem Gespräch OS Klekih-Petra würden mich interessieren, was da in der jetzigen Bamberger Ausgabe steht. Da gibts ja den Streit in der Sek.-literatur über Mays Stellung zur 48-er Revolution. In einem Aufsatz von Roxin steht beispielsweise, dass da der KMV durch "Bearbeitungen nachgeholfen" hat.

Helmut
Re: Leserunde: Winnetou I
13. Mai 2005 15:00
Hallo Helmut & allerseits,

ich habe mir mal die Mühe gemacht, die Klekih-petra-Erzählung Satz für Satz in Original und neuester GW-Ausgabe zu vergleichen. In dem Fall wurde nicht gestrichen und nicht hinzugeschrieben, jeder Satz hat ein Pendant, der Text stimmt inhaltlich überein. Jedoch: es steht kaum ein Satz so da wie im Original, es wurde durchgängig stilistisch überarbeitet und geglättet sowie des öfteren vereinfacht.

Ein paar Beispiele:

Orig.: Ich merkte sehr bald, daß er ein bedeutender Charakter war
GW: Ich merkte bald, daß er außergewöhnlich tief veranlagt war.

Orig.: Sie haben Gott, den Herrn, bei sich
GW: Sie haben Gott, den Herrn, in sich,

Orig.: Das Unkraut, welches ich mit vollen Händen ausstreute, ging fröhlich auf,
GW: Das Unkraut, das ich mit vollen Händen ausstreute, spross üppig auf.

Orig.: Das war der Keulenschlag, welcher mich, nicht äußerlich, sondern innerlich traf.
GW: Das war der Keulenschlag, der mich traf

Orig.: Dieser Jüngling ist groß angelegt
GW: Dieser Jüngling besitzt reiche Gaben

Das ist aus einer Textpassage von wenigen Seiten nur eine Auswahl.
Warum spricht man einem Schriftsteller dermaßen das Recht ab, die eigenen Worte zu verwenden ?

Diese Bearbeitungen stören mich wesentlich mehr als die der Kolportageromane, in letzterem Fall weiß man, das sind Bearbeitungen, und kann sie als Varianten oder Alternativen neben die Originale stellen. Hier aber kommt ein Buch sozusagen mit dem Anspruch daher, der erste Winnetou-Band von Karl May zu sein, wird auch gelegentlich als ?Originalfassung? beworben (z.B. Schildchen in Verkaufsvitrinen), enthält aber nicht Karl Mays Text.

Re: Leserunde: Winnetou I
13. Mai 2005 15:23
Die Westmanns-Los-Passage aus Winnetou IV ist ein Überbleibsel aus der Hammerdull/Holbers-Bearbeitung aus den 30er Jahren. Dort gibt es an dieser Stelle eine wesentlich umfassendere Rückblende, in der u.a. auch der gleichfalls noch überlebende Sam Hawkens zu Wort kommt (Habe ich übrigens irgendwann vor 2-3 Jahren mal im KM+Co-Forum zitiert). Wenn Otto Eicke aus einem Flunker-Brief abgeschrieben hätte, dann müßte dieser schon sehr laaaaaaaaaaaaaaaaaaang gewesen sein. Meineserachtens eher unwahrscheinlich.

Dennoch stützt sich die Westmannslos-Passage im Kern schon auf einen Brief Karl Mays. War es nicht einer Prinzessin von Bayern, der er schrieb, daß Firehand z.B. tot sei, und daß Buffolo Bill nur ein Westmann minderer Qualität gewesen sei. Leider kenne ich die Quelle jetzt nicht auswendig, aber irgendso etwas war es.

Beatles und Hitler, daß ist jenseits dessen, daß zu den Massenphänomene auch Massenhysterien unterschiedlichsten Ausmaß zählen meineserachtens dann doch schon ein seeeeeeeeeehr gewagter Vergleich. Zumal die Freunde des rassistischen Herrenmenschentum im Gegensatz zu Beatlesmania-Adepten schon immer einen seltsamen Hang zu ultrakurzem Haarlook pflegten (wohl als Zeichen der symbolischen Selbstkastrierung zum Ausdruck der bereitwilligen Unterwerfung unter die streng hierarischen Unterwerfungsstrukturen in solchen Gruppierungen, mit dem wahrscheinlich eher ungewollten Nebeneffekt, damit gleichsam auch die interlektuelle Fähigkeit eines Babys zu signalisieren - was wiederum den Mutterinstinkt mancher Frauen weckt). Dergleichen Mentalität zur freiwilligen Glatze wird ja gerade auch in den letzten Jahrzehnt in den einschlägigen Kreisen immer noch gepflegt, während die Zahl der mehr oder weniger stark kopfbehaarten Rechten doch eher im Promillebereich liegt.
Re: Leserunde: Winnetou I
13. Mai 2005 15:36
zu der Originalfassung

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum - und dies bezieht sich keineswegs nur auf Karl May - zu glauben , daß eine "Originalfassung" eine Version sei, die eine originale Textfassung im Sinne von "ursprünglich" enthält, "original" heißt hier vielmehr, daß die Fassung selber ein "Original" ist, d.h. nur in dieser Version exklusiv existiert. Der Begriff "Originalfassung" ist schon richtig, wird aber - durchaus im Sinne des Verlegers - vom Leser leider allzu oft falsch interpretiert.
Re: Leserunde: Winnetou I
13. Mai 2005 15:44
Ich habe nicht Beatles und Hitler verglichen, sondern Reaktionen mit Reaktionen. Schau Dir die Bilder an, du wirst sie kaum auseinanderhalten können.

