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"Am Marterpfahl"

geschrieben von Helmut 
Re: "Am Marterpfahl"
04. Mai 2005 12:39
Diese ganze Moraldiskussion im Zusammenhang mit den Münchmeyer-Romanen ist wahrscheinlich nur verständlich, wenn man die Gesetzesänderung von (ca.) 1897 in Hinsicht auf das, was sogenannte 'pornographische Literatur' sein soll, berücksichtigt. Dadurch wurden Bücher, die vorher als harmlos galten, plötzlich auf den Index gesetzt.

Bis dahin waren auch 'Waldröschen & Co' in ihrer Urgestalt nicht wirklich betroffen, daß die 'Fischer-Ausgabe' dann - und ohne Zutun von May oder Gerichtsurteilen - schon entschärft erschien, war deshalb ja auch nicht der Rücksichtnahme von Fischer gegenüber dem Ruf Mays zu danken, sondern eben dieser Gesetzesänderung. Man wird auch Mays Kampf darum, daß die pikanten Stellen als Eingriffe fremder Hand gewertet werden müssen, nicht ohne diesen Hintergrund wirklich verstehen können.

Auf den KMG-Seiten gibt es irgendwo einen ausführlichen Artikel zu der Thematik - möglicherweise in einem der Jahrbücher - aber ich habe momentan leider keine Zeit, diesen herauszusuchen und den Link anzugeben. Kann ich ja bei Bedarf nachholen.
Re: "Am Marterpfahl"
05. Mai 2005 10:24
Bin mittlerweile bis S. 65. ? Hätte er doch lieber noch eine Reiseerzählung geschrieben, statt buchfüllend schmutzige Wäsche zu waschen ! Immer sind die anderen an allem schuld, und er wurde, makellos wie immer, ?von der giftigen Säure ergriffen?.

Immerhin kommt er auf S. 56 / 57 mal mit Ironie und Augenzwinkern daher, sehr wohltuend und in dieser Schrift allerdings leider eher selten.

Ich denke, dass May sich zunächst in der Münchmeyerei recht wohl gefühlt haben wird, er passte zum Heinrich und dieser zu ihm, und es gibt durchaus schlimmeres als Kolportage zu schreiben und zu verlegen. Robert Kraft hat bewusst und gern bis zuletzt Kolportage geschrieben.

Wer selber soviel Dreck am Stecken hat, der sollte nicht so moralisieren. Das ist ein bisschen billig und wirkt peinlich, sich selber immer als das arme Opfer darzustellen und die bösen anderen als ach so verwerflich und an allem schuld.

Lieber Karl May, ich hätte nicht gedacht, mal so über Dich zu schreiben, aber meine Liebe zu Dir soll mir nicht die Augen vor der Wahrheit verschließen. Wäre Dein Mit-Dir-selbst-ins-Gericht-gehen und Deine Selbsterkenntnis echter und wahrer gewesen und mehr als oft aufgesetzte, ziemlich leere & theatralische Geste, hättest Du Dir und uns solche Rechtfertigungsversuche über hunderte von Seiten ersparen können.

Re: "Am Marterpfahl"
05. Mai 2005 16:01
Hallo Rüdiger,
es ist immer schwierig solche Texte zu beurteilen, die vielleicht gar nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren, und nur einem bestimmten Zweck verfolgten. Hier in diesem Fall handelt es sich darum, was sich May für seine "Prozess-Strategie" "ausgedacht" hat. Das das nur bedingt mit der "Wahrheit" zu tun hat, weiss man ja mittlerweile.
May hat ja das Schreiben von "Kolportage" auch grossartig beherrscht, nur hat das eben nicht mehr zu dem anderen neuen "Image" desjenigen gepasst, der für den "Hausschatz", "Guten Kameraden" und "Fehsenfeld" schrieb.
Ich finde übrigens, dass eigentlich im "Schundverlag" nur Pauline (und Emma) schlecht wegkommen, und die war ja auch die Prozessgegnerin. Der Heinrich und der Fritz sind ja eher einigermassen sympathisch geschildert. (May wusste eben doch noch was er dem Heinrich zu verdanken hatte, nämlich seine erste Festanstellung nach dem Zuchthaus.)

