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Von Santa Fe aus durch die Pampas: Mit Dr. Morgenstern und Dr. Burmeister auf Glyptodon-Suche

geschrieben von thoschw 
Von Santa Fe aus durch die Pampas: Mit Dr. Morgenstern und Dr. Burmeister auf Glyptodon-Suche
15. September 2005 18:35
»(...) Ich suche nach Knochen von vorweltlichen Tieren, wie man sie im hiesigen naturhistorischen Museum findet.«
»Ah, ick verstehe! Von Professor Burmeistern jesammelt? Die stecken in der Erde, wo man sie herausbuddeln muß. (...)«
[Das Vermächtnis des Inka]

Dieser letzte Satz, in dem Professor Burmeister vorkommt, wurde leider von den Bearbeitern gestrichen, so daß er sich in der heutigen Ausgabe nicht mehr findet. Möglicherweise wurde der Satz von ihnen für einen Witz Kiesewetters gehalten, von dem sie meinten, seine Pointe sei nicht zu verstehen. Aber, wie man sieht: es war kein Witz! Daß May Dr. Morgenstern in der Pampa nach vorsintflutlichen Fossilien suchen läßt, ist übrigens auch kein Scherz, den er sich in einer heiteren Stunde hat einfallen lassen; sondern Argentinien ist tatsächlich überaus reich an solchen Funden. Schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts waren Skelette von riesenhaften Urtieren gefunden worden: Riesenfaultiere, Ameisenbären und Gürteltiere. Zu Ende des Jahrhunderts wurde ein geradezu sensationeller Fund zutage gefördert: ein völlig erhaltenes Fell eines Mylodons (eines elefantengroßen Riesenfaultieres) mit Knochensplittern. Da man dazu auch noch Überreste von Menschen und ein Pferdeskelett fand, begann die Gelehrtenwelt über die Deutung zu wetteifern. Jedenfalls bildete die Pampa ein wahres Paradies für den Paläontologen, eine Tatsache, die May in netter Weise karikiert hat, wobei er allerdings auch sehr viel Wissenswertes vermittelte. Die Angaben über das Megatherium. die er geschickt in ein lustiges Gespräch einfließen läßt, stimmen bis in jedes Detail.

So schrieb Ekkehard Koch in seinem Artikel ?Zwischen Rio de la Plata und Kordilleren - Zum historischen Hintergrund von Mays Südamerika-Romanen? im KMG-Jahrbuch von 1979, in dem er das Vorbld für den satirisch verzeichneten Paläontologen Dr. Morgenstern vorstelle. Karl May hatte sich freilich bereits in dem ein paar Jahre früher gschriebenen Doppelroman ?El Sendador? der Fachliteratur Burmeisters bedient, ohne dabei dessen Leidenschaft für die vorsintflutliche Tierwelt zu thematisieren. So war die in zwei Bänden erschienene ?Reise durch die La Plata-Staaten? neben Hugo Zöllers ?Pampa und Anden? die Hauptquelle für die sozialen, geographischen und biologischen Beschreibungen in Mays Roman. Ein entsprechende, leider mitunter nur skizzenhafte Gegenüberstellung von Mays Texten und den originalen Quelltexten findet sich in Bernhard Kosciuszkos Artikel Man darf das Gute nehmen, wo man es findet - Eine Quellenstudie zu Karl Mays Südamerika-Romanen, der ebenfalls im gleichen Jahrbuch abgedruckt ist. Dabei werden leider gerade die hier interessierenden, mit dem ?Vermächnis des Inka? korrespondierenen Textstellen nicht einmal auszugsweise zitiert, Kosciuszko gibt lediglich die Quelltext-Seiten an, und das noch unvollständig:

Santa Fe - Vermächtnis/73 -> Burmeister II, S. 12
Dichter Wald - Vermächtnis/143 -> Burmeister II, S.26

Im folgenden seien deshalb einmal Mays Text mit dem von Burmeister übernommen Textpassagen im einzelnen gegenübergestellt:

Das Vermächtnis des Inka (Anfang: Die Gigantochelonia/Eine neue Bekanntschaft): Es war ungefähr vierzehn Tage später, als ein aus Rozario kommender Dampfer an der Landestelle von Santa Fé anlegte. Die Gehbretter wurden ausgeworfen, und die Passagiere beeilten sich, an das Land zu kommen. Am Ufer gingen mehrere Offiziere auf und ab, denen bei der Leblosigkeit der innern Stadt die Landung der Fremden ein willkommenes Schauspiel bot.

