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Holger Saarmann/Vivien Zeller

geschrieben von Hermesmeier 
Holger Saarmann/Vivien Zeller
28. Januar 2006 19:18
Wer immer Gelegenheit hat, sich das Programm "Winnetou ist ein Christ ... Lieder so Deutsch, wie der Wilde Westen" anzusehen, sollte davon dringend Gebrauch machen. Hier findet sich Anrührendes und Komisches in einer Weise kombiniert, die man selten erlebt. Etwas für Freunde augenzwinkernder Ironie, wie wir auf der heutigen heutigen Veranstaltung des Freundeskreises Karl May Berlin-Brandenburg feststellen durften.
Aufführungstermine sind auf der Homepage von Holger Saarmann zu finden, unter anderem demnächst in Bamberg und Nürnberg (!).

Als Appetithappen stelle ich Die Ballade des armen Webersohnes Karl May hierher, die allein schon einen Besuch lohnt, getextet von Holger Saarmann (Mai 2005). Man denke sich dazu die Melodie von "Sixteen tons" (wer es nicht zu kennen glaubt, höre hier rein und erinnere sich).


Als Knabe verlor ich mein Augenlicht,
Für den Doktor reichte Vaters Einkommen nicht;
Er war nur ein Weber, also hungerten wir:
Ich hatte dreizehn Geschwister, überlebt haben vier.

Finster war es in Sachsen, finster war meine Welt,
nur die Märchen meiner Oma hab'n die Nacht mir erhellt.
Meine Mutter fand Arbeit, Ärzte heilten mein Leid,
Doch die Rute meines Vaters, ja, die spür ich noch heut.

"Für Karriere", so sprach er, "reicht die Schulbildung nicht!
Geh als Kegelbub verdienen für Privatunterricht!"
Nur die Orgelstunden kosteten mich keinen Cent,
denn der Kantor nebenan, der fand, ich hätte Talent.

Die Romane, die ich las, verklärten fremdes Land,
Ich war gerade zwölf, da bin ich durchgebrannt.
In Spanien, so dacht' ich, find' ich Hilfe und Glück,
doch schon am nächsten Tage holte mich mein Vater zurück.

Die Lehrerlaufbahn schien der rechte Weg aus der Not.
Im Seminar jedoch, da herrschten nur Zwang und Verbot.
Dann hat man mich entlassen, weil ich illegal
für den Weihnachtsbaum der Eltern sieben Kerzen stahl.

Mein Examen erwarb ich dank Gnadengesuch,
doch auf der Arbeit, die ich antrat, lag ein teuflischer Fluch:
Um meine erste Stelle hat mich mein Vermieter gebracht,
der war empört, daß seine Frau mir schöne Augen macht.

Ein Kollege in Chemnitz, der lieh mir seine Uhr.
Ich behielt sie, als ich heim zu meinen Eltern fuhr.
Er rief die Polizei, ich wurd als Dieb gefasst
und verklagt und verurteilt zu sechs Wochen Knast.

Wer im Knast mal saß, der kann kein Lehrer mehr sein!
Privat zu lehr'n verbot man mir noch obendrein.
So komponiert' ich für den Ernstthaler Männerchor
und meine Not goss ich in Prosa, trug sie öffentlich vor.

Wer nun glaubt, das war die Wende meines Lebens der irrt:
Seit der Haft hab ich im Kopf Stimmen gehört.
Doch das waren nicht die Chöre schöner Fantasien,
sondern tausend Teufel, die Vergeltung schrien.

Die trieben mich in Städte, wo mich niemand erkennt:
Als Doktor med. Heilig fand ich einen Patient.
Ich konnte ja Latein ? und schrieb ihm ein Rezept.
Hätte gern gesehen, was der Apotheker ihm gibt.

Als Oberlehrer Lohse hab ich Pelze bestellt:
Den Lieferanten ließ ich warten, denn der wollte sein Geld.
Das Geld gab mir ein Leihhaus, dem die Pelze ich ließ,
nur daß ich da schon nicht mehr Lohse, sondern Hermes hieß.

Bin abgehauen auf einem geklauten Gaul,
doch zwischen Zwickau und Plauen wurd' der Gaul mir zu faul.
Ich brachte ihn zum Schlachter, doch der schöpfte Verdacht,
und im Schlaf ward ich verhaftet in der nächsten Nacht.

Drei Jahre war ich Häftling Nummer eins-sieben-eins,
isoliert hinter den Mauern "Schloss Ostersteins",
nähte Börsen für das Bargeld ? der Bourgeoisie,
zur Strafe, daß ich's nie verdienen durfte wie sie.

Am Leben hielt mich Kirchenchor und Bibliothek;
Posaune zu lernen war ein Privileg.
Doch kaum entlassen, da waren auch die Teufel befreit
und drängten mich zu rächen die gestohlene Zeit.

Zu den Krämern kam ein Leutnant von der Polizei:
Man fahnde nach Falschgeld, das im Umlaufe sei.
Er beschlagnahme die Kasse, denn das sei seine Pflicht.
In Wahrheit war das Geld echt ? der Polizist war es nicht ...