Helmut

Übrigens: deine vielen guten Rezensionen der KMV-Bearbeitungen haben jetzt dazu geführt, dass ich mir die mir noch fehlenden Bände der GW beim KMV bestellt habe ;-))))
Re: "Am Marterpfahl"
05. Mai 2005 22:44
Bis zur Seite 87 vorgedrungen, muß ich sagen, daß es stellenweise auch ein regelrecht lustiges Buch mit hohem Unterhaltungswert ist.

?Hunderte von Textzeichnungen illustrierten die Begattung und ihren Verlauf in jeder, sogar der unnatürlichsten Weise? (S. 68).

?Ich geniere mich nicht, hier ganz öffentlich zu sagen, dass mir ein weibliches Wesen, welches sich mit diesem Buch beschäftigt hätte, für immer ein Gräuel sein würde? (S. 69) (!)

Aber, aber. So ganz unerfahren und von diesem und jenem keine Ahnung haben wäre auch wieder nicht recht, gell ?

-

?Dafür kam die Kolportagefabrik in den Besitz eines Leibeigenen, der tanzen musste, wie die Pauline pfiff.? (S. 80)

Da muß man aufpassen, da hat er recht.

Und beim (heutzutage nicht mehr salonfähigen) ?Der Neger merkte bald, daß er kein Weisser war? (Signalisieren von ?Schuster bleib? bei Deinem Leisten? in Richtung Münchmeyer, S. 85) musste ich, es sei mir verziehen, ein wenig an Mays Fehleinschätzungen in Sachen Sascha Schneider ?Ausgabe, viele der ?Himmelsgedanken? und auch ?Babel und Bibel? denken ?
Re: "Am Marterpfahl"
06. Mai 2005 10:29
Das sind die Teile des Buches, die m.M. wie ein echter Kolportageroman klingen. Aber leider hat er das nicht durchgehalten. Danach geht's wieder mit der "Reinwäsche" der eigenen Person weiter.
Wenn er dann noch zum (+++) Lebius kommt ...
Der hat ihn offenbar so mitgenommen, dass er über den kein scherzhaftes Wort verlieren mag. Lebius kommt ja auch m.W. (im Gegensatz zu fast allen anderen Gegnern) nie verschlüsselt in einem der May'schen Alterswerke vor. Das wäre sicher auch der Ehre zu viel für diesen Kerl gewesen.
Was mich nur stört ist, wenn die gleiche Geschichte zum zehnten Mal in immer (fast) den gleichen Worten erzählt wird, das klingt dann für mich irgendwie "verdächtig".
Man sollte vielleicht diese Text nicht unbedingt alle direkt nacheinander lesen.

Was May zum "Venustempel" schreibt, ist wohl auch ziemlich "geschönt", er hat ja beim Versuch den verbotenen "Tempel" als Teil des "Buch der Liebe" wieder unter die "Leser" zu bringen kräftig mitgearbeitet, d.h. er hat die "unverfänglichen" Teile davon geschrieben. Und das er da nicht wusste um was es eigentlich ging, mag ich ihm kaum glauben.

Helmut

PS: ich bin mit dem "Schundverlag" durch, und jetzt beim zweiten Teil , der (im Gegensatz zu dem, was ich oben geschrieben habe) erst vier Jahre später entstanden ist.



Beitrag bearbeitet (06.05.05 11:31)
Re: "Am Marterpfahl"
06. Mai 2005 12:39
Hallo an alle Lese-Runden :-)))

Das tut mir nun leid, daß die Löschung zu Irritationen führte, wiewohl es aufgrund der Vorkommnisse in den unterschiedlichen Foren natürlich naheliegt, etwas derartiges zu vermuten.

Ich hatte gehofft, mein damaliger Beitrag sei noch gar nicht aufgefallen. Ich ließ ihn löschen, weil ich aus technischen Gründen meistens nicht in der Lage bin, aktiv an diesem Forum teilzunehmen, was ich sehr bedauerlich finde.

In keiner Weise hat die Löschung jedoch damit zu tun, daß ich mich hier von irgendjemandem "am Schlips gezupft fühle".
Leider bin ich aus den oben angedeuteten technischen Gründen hier zu einer weitgehend passiven Teilnahme "verdammt", was mich aber nicht davon abhalten kann, bei sich bietender Gelegenheit einen interessierten Blick hier hinein zu werfen.

In diesem Sinne wünsche ich der Leserunde auch in den kommenden Tagen (das Wetter bietet sich ja dafür an) auch weiterhin viel Spaß beim Austausch der jeweiligen Gedanken.