Dazu im Vergleich nun aus Burmeisters Reise durch die La Plata-Staaten [2. Band, S. 7]: Wenn man der Landungsstelle bei Sa Fe sich nähert, so gewahrt man stets eine Anzahl, 20-25, größere und kleinere schiffe im Hafen liegen (...); im Uebrigen ist an der Landungsstelle keine weitere Vorrichtung getroffen, das Ufer fällt sanft geneigt in den Fluß hinab und ein aus dem Dampfboot bis ans Ufer gelegtes Brett bringt die Reisenden von Bord.

Den Begriff der Leblosigkeit hat May zwar nicht wörtlich von Burmeister übernommen, dieser ergibt sich aber aus der Beschreibung des Südamerika-Reisenden: Weiterhin kommt man nach links sofort auf den verfallenen Spaziergang der Stadt; ehemals vielleicht eine elegante Anlage, jetzt aber ziemlich zerstört; der hohe aus Backsteinen gemauerte Quai des Ufers ist stellenweise herabgestürzt, die daran befindliche Wassertreppe nicht mehr sicher gangbar, die eiserne Balustrade schadhaft und der Platz selbst mit z. Th. Abgestorbenen Bäumen, Paraisas, bepflanzt, die füglich durch neue schon längst hätten ergänzt werden sollen; der ganze Eindruck erinnert an eine gefallne Größe, man könnte den Charakter Sa Fe?s nicht besser ausdrücken, wenn man ihn sorgfältig hätte zur Schau stellen wollen, als durch einen solchen Spaziergang am Eingang der Stadt. [S. 7]

Und weiter im Text von Mays Vermächtnis: Das Cuartel von Santa Fé war ein noch aus der alten spanischen Zeit stammendes, mehrstöckiges Gebäude mit Turm. Die Fenster und selbst die Balkone waren mit starken Eisengittern versehen. Vor der Fassade dieses Gebäudes standen einige Kanonen; Soldaten standen oder saßen vor den Thüren, und zahlreiche Arrestanten schauten durch die vergitterten Fenster.

Entsprechend liest man bei Burmeister: Noch zwei öffentliche Gebäude liegen in der Nähe der Plaza, der Mercado und das Cuartel, beide ziemlich alte, mehr als halbverfallne Anlagen aus Spanischer Zeit. (...) Das Cuartel steht ganz am westlichen Rande der Stadt, hinter S. Domingo, an einem offenen Platz und ist ein altes mehrstöckiges Haus mit Thurm und starken Eisengittern vor den Fenstern, selbst vor den Balkonen, die an der Ecke der vorderen Fronte angebracht waren. Es sah komisch aus, die Officiere der Mannschaft hinter diesen Gittern sich unterhalten zu sehen; sie erschienen mir wie große Käfige mit Ungeheuern, halb in der Luft schwebend. Einige Kanonen standen auf dem Platz daneben; Soldaten lagerten vor den Thüren und zahlreiche Arrestanten blickten wild und trotzig hinter den Gittern des Erdgeschosses hervor, einige in Eisen geschlossen. [S. 11/12]

Für die Beschreibung des Inneren des Gefängnisses gibt es hingegen kein Quellzitat bei Burmeister, den Innenhof hat sich May also wohl selber ausgedacht, auch vermag man sich angesichts von Burmeisters Originalbeschreibung Mays komfortabel eingerichtete Zimmer in dem Gebäude kaum vorzustellen:: Die anwesenden Soldaten salutierten nach Vorschrift, und die Herren traten ein. Die beiden Deutschen wurden über einen Innenhof und eine Treppe nach einigen ganz komfortabel eingerichteten Zimmern geführt, an deren Eingang sich die Offiziere verabschiedeten.