Obschon ich ohne Uniform nach Süden entwich,
in einer Scheune in Böhmen, da fassten sie mich.
Den Vagabunden Albin Wadenbach, den nahm man mir ab,
aber nicht, daß ich Plantagen in Westindien hab'.

Vier Jahre später, als man mich aus Waldheim entließ,
durft' ich dankbar sein, daß keiner mich zuhause verstieß.
Dafür hab' ich meiner Heimat eine Rose verehrt,
eine Rose in Prosa, und das Buch war begehrt.

Ein Dresdener Verleger rief: "Sie sind mein Mann!
Ihre Fortsetzungsromane locken Leser an!"
Doch für eine kleine Zeitschrift war ich viel zu produktiv,
so daß ich kurzerhand zwei weitere ins Leben rief.

Meine Helden passten nicht so recht ins Sachsenland:
So viel Tapferkeit und Treue war hier unbekannt.
Doch im fernen Wilden Westen herrscht ein anderer Geist ?
In der Haft bin ich per Atlas oft dort hingereist.

Mit Erfahrungen als Lehrer, Leutnant, Doktor und Dieb
konnt' ich ebensogut Westmann sein, zumal wenn ich schrieb.
Es heißt, daß wer daheim am Leben scheitert und schweigt,
sich in der Fremde oft von ungeahnter Seite zeigt.

Das ist der Vorteil einer Welt, die du dir selber baust:
Du zeigst den Edlen dein Herz und den Schurken die Faust.
Meist bedarf es weiter Reisen, bloß damit du vergisst,
daß die sogenannte Wirklichkeit oft umgekehrt ist.

Bald wusste jeder in den Staaten, wer Old Shatterhand war.
Als man mich fragte, ob ich wirklich dort war, sagte ich: Ja.
Doch, Herr Verleger, sorgen Sie, daß meine Leser erfahr'n:
Herr May weilt zur Zeit im wilden Kurdistan!
Re: Holger Saarmann/Vivien Zeller
28. Januar 2006 20:04
Das klingt gut! Geht es noch weiter? Kann man das irgendwo nachschlagen, lesen, in gedruckter Form erstehen?
Re: Holger Saarmann/Vivien Zeller
28. Januar 2006 20:25
Da geht's mir nun so wie anderen mit anderen Versen, ich sitze völlig verständnislos davor und denke, ja und, was soll das nun ?

Da helfen auch keine Erklärungen oder sonst etwas, der eine hat für dieses keine Ader, der andere für jenes. Ganz wertfrei.

Ich finde das so komisch oder reizvoll, als würde man einen Bundesbahn-Fahrplan in Reimform bringen, nämlich überhaupt nicht.
Re: Holger Saarmann/Vivien Zeller
28. Januar 2006 20:29
Nee. An der Stelle ist wirklich Schluss. Der Text ist auf der Homepage von Holger Saarmann zu finden, die sehr bunt Material von und über Karl May zusammengetragen hat, unter anderem ...
Da lohnt sich das Stöbern durchaus.

Eine CD gibt es noch nicht, soll aber kommen. Wenn Sie da ist, werde ich informiert und gebe das dann weiter.
Re: Holger Saarmann/Vivien Zeller
28. Januar 2006 20:36
Lieber Rüdiger!

Auf der einen Seite ging's darum, den Inhalt zu verstehen, was mir bisher immer noch entgangen ist. Und Du verstehst halt durchaus den Humor nicht. Ich glaube nicht, dass beide Fälle vergleichbar sind.
Nachdem ich Menschen kenne, die auch über Dietmar Mues nicht lachen konnten und über den Karl May Abend im Gorky Theater auch nicht, darf ich Dir versichern, dass Du mit Deinem Geschmack nicht allein da stehst. Allerdings: de gustibus ...

Was aber das Verständnis angeht: Es gibt Finanzbeamte, von denen ich genau weiß, dass sie Deutsch schreiben, und ich verstehe sie dennoch nicht, nicht für fünfzig Cents, um eine beliebte Formulierung von Dir wieder aufzugreifen. So ging's mir mit diversen Beiträgen im Stiftungsforum. Keiner traut sich zuzugeben, dass es ihm genauso ging. Da aber niemand erklärend auftritt, denke ich, dass die Dunkelziffer der sich bescheiden Zurückhaltenden ziemlich hoch ist. Mal so gesagt.

Gruß
Wolfgang
Re: Holger Saarmann/Vivien Zeller
28. Januar 2006 20:57
recte: fünf Cent

grinning smiley

(jetzt muß ich wieder de gustibus nachgucken ...)
Re: Holger Saarmann/Vivien Zeller
28. Januar 2006 21:11
Tja, de gustibus... Mich haben diese Zeilen sofort angesprochen. Daß das keine "große Dichtung" ist, weiß ich auch. Allerdings könnte ich selbst das lange nicht so gut machen. Läßt man die Melodie, zu der das wohl gesungen wird, in der Vorstellung erklingen, ist das ein ziemlich gutes Karl-May-Lied. Äußerst fair, nicht im geringsten persiflierend; zumindest ein Originalzitat ist mir aufgefallen, die "tausend Teufel" stammen aus Mays Selbstbio, wenn ich mich nicht irre.

