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Konventionen, Eigensinn & persönlicher Stil

geschrieben von Rüdiger 
Konventionen, Eigensinn & persönlicher Stil
20. November 2005 13:22
Folgende gerade gelesene Stelle (in ?Und Friede auf Erden?; bezieht sich auf die Erwähnung von ?Am Jenseits? kurz zuvor) gefällt mir so gut, dass ich sie ?zum Besten? geben möchte:

?Ich weiß gar wohl, daß es Leute gibt, welche es dem Autor untersagen, in seinen eigenen Werken über diese Werke zu schreiben; aber wie ich als sogenannter Schriftsteller meine eigenen, vorher noch unbetretenen Wege gehe, so lasse ich mich auch in dieser Beziehung durch keinen literarischen Pfändwisch irretieren und bringe ohne Scheu, was ich zu bringen habe. Das erwähnte Buch von mir gehört zur Sache.?

Seit frühester Jugend habe ich meine liebe Not mit denen, die die Form über den Inhalt stellen und auf Regeln und Vorgaben beharren, in der Schule fing es, spätestens, an. Karl May verhält sich nach seinen eigenen Regeln, und schert sich nicht um Konventionen, und darum, was ?man? macht, und was ?man? nicht macht. Einer der Gründe, warum er mir so gut gefällt.
Re: Konventionen, Eigensinn & persönlicher Stil
20. November 2005 16:20
Hallo Rüdiger!

Das mit der Form und den Inhalt mußt Du irgendwann mal in den falschen Hals bekommen haben. Dabei geht es nicht um Regeln und Vorgaben. Im Gegenteil. Die Form ist das "Wie", der Inhalt das "Was". Und letzteres ist meistens banal und in ein-zwei Sätzen erzählt. Beispiel: Junger Deutscher kommt in den Wilden Westen und wird der engste Freund eines Häuptlingssohnes. Das ist "Winnetou I". Der Inhalt. Nun hat Karl May daraus aber ein wundervolles Buch gemacht, indem er diesen Inhalt in seine ihm eigene Form gegossen hat. - Ein Autor wie Arno Schmidt erzählt keine weltbegenden Geschichten, er packt sie aber in eine ganz bestimmte, sehr individuelle Form, daß er für mich persönlich beispielsweise einer der bedeutendsten Autoren des 20. Jahrhunderts wurde. Regeln und Vorgaben, werden sie sklavisch beachten, führen nie zu einem Kunstwerk, sondern höchstens zu einigermaßen lesbarer Gebrauchsprosa. Mir gefällt May eben genau so wie Dir, weil er sich um viele Regeln nicht kümmerte. Aber das ist eben die Form, Karl Mays Form, die wir mögen.

Herzliche Grüße

Rolf
Re: Konventionen, Eigensinn & persönlicher Stil
20. November 2005 17:32
Nö, wieso soll ich da was in den falschen Hals gekriegt haben. Allenfalls eine Frage der Begriffsbestimmung. Will & wollte sagen, dass das Inhaltliche für mich zählt und formale Dinge mir ganz gleichgültig sind, und Karl May ging es wohl ähnlich.

Ich hatte eine Deutschlehrerin, für die zählte nicht, ob man Kleist oder Hölderlin über Königs Erläuterungen hinaus verstanden zu haben glaubte, sondern ob die Überschrift zweimal unterstrichen war und anschließend eine Leerzeile gelassen. Klaus Kinski hätte ihr wohl das Pult umgeworfen. (Hallo Frau Wolf, leben Sie noch ? Gymnasium Eversten in Oldenburg, Siebzigerjahre.)

Und so wird es Leute geben, die sich daran stören, dass Karl May in seinem ?Friede?-Roman mehrmals eigene Werke erwähnt, weil sie das eben aus formalen Gründen und solchen einer läppischen Konvention ablehnen. Und dergleichen Beispiele gibt es wie Sand am Meer. Solche Beckmessers gab und gibt es jede Menge, sie ersetzen und verwechseln Begabung & Verständnis durch angelerntes Zeug und berufen sich und pochen darauf, weil sie auf dem Gebiet des Faktenwissens und der Papier-Qualifikationen halt anderen überlegen sind bzw. etwas voraus haben. Und sie halten diese Pseudo-Überlegenheit für eine echte und maßgebliche. Kann man nicht ändern. War so, ist so, bleibt so.