Auch Mays Gasthaus für Fremde findet sich nicht bei Burmeister. Dieser beschreibt zwar ein gutes Duzend von mehr oder weniger auffälligen Gebäuden der Stadt, darunter durchaus auch ärmliche, doch ein Haus, dessen Boden wie im Vermächtnis lediglich aus gstampfter Erde besteht, ist nicht darunter: Sie gingen suchend durch einige Straßen und kamen an ein Haus, über dessen Thür auf einem Schild zu lesen war: »Posada por pasageros, Gasthaus für Fremde.« Diese Posada sah freilich gar nicht einladend aus. Das Gebäude bestand aus gestampfter Erde und hatte nur ein Erdgeschoß mit einer breiten, niedrigen Thür und zwei Oeffnungen, in denen keine Fenster waren. Nebenan gab es einen von einer Mauer umgebenen Hof, in welchem man Pferde stampfen und wiehern hörte.

Als Morgenstern und Kiesewetter Santa Fe verlassen, stützt sich May wieder auf den Quelltext. Ohne zunächst die Richtung des Weges anzugeben, mischt May dabei zwei unterschiedliche Beschreibungen Burmeisters, die ursprünglich auf ganz unterschiedliche Randgebiete von Santa Fe von Santa Fe bezogen sind. Da heißt es im Vermächtnis (Ende: Eine neue Bekanntschaft): Der Ritt ging an dem Cuartel vorüber, in welchem Morgenstern vorhin die so kurze Rolle eines Obersten gespielt hatte, dann an dem Kirchhofe und mehreren kleinen Ranchos, bis man endlich das Stadtgebiet hinter sich hatte. Zur Linken sahen die Reiter den seeartig ausgedehnten Rio Salado fließen, und vor ihnen lag ein ausgedehntes, hügelig unebenes Heideland.

Bei Burmeister gibt auf dem Weg am Curatel vorbei zum Rio-Salado-See aber weder einen Kirchhof noch Ranchos oder hügelig unebenes Heideland zu sehen: Zuvörderst begab ich mich nach Südwesten von der Stadt an den großen See, welchen der Rio Salado hier bildet; man geht neben dem Cuartel vorbei und kommt gleich hinter demselben auf eine sanft nach Westen abwärts geneigte Ebene, deren Rand, etwa ½ Stunde von der Stadt, den See begrenzt (...) [S. 16]

Stattdessen liegen der Kirchhof, die Ranchos und das hügelig unebene Heideland bei Burmeisters Beschreibung auf dem Weg von Santa Fe in Richtung Norden: An einem späteren Tage unternahm ich, in Begleitung eines Bekannten, einen Ritt in der Richtung nach Norden, der einzigen, in welcher man, ohne durch Wasser behindert zu werden, weiter vordringen kann; wir schlugen den weg nach der Colonie Esperanza ein, wo damals eine Brücke über den Rio Salado im Bau begriffen war. Die erste Strecke des Weges schlängelte sich zwischen Ranchos hin und berührte des nach Links und Westen gelegenen Kirchhofes (...). Wie wir das Stadtgebiet verlassen hatten, kamen wir auf eine ausgedehnte, etwas hügelige unebene, mit niedrigen Gebüsch bestandene Haide, die sich so weit wie wir blicken konnten nach Norden vor uns erstreckt; zur Linken sahen wir den seeartig ausgedehnten Rio Salado (...), zur Rechten den noch größeren See des Rio Saladillo, und hinter beiden unabsehbare Waldungen, welche den ganzen Horizont vor uns einnahmen. [S. 17/18]

Tatsächlich aber ? was man auf den ersten Blick vielleicht vermuten könnte ? ist Mays kombinierte Beschreibung aus den Südwest- und Nordkurs-Zitaten Burmeisters nicht falsch: Denn ob man das Cuartel in nördlicher oder südwestlicher Richtung passiert, hängt natürlich davon ab, wo man sich zuvor nördlich oder Südlich des gebäudes befindet. Und ferner ist bei Burmeister ja zu lesen, daß die seeförmige Ausdehnung des Rio Salado sowohl im südwestlich als auch nördlich der Stadt zu finden ist, insofern kann man also sehr wohl auch in nördlicher Richtung am Cuartel vorbei zu dem vom Rio Salado gebildeten See gelangen.