In diesem Sinne: Howgh und Inschallah, sowie ein herzliches Grüß Gott!

Ralf Großkurth
Re: "Am Marterpfahl"
06. Mai 2005 17:27
Hallo an alle!

@Ralf: na dann bin ich ja beruhigt, ich dachte schon! ;-)

Ich bin mittlerweile dann (immerhin ;-)) schon auf Seite 52 angekommen. Und ich kann auch nur sagen: da sind schon einige amüsante Stellen drin, auch schon in den Briefen am Anfang. Bei der Stelle mit dem "Bombardement mit unerlaubten Amerikanern" musste ich ja dann doch ganz schön schmunzeln.

Weiter hinten sagt Karl May dann, dass sein bisheriges Werk nur als Übung zu sehen ist. Seltsam finde ich dann nur, dass diese "Übungen" ihm dann soviel Geld und Ansehen eingebracht haben, das eigentliche Werk danach dann aber eher Kopfschütteln bzw. eine Abwanderung der geneigten Leserschaft zur Folge hatte. Anscheinend haben die Leser den Autor nicht richtig verstanden, oder wollten sie es vielleicht auch gar nicht??

In Kapitel 5 merkt er dann an, dass die Redakteurstätigkeit für den "Beobachter" nur einen Tag pro Woche in Anspruch nehmen würde. Kann ich ja nicht so ganz glauben, da kommt meiner Meinung nach dann der Karl May zum Vorschein, der die großspurigen Worte liebt und auch gerne schon mal (ein wenig) übertreibt ;-)
Auch wird hier der "Beobachter" als "Schundblatt" hingestellt. Was hat dann wohl die Stiftung dazu bewogen, gerade dieses "Schundblatt" wieder neu aufleben zu lassen? Der gute Charley würde sich doch dann wahrscheinlich gemäß diesen Äußerungen eher nicht unbedingt damit einverstanden erklären, oder?? Diese doch etwas ketzerische Frage sein mir in diesem Zusammenhang dann doch mal erlaubt ;-)

Sabine



Sabine

Re: "Am Marterpfahl"
06. Mai 2005 18:19
Hallo zusammen,

auch ich bin jetzt mit dem "Schundverlag" durch. Zwei Dinge sind mir noch aufgefallen:

Mehrmals erwähnt May, Adalbert Fischer habe ihm damit gedroht, an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, daß es Vorwürfe in Sachen "Unzucht mit Minderjährigen" gegen ihn gäbe. Und Fischer gegenüber verhielt sich May, so hat man nach den Schilderungen den Eindruck, erstaunlich nachgiebig und zu allerlei Konzessionen bereit. Hm. Was soll man davon halten ?

Im letzten Kapitel gelangt May plötzlich zu einer Weisheit bzw. einer Vogelperspektive, derer es ihm vorher in der ganzen Schrift heftig mangelte. Das Schlußkapitel bewegt sich nach der kleinkarierten Aufrechnerei vorher in erstaunlich anderen Gefilden.

Noch zwei Anmerkungen zu Sabines Beitrag:

>>> Seltsam finde ich dann nur, dass diese "Übungen" ihm dann soviel Geld und Ansehen eingebracht haben, das eigentliche Werk danach dann aber eher Kopfschütteln bzw. eine Abwanderung der geneigten Leserschaft zur Folge hatte.

Das ist doch nicht anders zu erwarten. Geld verdienen kann man mit Emma Brombeck oder Konsalik, nicht mit Hölderlin oder Rimbaud.

>>> Auch wird hier der "Beobachter" als "Schundblatt" hingestellt. Was hat dann wohl die Stiftung dazu bewogen, gerade dieses "Schundblatt" wieder neu aufleben zu lassen?

Das ist mir allerdings auch aufgefallen. Vielleicht hat man diesen Aspekt vor lauter Liebe & Nostalgie übersehen. Aber mir gefällt das Heft (mit Abstrichen).

Re: "Am Marterpfahl"
06. Mai 2005 19:18
Hallo zusammen!