Da gibt?s eine herrliche Szene im ?Silberlöwen?, wo der oberste der Taki-Kurden Kara Ben Nemsi wohlwollend-herablassend interviewt und immer wieder dezent darauf hinweist, dass der doch eigentlich nichts ist und nichts darstellt. Woraufhin der ihm ganz entspannt mitteilt, dass er auch sich selbst durchaus genug ist, und auf den ganzen Klüngelkram pfeift. Und er lässt sich überhaupt nicht beeindrucken. Ich seh? die Szene förmlich vor mir, mit veränderter Besetzung.

winking smiley
Re: Konventionen, Eigensinn & persönlicher Stil
20. November 2005 18:14
Rüdiger, ich gebe dir schon wieder recht.

Deutschlehrer, vor allem in der Oberstufe Gymnasium, waren mein Gräuel. Ein Gedicht konnte nicht einfach schön sein, nein, es wurde völlig auseinandergenommen, warum hier dieses Wort und dort jenes Komma und warum so und nicht anders. Was wollte der Dichter mit der gewählten Form sagen. Und wehe, die Antwort fiel nicht so aus, wie der Lehrer dies wollte, dann war mit der Note Essig. Eigene Gedanken zum Thema wurden nicht honoriert. Aber wenn man die Gedankengänge des Lehrers einigermaßen nachvollziehen konnte, dann haute das auch mit der Note hin. Soviel zur Erziehung zum eigenständigen Denken. Ich war nur meistens ziemlich konträr...
Dieses Gedicht gefiel mir auch mal richtig gut, bis wir es auseinandergefieselt hatten:

Hör', es klagt die Flöte wieder,
Und die kühlen Brunnen rauschen.
Golden wehn die Töne nieder,
Stille, stille, laß uns lauschen!

Holdes Bitten, mild Verlangen,
Wie es süß zum Herzen spricht!
Durch die Nacht, die mich umfangen,
Blickt zu mir der Töne Licht.

(Clemens Brentano)

Anschließend hätte ich den Lehrer erwürgen können.
Ist im übrigen schon 22 Jahre her, hat mich aber offensichtlich nachhaltig geprägt.
Wie die Schule mich sowieso so geprägt hat, das ich heute noch manchmal Albträume habe, ich müsste noch mal das Abitur machen, Matheaufgaben lösen, die ich nicht kann und Texte interpretieren, die ich anders sehe als der Lehrer. Meine Aussage, ich hätte das Abitur doch schon, zählt leider in dem Traum nicht. Bin ich dann froh, wenn ich wach werde...

cool smiley
Re: Konventionen, Eigensinn & persönlicher Stil
20. November 2005 18:21
Ich hatte da wohl das Glück, andere, bessere Lehrer gehabt zu haben, zumindest in der Oberstufe. Ich hatte keine Probleme damit, ein Versmaß zu bestimmen und trotzdem den Klang der Worte lauschen zu können. Und nochmal: Form hat nichts mit Formalismus zu tun. das wollte ich nur ausdrücken.

Grüße

Rolf
Re: Konventionen, Eigensinn & persönlicher Stil
20. November 2005 18:41
Hermann Hesse hat einmal gesagt, er habe in der Schule nur Latein und Lügen gelernt. Und das:

Ein Schulmeister hat lieber einige Esel als ein Genie in seiner Klasse, und genau betrachtet hat er ja recht, denn seine Aufgabe ist es nicht, extravagante Geister heranzubilden, sondern gute Lateiner, Rechner und Biedermänner.

hat er auch gesagt (in "Unterm Rad", einem Schul-Roman, der immer noch ziemlich aktuell ist. Die äußeren Umstände haben sich verändert, aber nicht die greifenden Mechanismen).

> Form hat nichts mit Formalismus zu tun

Sind zwei verschiedene Dinge, ok, aber "hat nichts damit zu tun" würde ich nicht unterschreiben, das berührt sich. Mahlers Neunte schert sich nicht mehr um die Form, der vierbändige Silberlöwe auch nicht, was soll's, es kommt nicht darauf an.
Re: Konventionen, Eigensinn & persönlicher Stil
21. November 2005 08:25
<<Deutschlehrer, vor allem in der Oberstufe Gymnasium, waren mein Gräuel<<
Das war bei mir auch der Grund, weshalb ich dieses Fach (so gerne ich es vorher gemacht habe) dann ganz schnell hinten runter habe fallen lassen. Einmal nicht genau die Meinung des vorne Stehenden getroffen und schon war die Note für den Rest des Schuljahres oder womöglich noch länger "versaut".