Und ich bin der Meinung, daß die Masse beliebig manipulierbar ist und man in die Köpfe mal dieses, mal jenes hineintun kann, da hat sich nichts geändert und wird sich auch nichts ändern. Das habe ich mal vor ca. 20 Jahren intuitiv & schlagartig begriffen, auf der Promenade von Knokke-Heist, da saßen sie und tranken rotes, grünes und braunes Bier, mit einem überzeugten und selbstzufriedenen Gesichtsausdruck, sie sahen genauso aus wie Leute im Hofbräuhaus, die das Reinheitsgebot preisen und es mit der Muttermilch aufgesogen haben, daß Bier goldgelb ist.

Wenn du denkst du denkst dann denkst du nur du denkst

Re: Leserunde: Winnetou I
13. Mai 2005 15:58
Beliebig manipulierbar halte ich, sowohl was Masse wie Individuum angeht, für ziemlich übertrieben. Manchmal geht die Manipulation in die vom Manipulator gewollte Richtung ab, manchmal - besonders wenn die Manipulation nicht durch entsprechende Machtmechanismen flankiert wird - aber auch in eine völlig andere.

Ich kann in den Reaktionen auf Hitler - ungeachtet dessen, daß z.B. David Bowie ihn provokant den ersten Popstar nannte - und den Beatles nun wirklich nur begrenzte Ähnlichkeiten sehen. Das Menschenmassen einigen einzelnen Menschen quasi als wären es Götter hinterherlaufen, daß gibt es auch beim Papst im Rom. Das alleine bedeutet noch lange nicht, daß sich die Menschen als Masse faschistoid benehmen. Die Gleichschaltung von Gefühlen und Emotionen ist sicherlich gegeben, aber es kommt ja vorallem darauf an, welche Gefühle und Emotionen dies sind.
Re: Leserunde: Winnetou I
13. Mai 2005 16:16
>>> Das alleine bedeutet noch lange nicht, daß sich die Menschen als Masse faschistoid benehmen.

für mich schon. Wobei ich "faschistoid" durch "beliebig manipulierbar" ersetze. *

Vgl. z.B. Shakespeare, Julius Cäsar, Mark Anton -Rede. Erst hü, dann hott. Und das klappt.


* das ist dann meine Originalfassung, und damit kommen wir zum andern Thema.

>>> Es ist ein weit verbreiteter Irrtum (usw.) - ("Spalt' mir das Haar, aber mach' mich nicht schwach")

Bei anderen Autoren stellt sich das Problem nicht, da üblicherweise die Texte so in den Büchern stehen, wie sie geschrieben bzw. als Fassung letzter Hand vereinbart wurden.

Wenn der Begriff Originalfassung wirklich so zu definieren ist wie oben beschrieben, und das halte ich in unserer durch und durch ver-rückten Welt durchaus für möglich, dann kann man ja jede Version Originalfassung nennen, und hat dann vielleicht zwei Dutzend verschiedene.

"Nicht als Haselnuß gilt ..." (aus einer EU-Verordnung).

"Ist das schon Wahnsinn, hat es doch Methode" (Hamlet)

Re: Leserunde: Winnetou I
13. Mai 2005 17:15
Hallo Thomas!

"Ich kann in den Reaktionen auf Hitler - ungeachtet dessen, daß z.B. David Bowie ihn provokant den ersten Popstar nannte - und den Beatles nun wirklich nur begrenzte Ähnlichkeiten sehen."

Nun, der erste Popstar in Deutschland war eher Karl May. man betrachte sich mal die Fotos im Leseralbum, wo neben "seriösen" Fotos auch allerlei Kostümbilder zu sehen sind. Aber schon Goethe hatte einen gewissen populären Einfluß, soll doch nach der Veröffentlichung des "Werther" die Selbstmordrate bei jungen Männern ziemlich angestiegen sein. Und sowas alles ohne Massenauftritte, Konzerte, Lesungen - von TV und Film mal ganz abgesehen.

Grüße

Rolf

P.S.: Zu "Winnetou I" und speziell der Old-Shatterhand-Person schrieb mal jemand von einem "Entwicklungsroman ohne Entwicklung", weil das "Ich" eigentlich schon von Anfang an perfekt ist.

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