Die kleine Abschweifung erlaube ich mir aus gegebenem Anlass. Sabine fragte:

:: Was hat dann wohl die Stiftung dazu bewogen, gerade dieses "Schundblatt" wieder neu aufleben zu lassen? ::

Nicht nur, dass Karl May alles andere als begeistert wäre, dass ausgerechnet unter seinem Namen ein Münchmeyer-Produkt wieder zum Aufleben gebracht wird:
- In "Mein Leben und Streben" schrieb May: "Was den »Beobachter an der Elbe« betrifft, dessen Redaktion ich übernommen hatte, so sah ich gleich mit dem ersten Blick, daß er verschwinden müsse."
- Der alte "Beobachter" ging nach zwei Jahrgängen ein - ein Omen, das sich wohl niemand zu eigen machen möchte, nehme ich mal an.
- Der Titel bringt doch recht seltsame Assoziationen (Il Osservatore Romano / Der Völkische Beobachter)
- Der Titel funktioniert nur in einer May-zentrischen Welt. Wer nicht weiß, dass Karl May einst Redakteur einer Zeitschrift mit diesem Titel war, was wird dem zu "Der Beobachter an der Elbe" einfallen? Nicht gerade ideale Voraussetzungen, um ein _neues_ Publikum zu gewinnen.

Ende der Abschweifung. Marsch, marsch zurück in medias res. ;-)
Herzlichst
Wolfgang Hermesmeier
Re: "Am Marterpfahl"
06. Mai 2005 20:40
[?... und die Liebe höret nimmer auf? (Herren H & H)
(die Verkneif-Zange lag gerade nicht bereit)]

Ich habe mir jetzt auch den zweiten Text, ?Ein Schundverlag und seine Helfershelfer? vorgenommen, gestehe aber freimütig ein, dass ich den wohl nur überfliegen werde, es ist wohl wieder der alte Sauerteig, neu vorgekaut.

?Es ist geradezu weltbekannt, dass in meinen ?Reiseerzählungen?, die jetzt 30 Bände füllen, niemals eine ?Liebesszene? vorkommt. Ich bin sogar stolz darauf, bewiesen zu haben, dass ein Schriftsteller, der auf derartige Unreinheiten ganz verzichtet, ebenso große oder gar noch größere Erfolge haben kann als einer, der sich in seinen Werken nicht stubenrein benimmt? (S. 214)

Nu? mach aber mal 'nen Punkt, Karle !

Daß Du auch ein kleines Ferkel warst, in mancherlei Hinsicht, haben wir doch längst gemerkt, nun tu mal nicht so bieder. Hättest Du hundert Jahre später gelebt, dann hättest Du in Deinen Büchern auch die Sau 'rausgelassen á la Henry Miller, Philip Roth oder P.J. Gutierrez, da verwett? ich meine Bargfelder. So musstest Du Dich halt wilhelminisch zurückhalten und Dich darauf beschränken, der geschickteste Reiter und der beste Schütze zu sein, und genüssliches Schildern von Unappetitlichkeiten hast Du auf merkwürdige Ess-Szenen oder Schilderungen von unreinlicher Kleidung und fehlender Hygiene reduziert, das alles allerdings oft und gern.

Und dass Du den Vorwurf bezüglich der kleinen Schulmädchen schon auf den ersten Seiten von ?Schundverlag & Helfershelfer? gleich wieder mehrmals erwähnst, fällt nun allmählich aber wirklich arg auf. Scheint Dir irgendwie zu gefallen, die Geschichte.

Re: "Am Marterpfahl"
06. Mai 2005 23:23
Hallo,
zum "Beobachter":
das war nun mal Mays erste Festanstellung nach der Zuchthauszeit, Redakteur beim "Beobachter an der Elbe", und damit die Chance aus dem Kreislauf des "wieder rückfällig werden" herauszukommen, und da hat er auch begonnen größere Geschichten zu veröffentlichen "Wanda" und "der Gitano". Und er hat auch nicht davor zurück gescheut in vielen anderen "Schundblättern" zu veröffentlichen.

Den Vorwurf "Missbrauch von Minderjährigen" hat ja insbesondere Lebius offenbar mehrfach versucht ins Spiel zu bringen, sowohl bei M. Dittrich, als auch später nochmals bei May (siehe "Die Zeugen Karl und Klara May"), wo er in beiden Fällen eine Nichte ins Spiel brachte.
Zu jenem Lebius habe ich (für mich) erstaunerlicherweise doch auch etwas (auch für mich) Positives (in seiner Biografie) gefunden, er sass nämlich von 39 bis 44 im KZ Oranienburg, und wen die Nazis ins KZ geschickt haben, kann m.M. nach nicht nur negativ gewesen sein.