May wertet das
Richtung-Norden-Zitat Burmeisters dann nochmals aus, indem er dabei dann die Esperanza, die Brücke und die Waldungen erwähnt und dazu betont, daß auch schon der oben zitierte erste Ausritt aus Santa Fe bereits in Richtung Norden erfolgte. Vermächtnis ((Anfang: Ein Pamparitt): Der Weg führte, wie gestern, zunächst gerade nach Norden, zwischen dem Rio Salado und dem Rio Saladillo hin, hinter denen dichte Waldungen lagen. Nach nicht ganz einer Stunde führte eine hölzerne Brücke über den erstgenannten Fluß und dann erreichten die Reiter die meist von Deutschen bewohnte Kolonie Esperanza.



[Ausschnitt aus: Mapa Original de la Republica Argentina y Estados adyacentes comprendiendo la Republicas Chile, Paraguay y Uruguay, compilado por El Doctor Don A. Petermann, 1875 ? in: A. Petermann & H. Burmeister, Die Südamerikanischen Republiken Argentina, Chile, Paraguay und Uruguay, 1875]

Schließlich gelangt Dr. Morgenstern zu seiner ersten Ausgrabungsstätte, den vermeindlichen Fundort eines Glyptodon, das in Wirklichkeit ein Waffenlager ist:

»Von einem Mammut ist hier keine Rede. Wir befinden uns höchst wahrscheinlich im Leibe eines Glyptodon, also desjenigen Tieres, welches ich vorhin Riesenarmadill nannte.«
»Haben diese Tiere Leiber aus Lehm jehabt?«
»Natürlich nein. Du kannst dir doch denken, daß der Leib mitsamt den Knochen nach und nach verwest ist und daß nur der unzerstörbare Panzer übrig geblieben ist. Im Innern desselben sitzen wir jetzt.«
»Also mitten in der Armatur?«
»Ja. Man hat diesen Panzer auch wohl, aber irrtümlicherweise, für die Bedeckung des Megatherium gehalten, weil auch Knochen dieses letzteren Tieres in der Nähe solcher Fundorte angetroffen wurden. Das Glyptodon ist aber für den Kenner unmöglich mit dem Megatherium zu verwechseln, lateinisch permuto, obgleich es ebenso wie dieses einen runden, abgestutzten Kopf und am Jochbeine einen absteigenden Fortsatz hatte. Der Panzer, welcher das Tier vom Halse bis zum Schwanze umschloß und nur am Bauche offen war, bildete keine Ringe, sondern bestand aus einzelnen, sechseckigen Knochenstücken, welche eine einzige starke und zusammenhängende Decke bildeten. Der Schwanz steckte in einer besondern Panzerröhre, die wir jedenfalls auch finden werden. Wir müssen den Panzer zunächst freilegen; wenn sich dann ergibt, welches der hintere und welches der vordere Teil desselben ist, läßt sich leicht sagen, wo die Schwanzröhre liegt.«
Er betastete und beklopfte die Decke der Höhle und fand seine Vermutung, daß dieselbe der Panzer eines fossilen Riesentieres sei, vollkommen bestätigt.

Tatsächlich findet auch Dr. Burmeister bei seiner Reise einige Glyptodone, allerdings ist er eigentlich auf der Suche nach viel größeren Urtieren, und so folgt er mehrmals Hinweisen, die den Panzer des Glyptodons für die Überreste gigantischer Köpfe halten:

Freilich konnte sich Niemand vom Zwecke meiner Reise einen recht klaren Begriff machen; um Knochen zu sammeln, meinte man, brauche ich nicht so weit zu reiten, die wären ja nahe bei der Stadt viel leichter zu haben. Zwar wußte man ziemlich allgemein, daß wundersame Knochen, Riesenköpfe (Cabeza de Gigante) wie man sie nannte, hier in der Nähe gefunden würden, aber was daran zu sehen sei und warum man sie sehen wolle, davon verstand man nichts [S. 82]