<<Ein Schulmeister hat lieber einige Esel als ein Genie in seiner Klasse<<
Das ist mir bei uns auf der Schule bei der Abschlußveranstaltung so richtig aufgefallen. Wer wurde in den höchsten Tönen gelobt? Die Jasager und "Sich-immer-schön-duckenden". Naja, ist Gott sei Dank auch schon ne Weile her, ich will da lieber nicht mehr drüber nachdenken, sonst schwillt mir der Kamm. (hupf)

Und was die Form bei May angeht: Ich denke auch daß gerade die nicht immer passenden Formen den besonderen Reiz des Ganzen ausmachen, wäre das nicht so, wäre die gesamte Sache wahrscheinlich sowas von dröge.....
Re: Konventionen, Eigensinn & persönlicher Stil
22. November 2005 08:02
Ich werde auch nie das Gesicht meines Deutschlehrers - es war glaube ich in der 8. Klasse - vergessen, als er meinte, uns armen hirnverbrannten Schülern zu der deutschen Hochliteratur, die wir bei ihm "verbrechen" mußten, noch einige Vertreter der sog. Trivialliteratur schmachhaft zu machen. Lt. seiner Aussage wären wir vom Alter und der notwendigen Reife auch für solche Machwerke dann so weit. U.a. fiel auch der Name Karl May. Ich klärte ihn damals auf, daß er da bei mir etwas reichlich spät dran sei, da ich - mittlerweile zarte 14 Jahre alt - dann doch seit ca. 6 Jahre fleißig Karl May lese und ihm auch noch viel darüber berichten könne, von wegen Trivialliteratur und so. Seine Reaktion: Ein lauter Schrei (kein Witz!!!, ein entsetzter Blick, "Ich muß mich setzen, das ist ja unglaublich, geh in Dich und überlege was Du da eben gesagt hast!" Meine Mutter mußte damals in die Schule kommen und dem guten Mann erklären mit welcher Veranlassung man/frau ein 8-jähriges Kind mit deutscher Schundliteratur in Berührung kommen läßt.

In der Oberstufe unterließ ich es dann, den dortigen Deutschlehrer aufzuklären, dass mein Lieblingsschriftsteller nicht Peter Handke, Wolfgang Köppen oder Alfred Andersch heißt. Er wäre, glaube ich, dem sofortigen Herztod erlegen. Dafür nutzte ich die Mayschen Beschreibungen und die Gefühle die bei mir allein beim Lesen erweckt wurden (gerade das sog. Spätwerk eignet sich wunderbar dafür), für meine Gedichtinterpretationen. Da ihm diese gefallen haben, war die frühe Begegnung mit Karl May dann doch noch für was gut.

;-)


Michaela
Re: Konventionen, Eigensinn & persönlicher Stil
22. November 2005 18:14
*hihi*
Wir mussten in der Oberstufe für unseren Lehrer eine Liste anfertigen, auf der wir alle von uns gelesenen Bücher auflisten sollten. Meine Liste war, da ich zu den Bücherfressern gehörte und noch gehöre, sehr umfangreich. Der Herr über die Deutschstunde zog dann auch die Augenbrauen hoch. Schien ihm wohl etwas unglaubwürdig. Als dann aber die KM-Bücher auftauchten - gingen ihm die Augen fast über. Wenn ich schon vorher nicht zu seinen Lieblingen gehörte, danach war es ganz rum. Wie schon gesagt, Alpträume...winking smiley
So Szenen vergisst man nicht. Den Deutschlehrer sehe ich fast täglich noch, da er in meiner etwas weiteren Nachbarschaft wohnt, von daher bleiben solche Dinge in Erinnerung. Er wurde dieses Jahr erst pensioniert. Von daher muss er zu meinen Schulzeiten noch recht jung gewesen sein, jedoch von seinen Ansichten her war er damals schon alt. Jedenfalls hatte er damals wenig Verständnis für "literarische Ausrutscher".

winking smiley
Re: Konventionen, Eigensinn & persönlicher Stil
22. November 2005 20:58
Ja gibt es das alles wirklich?! Was sind das für Deutschlehrer, die nicht einschätzen können, dass jemand der Deutschen Sprache mächtig ist und .. und..
Da fehlen mir nicht nur die Worte! Da fehlt mir gleich die ganze Sprache!!

-
Abendgruß
Sylvia
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