Durch den "Schundverlag und seine Helfershelfer" habe ich mich auch nur durchgequält" und am Anfang von "An die 4. Strafkammer" kommt dasselbe schon wieder ...

Und noch eine Abschweifung (speziell für Rüdiger):
Ich war gerade im Theater und habe mir "Shakespeares sämtliche Werke - leicht gekürzt" in einer ca. 3 stündigen Aufführung angesehen; was glaubst Du, auf wieviel Seiten könnte man "Mays sämtliche Werke - leicht gekürzt" komprimieren?

Helmut
Re: "Am Marterpfahl"
07. Mai 2005 07:19
>>> wo er in beiden Fällen eine Nichte ins Spiel brachte.

"Angeklagter, haben Sie Unzucht mit Minderjährigen betrieben ?"
"Mit Nichten !"

(Tücken neuer Recht-Schreibung ...)

*

>>> auf wieviel Seiten könnte man "Mays sämtliche Werke - leicht gekürzt" komprimieren?

Sein "Abu Kital" geht ja schon in die Richtung ... (vgl. Rezension)

*

Die Logik mit den Nazis erschließt sich mir allerdings nicht so ganz. Dann müßten ja die, die sie "hochgehalten" haben, "nicht nur positiv gewesen" sein. - Liegt z.B. gegen Hölderlin etwas vor ? - Was ist schon "nur negativ" oder "nur positiv", was ist überhaupt "gut" oder "böse" ..

Re: "Am Marterpfahl"
07. Mai 2005 10:46
Hallo Rüdiger,
mich hat beim Lebius erstaunt, dass er mit seinem politischen Wechselspielen, vom Sozialdemokraten über versch. Zwischenstationen zum (mit Antisemitismus angehauchten) Nationaldemokraten, in der Nazizeit offenbar (im Gegensatz zu vielen anderen) standhaft geblieben ist, und dabei sehr viel riskiert hat, er sass dann ja auch aus politischen Gründen im KZ.
Dieses Verhalten widerspricht eben völlig dem Lebius-Bild, das sich für mich aus der "May-Affaire" darstellt.

Helmut

PS: Kennst Du "Shakespeares vollständige Werke - leicht gekürzt"? Mir hat die gestrige Vorstellung gut gefallen.
Re: "Am Marterpfahl"
07. Mai 2005 17:40
Hallo Helmut, hallo miteinander,

Tja, der Lebius ?
Wenn das so ist, wie Du schreibst, wundert es mich allerdings auch.

Habe heute die Kaptitel 7 - 9 über Lebius gelesen. Auch er war ein Spiegel für Karl May, wenn auch wohl ein in groteske Überzeichnung verzerrter. Auch Karl May diente mal diesem, mal jenem Herrn, mal mehr links, mal mehr rechts, katholisch oder auch nicht, Lebius trieb diese Haltung mit seinem ?Wer am meisten zahlt, der hat uns? auf die Spitze. Und an Rumtricksen und die Wahrheit verdrehen stand wohl der eine dem anderen in nichts nach. Auch dass Lebius vom Leipziger Tageblatt als ?geborener Verbrecher? bezeichnet wurde und die Frankfurter Zeitung ihn des Größenwahns bezichtigte (S. 245 oben), ist ja in der Parallelität verblüffend.

Die Lebiusschen Witze auf S. 266 / 67, über die Karl May sich so entrüstet, gefallen mir ausgesprochen gut. May selber wird auch seine klammheimliche Freude daran gehabt haben.

?Ich habe niemals Kolportageromane geschrieben? (S. 270 unten). Aber hallo.

?? und dass ich auch kein gescheitertes, schwächliches, kurzsichtiges Schulmeisterlein bin? (S. 273 unten). ? Aber warum denn nicht ? Ist doch in Ordnung, wo ist das Problem ?

*

Zu Deiner Shakespeare-Frage muß ich sagen, dass ich auch bei ihm eher mit den Originalfassungen vertraut bin. Allerdings kriegt man die im zeitgenössischen Theater kaum noch zu sehen, eher locker-flockige Events nach dem Motto ?Shakespeare flott serviert?.

Und damit sind wir schon wieder beim Buch. ?Ein Drama hat er ebenso verbrochen? heißt es auf S. 268 oben über Lebius. ?Auch in diesem spielt [?] der Abtritt die Hauptrolle?. Sehr modern, Elfriede Jelinek lässt grüßen. Auch hörte ich von einer, ich glaube es war ?Troubadour?, -Inszenierung, die meistenteils auf dem Klo spielt. Da merkt man dass man alt wird. Jedenfalls gefiel mir Theater vor dreißig Jahren noch wesentlich besser als heutzutage.