Meine erste Frage war natürlich nach den Knochen, die hier zu finden sein sollten. Es lägen noch einige davon in der Kammer, wurde mir geantwortet, man werde sie glich holen und so geschah es, nach einer Viertelstunde brachte man einige größere Bruchstücke vom Panzer des Glyptodon, ein halbes Becken, einige Rippen, und ein Stück vom Schulterblatt, nebst unkenntlichen Resten mehrerer Röhrenknochen. Indessen darnach trachte ich eigentlich nicht, ich hatte noch immer den großen Schädel im Kopf und fragte nach ihm und den Zähnen; ob nicht davon auch etwas vorhanden sei. Nein, hieß es, der Kopf stecke noch in der Barranka, und um den zu sehen, müßte ich wenigstens noch eine Stunde weiter landeinwärts marschieren. [S. 83/84]

Mit der gespanntesten Erwartung trat ich an die Schlucht, als unserer Führer mir zurief, näher zu kommen und was sah ich, - einen vollständigen Glyptodon-Panzer, nichts mehr und nichts weniger. Der Panzer stand senkrecht im Lehm, die offene Bauchseite gegen den Wasserriß gewendet, den gewölbten Rücken gegen die Erde; er war ganz leer und keine Spur irgend eines Knochens in seiner Nähe zu sehen. Offenbar hatte man die herausgespülten Skelettheile schon alle geholt, oder die in der Schlucht laufenden Regenströme hatten sie mit sich fortgeführt. Ich kletterte mit vieler Mühe die 25 Fuß tiefe Schlucht, deren Grund bis auf den Glimmerschiefer hinunterging und suchte darin abwärts eine lange Strecke, aber ich fand nichts; nicht den kleinsten Theil eines Knochens, kein Schenkelbein, kein Armstück und noch viel weniger einen Wirbel; alles war verschwunden; für mich hatte nur der leere Panzer übrigbleiben sollen. Aber auch den mußte ich stecken lassen. Das Erdreich umher war so fest und zähe, daß es nur mit der Hacke sich unter großer Arbeit etwas entfernen ließ, und wie wir es entfernt hatten und den Panzer näher lösen wollten, brach derselbe alsbald in Stücke. Es wiederholte sich die gewöhnliche Geschichte; die Knochenreste waren zu mürbe geworden, um sich heil herauslösen zu lassen; sie hielten zusammen, so lange das feste Erdreich sie umgab, aber zerfielen in Trümmer, sobald man diese ihre Stütze entfernt hatte.[S. 85]

Bei einem zweiten Versuch glaubt sich Dr. Burmeister seinem Ziel schon ganz nahe, doch leider unterliegt er wie sein fiktives Abbild Dr. Morgenstern zunächst einer Täuschung. Möglich, daß diese kleine, kurzzeitige Fehldeutung May zu der etwas längerfristigen irrigen Ansicht Morgensterns inspirierte:

Der Abend war unter lebhaften Gespräch über die Cabeza de Gigante vergangen; man sagte, daß hart am Wewge, gleich unter der Mühle, ein anderer Riesenkopf liege, der wirklich Zähne hatte; es wurde also verabredet, den morgen noch zu untersuchen-. Wir traten zu dem Ende unsere weg möglichst zeitig an, begleitet von dem Sohne des Hauses und zwei Jungen mit Hacke und Spaten bewaffnet, welche den Schatz heben sollten. Es ging auf der früheren Straße zwischen Felsengraten an steilen Gehängen zur Mühle zurück und hinter ihr bis in den Kessel an der östlichen Seite des Flusses, welchen ich auf der Hinreise erwähnt habe. Mitten durch denselben, der auch nichts anderes als eine Cometierra ist, führt ein Arrow feco und darinlag die Cabeza dicht unter der Oberfläche; es wurde eingeschlagen und schon nach wenigen Hieben erschien der scharfe rand eines Knochens, der stumpfkantig gezackt war. Hier sind die Zähne, rief man mir zu; ich trat heran und fand in der That Gebilde, die den Kronen der Schweinszähne nicht unähnlich sahen; ich glaubte anfangs selbst, die Zahnreihe eines in der Tiefe steckenden Schädels vor mir zu haben. Grabt weiter, rief ich, es scheint der Mühe wert zu sein, und alsbald förderte man die Arbeit; aber auch hier wurde ich schnell enttäuscht, nachdem etwa ein Eimer voll Erdreich entfernt war, sah ich, daß die vermeinte Zahnreihe der scharfe Rand eines Glyptodon-Panzers war, der auf den eigenthümlichen, halbkreisförmigen Randschildern einen Belag kleiner, beweglicher, stumpfdreieckiger Anhängsel trug, die manchen Zähnen täuschend ähnlich sehen. Damit war zwar eine kleine Entdeckung gemacht, denn diese Eigenschaft des Glyptodonpanzers kannte man bisher nicht, aber ein großer Fund war es immer nicht; ich überzeugte mich deutlich, daß auch hier ein ganzer, wohlerhaltener Panzer, dessen offene Bauchseite nach oben lag, in der Tiefe steckte, und ließ mißmüthig das Loch wieder zuwerfen, um ihn vor späterer ruchloser Zertrümmerung zu bewahren, nur in paar Randzacken mit mir nehmend. Meine Begleiter waren zufrieden gestellt, und ich zum zweiten mal belehrt, daß man am besten thut, Aussagen der Leute nicht für das zunehmen, was sie besagen; denn auch hier hatte ich keine Zähne, die mir so bestimmt verheißen waren, gefunden. [Dr. Hermann Burmeister: Reise durch die La Plata-Staaten, 2. Band, S. 86/87]




1-mal bearbeitet. Zuletzt am 17.09.05 13:50.
Re: Von Santa Fe aus durch die Pampas: Mit Dr. Morgenstern und Dr. Burmeister auf Glyptodon-Suche
15. September 2005 19:40
Quote

Dieser letzte Satz, in dem Professor Burmeister vorkommt, wurde leider von den Bearbeitern gestrichen, so daß er sich in der heutigen Ausgabe nicht mehr findet.

> in der heutigen Ausgabe

In EINER der heutigen Ausgaben. Bei WELTBILD stehen alle Sätze, die hineingehören, noch drin.

Hoffentlich auch eines Tages wieder in der Ausgabe des KMV. Dessen Bücher sehen viel schöner aus als die von Weltbild.

winking smiley
Re: Von Santa Fe aus durch die Pampas: Mit Dr. Morgenstern und Dr. Burmeister auf Glyptodon-Suche
16. September 2005 07:54
Moin,

vielleicht macht es ja Sinn, den hier aufgenommenen Auflagen solche Informationen beizugeben. Man könnte sich damit auf die Auflage beschränken (durch die Auswahl von klassischen "Änderungsstellen") oder aber tatsächlich den Band/Text selbst mit solchen Info's zu spicken. Der Weg über die Rezensionen ist etwas mühsam, wenn man nach einem bestimmten Band mit speziellen Inhalten sucht, die in KMV oder noch extremer bearbeiteten Ausgaben nicht mehr zu finden sind.

Frank P.
(Nicht präsent im Kürschner: Deutscher Literatur-Kalender)
Re: Von Santa Fe aus durch die Pampas: Mit Dr. Morgenstern und Dr. Burmeister auf Glyptodon-Suche
16. September 2005 15:43
Ich fürchte nur, daß eine Vergleichlesung im Detail, was in welcher Auflage vorhanden oder gestrichen worden ist, erst einmal einen geduldigen Freiwilligen braucht. Eine Information wie die obige fällt ja eher sozusagen am Rande mit ab.

Übrigens sind die bisherigen Textauszüge aus dem Burmeister-Band noch längst nicht alle, die May verwendet hat. Kosciuszkos Hinweise sind da leider mehr als dürftig, er hat sich bei seinen Artikel offenbar mehr auf "El Sendador" konzentriert.