Grüße

Rolf
Re: Holger Saarmann/Vivien Zeller
28. Januar 2006 23:34
Hermesmeier schrieb:
-------------------------------------------------------

> Aufführungstermine sind auf der Homepage von
> Holger Saarmann zu finden, unter anderem demnächst
> in Bamberg und Nürnberg (!).
>

Hallo Wolfgang,
wenn ich's da richtig gelesen habe, waren die Termine in Bamberg, Scheßlitz und Nürnberg vom 12. bis 14. Januar.
Ich kann mich allerdings nicht erinnern, irgendwo in der hiesigen Lokalpresse etwas davon gesehen zu haben.

Helmut
Re: Holger Saarmann/Vivien Zeller
28. Januar 2006 23:50
Und Wolfgang, was ich noch fragen wollte :
Quote

Als Knabe verlor ich mein Augenlicht,

Das gefällt Dir?
Wenn ich da so an die Diskussion über die neue Biografie danke, ...

Bist Du jetzt etwa "bekehrt" winking smiley
(hupf)

Helmut
Re: Holger Saarmann/Vivien Zeller
29. Januar 2006 00:45
Was die Termine in Bamberg/Nürnberg und sonstwo im Süden angeht, so gestehe ich, dass ich aufs Datum nicht geachtet habe. Das Duo hatte Zettel mit Terminen ausgelegt. Dass da Auftritte drauf stehen, die bereits Geschichte sind, da wäre ich nicht gleich auf Anhieb drauf gekommen.

Diese erste Zeile konnte ich da doch verzeihen. Da sind zwei Musiker, die in erster Linie Musik machen, der Musik deutscher Auswanderer in Amerika nachspürten und dann über Karl May und seine Kompositionen stolperten. Wenn man diesen Hintergrund bedenkt, ist der im Liedtext sich wiederspiegelnde Detailreichtum ganz erstaunlich. 'Bekehrt' bin ich deshalb noch lange nicht.
Re: Holger Saarmann/Vivien Zeller
29. Januar 2006 20:14
Ich hätte es wirklich gern gesehen.

Wie war denn der Rest des Programm so? Oder hattet ihr ein reines May-Special?

ta
Re: Holger Saarmann/Vivien Zeller
29. Januar 2006 20:29
Rolf Dernen schrieb:
-------------------------------------------------------
> Tja, de gustibus... Mich haben diese Zeilen sofort
> angesprochen. Daß das keine "große Dichtung" ist,
> weiß ich auch. Allerdings könnte ich selbst das
> lange nicht so gut machen. Läßt man die Melodie,
> zu der das wohl gesungen wird, in der Vorstellung
> erklingen, ist das ein ziemlich gutes
> Karl-May-Lied. Äußerst fair, nicht im geringsten
> persiflierend; zumindest ein Originalzitat ist mir
> aufgefallen, die "tausend Teufel" stammen aus Mays
> Selbstbio, wenn ich mich nicht irre.
>
> Grüße
>
> Rolf


Rolf, ich stimme dir zu. Auch mir gefiel es. Lustig ist es, wenn man es sich wirklich mit der vorgegebenen Melodie vorsingt. Dabei aber die Stimme richtig tief klingen lassen, dann wirkt es noch ein bisschen besser.

smiling smiley

andrea
Re: Holger Saarmann/Vivien Zeller
29. Januar 2006 20:47
Liebe Jenny!

Es war kein reines May-Spezial.

Da gab es die verrücktesten Auswandererlieder zu hören, die mit deutschem Volksliedgut wenig bis gar nichts zu tun hatten. Im Gedächtnis geblieben sind mir einerseits das Lied von dem Gockel und seinen 14 Hühnern, womit ein Mann mit 14 Frauen gemeint war. Und dann gab es da noch den 18-Jährigen jungen Mann, den seine Eltern aufzuklären vergessen hatten, was dann die Magd nächtens im Bett und direkt an der Praxis demonstriert nachzuholen versuchte ... aber scheiterte.
Und die Muskikbegleitung zum allem per Guitarre und Geige, klang sehr nach amerikanischem Westen, aber nicht nach Country Music. Sehr interessant das Ganze.

Von dem gesamten zweieinhalbstündigen Programm hörten wir einen etwa 70minütigen Ausschnitt. Ich erwarte dringend die CD.

Gruß
Wolfgang
Re: Holger Saarmann/Vivien Zeller
09. März 2008 18:58
Es ist zwar lange her, aber da der Thread gerade vom Wiki aus verlinkt wurde:
Die CD ist da und ich finde sie klasse. smiling smiley

Auf der Homepage gibt von der "Ballade" auch eine Hörprobe: [www.holger-saarmann.de] (ungetestet, da mein PC keine Geräusche machen darf...)

ta



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 09.03.08 19:04.
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