Beste Grüße

Rüdiger
Re: "Am Marterpfahl"
07. Mai 2005 23:05
Hallo,
zum Lebius doch noch ein Paar Sätze (aus der Einführung von Jürgen Wehnert zu "Die Zeugen Karl und Klara May):
"Als Gegner des Nazi-Regimes leitete er eine aus seiner republikanischen Partei hervorgegangens Oppositionsgruppe, die verdeckt Informationen über die politische und emotionale Lage Deutschlands sammelte. Diese Nachrichten gab Lebius an Korrespondenten der "Times" und der "New York Herold Tribune" weiter. Bei der postalischen Aufgabe solcher Informationen wurde er im November 1937 verhaftet und wegen staatsfeindlicher Tätigkeit zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt, die er zunächst im Zuchthaus Tegel, seit 1939 im KZ Sachsenhausen bei Oranienburg verbüßen musste."

?Ich habe niemals Kolportageromane geschrieben?

May war ja da auf dem "Trip", dass er von Anfang an auf das "große Ziel" hin geschrieben hat, und dabei haben die Kolportageromane gestört, also sind "einige seiner Romane durch eine Kolportagefabrik gefälscht worden".

Ich bin jetzt jetzt übrigens auf Seite 380, und da wäscht er gerade die schmutzige Scheidungswäsche. Ich muss sagen, dass mir das teilweise richtiggehend peinlich ist zu lesen; denn eigentlich sollte ja sowas niemanden ausser den Beiteiligten etwas angehen. Aber auch da sind (sehr) vereinzelt auch lustige Stellen, wie z.B. über das "berühmt berüchtigte Karnickel".
Aber sonst ist das auch starker Toback, der gegen jegliche Lebenserfahrung spricht. So hat er von Anfang an, eigentlich nur eine Privatsekretärin und Schriftstellersgattin, die geistig mit ihm Schritt halten kann, gesucht, und nichts anderes. (Also auch hier die große "Sexwüste".) Er hat auch von Anfang an gewusst, dass Emma das nicht ist und nie sein wird, hat's aber 22 Jahre mit ihr ausgehalten, weil er es ihrem Großvater am Sterbebett versprochen hat. Wer mag sowas glauben???

Helmut
Re: "Am Marterpfahl"
08. Mai 2005 08:56
:: Er hat auch von Anfang an gewusst, dass Emma das nicht ist und nie sein wird, hat's aber 22 Jahre mit ihr ausgehalten, weil er es ihrem Großvater am Sterbebett versprochen hat. Wer mag sowas glauben??? ::

Also, ich jedenfalls nicht. Die Fakten sprechen dagegen:
19.2.1880: Das Aufgebot wird bestellt
26.5.1880: Der alte Pollmer stirbt
17.8.1880: Amtliche Trauung
12.9.1880: Kirchliche Trauung

Das Aufgebot war also bereits über 3 Monate vor dem 'Totenbett' bestellt! Warum sollte also May etwas gegen seine innere Überzeugung versprechen, was eh längst beschlossen war?

Gruß
Wolfgang Hermesmeier
Re: "Am Marterpfahl"
08. Mai 2005 11:02
Hallo,
nochmal eine kurze Abschweifung:

***
- Den "Schundverlag" konnte ich bislang im Internet nicht finden (ein Herz für Sparer) ;-).
***

Das liegt wahrscheinlich daran, dass die einzige Vorlage beim KMV ist, und der auch noch (wegen "Privatdrucke") allein die Rechte daran hat.
Auch auf der Werke-CD sind die drei Texte nicht zu finden.

Übrigens, Sabine, eine (auf die Dauer) billigere Möglichkeit (als im Internet)an die anderen Texte (wie z.B. den "dankbaren Leser") zu kommen, ist die Anschaffung der Werke-CD, die es z.Zt. günstig bei "zweitausendeins" gibt.

*

Um die Geschichte der Ehe und Scheidung mit Emma etwas zu "objektivieren", empfielt es sich Fritz Maschke "Karl May und Emma Pollmer" zu lesen, der das Ganze zumindest teilweise (manche Kritiker meinten zu sehr) auch aus Emmas Sicht darzustellen versucht.