Mehr dazu morgen hier an gleicher Stelle.
Re: Von Santa Fe aus durch die Pampas: Mit Dr. Morgenstern und Dr. Burmeister auf Glyptodon-Suche
16. September 2005 16:00
Das soll ja auch nicht militärisch durchgeführt werden. Aber wenn solche Tatsachen auftauchen, sollte man sie vieleicht einfach beim Band ablegen können.


Frank P.
(Nicht präsent im Kürschner: Deutscher Literatur-Kalender)
Re: Von Santa Fe aus durch die Pampas: Mit Dr. Morgenstern und Dr. Burmeister auf Glyptodon-Suche
16. September 2005 16:13
> Das soll ja auch nicht militärisch durchgeführt werden.

Das freut mich. (Ein Hacker im internen Forum ?)

grinning smiley

> Aber wenn solche Tatsachen auftauchen, sollte man sie vieleicht einfach beim Band ablegen können.

Man könnte fast zu jedem Band der ?Gesammelten Werke? einen Sonderband oder zumindest eine Broschüre herausbringen, was das betrifft (wollte man alle Änderungen berücksichtigen). Ich mache nur Stichproben, und finde alle Nase lang irgendwas. Habe entsprechende Beobachtungen und Beispiele in Rezensionen zu den GW einfliessen lassen, dort soll es ja um den jeweiligen Band gehen.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 16.09.05 17:55.
Re: Von Santa Fe aus durch die Pampas: Mit Dr. Morgenstern und Dr. Burmeister auf Glyptodon-Suche
17. September 2005 14:35
»(...) Ich habe ja das Buch Excursion au Rio Salado et dans le Chaco, par Amédée Jacques gelesen.«
»Ich kenne dieses Buch nicht und brauche es nicht zu kennen, denn ich weiß, daß das Lesen eines Buches einen Menschen, selbst den gelehrtesten, noch lange nicht befähigt, die Entbehrungen und Gefahren zu bestehen, welche Ihrer warten. (...)«
(Das Vermächtnis des Inka, auch in KMV-Fassung :-)

Wenn Dr. Morgenstern ? und mittels dieser Figur natürlich auch Karl May selber ? hier besonders belesen erscheint, da er scheinbar ein französisches Buch im Original gelesen hat, so ist dieser Eindruck falsch. Tatsächlich hat Burmeister in seinem Buch einen hauptsächlich auf Jacques Bericht basierenden Einschub über den Rio Salado untergebracht. May brauchte sich also nicht etwa direkt beim Franzosen bedienen, sondern fand dessen Eindrücke fix und fertig übersetzt vor. Burmeister liefert freilich keine wörtliche Übersetzung, sondern eine Überarbeitung von Jacques Bericht:

(...) unterhalb El Brancho tritt er [= der Rio Salado] in eine sumpfige Niederung, welche sich weithin ausbreitet und das eigentliche Flußbett unkenntlich macht. Hier und insbesondere weiter abwärts, unter der sumpfigen Gegend, die bis Sandia-Paso reicht, werden die Ufer unsicher, wegen räuberischer Anfälle der Inder von Gran Chaco, der Gouverneur Taboado bot deshalb die ganze bewaffnete Macht der Hauptstadt auf zu Begleitung der reisenden und beorderte als Sammelplatz El Brancho, von wo aus abwärts die Truppen neben dem Boot herziehen sollten. Dieser Landexpedition schloß sich Hr. Amadée Jacques, gegenwärtig Director das Collegio in Tucuman, an, und ihm verdanken wir eine lebendige Schilderung seiner Erlebnisse auf dieser zugleich als Razzia gegen die Indier angelegten Expedition. Ich entnehme dem Bericht des mir persönlich befreundeten Gelehrten die nachstehenden, durch einige weitere Angaben von Page und Murdaugh ergänzten Mittheilungen *). ? [S.24/25]

*) Excursion au Rio Salado et dans le Chaco, par Amédée Jacques. Paris 1857. 8. (Extr. D. I. Revue de Paris 1 & 15 Mars 1857.) Petermann? s geogr. Mitth. 1856. S 229 ? In Beug auf die Berichte von Page und Murdaugh verweise ich auf Petermann? s geogr. Mitth. 1857. S 404