Helmut
Re: "Am Marterpfahl"
08. Mai 2005 11:14
Hallo zusammen,

Über das Maschke-Buch habe ich mal im Stiftungsforum (unter "Seine Biographie") unter anderem folgendes geschrieben:
*
Über die Ehe selbst erfährt man eigentlich kaum etwas bzw. nicht mehr als das, was man aus anderer Sekundärliteratur schon weiß, und was mich kopfschütteln läßt, ist Maschkes Art der Argumentation, Emma in einem etwas besseren Lichte als sonst üblich dastehen zu lassen. Da führt er allen Ernstes die Tatsache, daß Emma bei den Nachbarn beliebt gewesen sei, Klara hingegen nicht so sehr, als Argument für sie an und verweist bei seinen gut gemeinten Wohlwollensbezeugungen auch gern auf Anreden und Grußformeln, so heißt es z.B. auf S. 119 wörtlich:

?Die Versöhnung mit ihm schien ja nunmehr endgültig zu sein. Das beweisen auch Anrede und Schluß eines Briefes, den sie ihm schon ein halbes Jahr vorher, am 8. September 1911, geschrieben hatte. Darin sprach sie ihn mit ´Lieber Karl´ an und schloß mit den Worten: ´Herzlichen Gruß Emma´.?

Blauäugiger geht es ja wohl nicht.
*

Ich bin mittlerweile auch bei der "Strafkammer" im 83er und hoffe, heute oder morgen fertig zu werden. Zur Erholung sollten wir dann wirklich einen schmackhafteren Thread anlegen. Interessant diese "Ich soll..."-Aufzählung. Da gibt May ja eine ganze Menge tatsächlich zutreffender Punkte zu Protokoll.
Re: "Am Marterpfahl"
08. Mai 2005 11:21
:: Das liegt wahrscheinlich daran, dass die einzige Vorlage beim KMV ist, und der auch noch (wegen "Privatdrucke") allein die Rechte daran hat. ::

Im Ergebnis stimmt's, aber die Erklärung müsste doch etwas ergänzt werden. Für "Erstveröffentlichungen aus dem Nachlass" sieht das Urheberrechtsgesetz eine eigene Schutzfrist vor, und zwar 25 Jahre nach der Veröffentlichung. Nachdem die sogenannten Prozessschriften 1982 veröffentlicht wurden, läuft die Schutzfrist Ende 2007 ab. Danach sind sie sicher vogelfrei.

Für die Pollmer-Studie als ungedruckt gebliebenes Manuskript gilt diese Regelung auf jeden Fall. Ob allerdings die als Manuskript gedruckten "Schundverlag"-Streitschriften und "An die 4. Strafkammer" wirklich als Erstveröffentlichungen aus dem Nachlass gelten, hat vor Gericht noch niemand angetestet. Karl May hat doch eine erkleckliche Anzahl drucken lassen, und zahlreiche Exemplare befinden sich in Sammlerhand. Er selbst hat sie als Informationsmaterialien zur Verwendung an die Presse gegeben. Meiner Ansicht nach sind die Schriften also als schon zu Lebzeiten veröffentlicht anzusehen. Aber ich bin kein Jurist, und wer möchte schon darüber streiten. 2008 wird es ja doch recht bald. Bis dahin wäre ein Prozess durch alle Instanzen sicher nicht entschieden ;-)

Herzlichen Gruß
Wolfgang Hermesmeier
Re: "Am Marterpfahl"
08. Mai 2005 11:34
Hallo Rüdiger,

***Interessant diese "Ich soll..."-Aufzählung. Da gibt May ja eine ganze Menge tatsächlich zutreffender Punkte zu Protokoll. ***

Wenn man die genau liest, sind die Punkte eben alle so wie sie dastehen nicht richtig, z.B.:
"Mein Strafregisterauszug weise über zehn Jahre Gefängnis und Zuchthaus nach"

in Wirklichkeit waren es nur über acht Jahre (und die auch Gefängnis, Arbeitshaus und Zuchthaus).

Und so ähnlich ist es auch mit den anderen Punkten.

Ich denke auch, dass mir uns als nächstes was "schmackhafteres" aussuchen sollten, aber "Mein Leben und Streben" möchte ich jedenfalls später auch noch (wenn's geht hier) lesen.

Helmut

PS: wo bleibt denn unsere (Haupt-)Mitleserin?
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