Vermächtnis »Wir müssen heut noch bis Fort Tio kommen, und das sind wohl noch hundert Kilometer. Nur in diesem Falle können wir die Laguna Porongos bis morgen abend erreichen. Ich reite weiter!«

Während die Laguna (de los) Porongos ein reales - und noch dazu ziemlich großes - Gewässer ist, könnte Fort Tio eine Erfindung Mays sein. Die Beschreibung desselben entlehnt er jedenfalls der Darstellung von Jacques eines wesentlich weiter nördlich am Mittellauf des Rio Salado gelegenen Forts in Brancho:

Burmeister: In Brancho befindet sich ein kleines Fort, mit einer Kanone und zehn Mann Besatzung, zur Vertheidigung gegen die Indier; ein Wall kräftiger Pallisaden umgiebt ein Viereck, mit Graben und lebendigem Cactuszaun, an dessen einer Seite, nach Osten, auf hoher Unterlage von Erde, die Kanone steht, mehr als Signal von Wichtigkeit, zur Warnung der benachbarten Bevölkerung, als zur Vertheidigung; da die Indier nie einen Kampf in der Nähe Mann gegen Mann wagen, sondern nur aus der ferne hinter Verstecken den Gegner zu erlegen suchen, oder den einzelnen in Masse überfallen. Jeder Soldat besitzt innerhalb der Befestigung einen Rancho, und um dieselbe hat sich bereits eine ansehnliche Bevölkerung gesammelt, die hier, in der Nähe des Waffenplatzes; vor der Ueberrumpelung der Indier sich sicher glaubt.
[S. 26]

Daraus macht May dann: Unter einem Fort an der argentinischen Indianergrenze darf man sich nicht das denken, was man hier bei uns unter einem Fort versteht. Fort Tio bestand aus einer von dichten, stachelichten Kaktushecken eingefriedigten Fläche, welche von einem Graben umgeben war. Auf dieser Fläche standen einige Ranchos, in denen jetzt wohl zwanzig Soldaten lagen, deren Kommandeur ein Lieutenant war. Der Eingang stand weit offen. Als die drei Männer hineinritten, kam ihnen dieser Lieutenant entgegen. (...)
Die Soldaten besaßen Pferde und Rinder, welche sie am Tage im Freien weiden ließen und abends in das Innere des Forts trieben. Die Rinder gehörten mit zur Verproviantierung des Ortes.

Im Gespräch Dr. Morgensterns mit dem Offizier von Fort Tio wird dann eine besonders geheimnisvolle und gefährliche Gegend erwähnt: »(...) Jenseits des Rio Salado kommen Sie in Montes impenetrabiles sin agua, in die undurchdringlichen und wasserlosen Waldungen. (...)« Burmeister erwähnt hingegen nur den undurchdringlichen Gran Chaco [S. 23], die Montes impenetrabiles sin agua, die lediglich das westliche Grenzgebiet des Chaco darstellen, dagegen nicht. Dafür aber sind diese Montes auf der dem 2. Band beigefügten Karte (siehe am ende des Eintrages) verzeichnet, dort dann auch tatsächlich mit dem Zusatz undurchdringliche Waldung. Karl May setzte dieser Translation noch ein wohl eigenmächtig übersetztes wasserlos hinzu.

Burmeister erwähnt den Gran Chaco auch kurz in der Schrift, Die Südamerikanischen Republiken Argentina, Chile, Paraguay und Uruguay, 1875?, dem ?Ergänzungsheft No. 39 zu Petermann?s ?Geogarphischen Mittheilungen?, aus dem auch der im ersten Beitrag des Threads eingefügte Kartemausschnitt stammt. Dort geht Burmeister dann auch explizit auf die Wasserarmut dieses Landstriches ein: Neben ihr [= der Sierra Lumbrera] beginnt nach Süden die waldige, aber trockene Ebene des Gran Chaco, welche fortan den Rio Panará bis in der Nähe der Rio Salado-Mündung begleitet. Zwischen ihr und der des Rio Vermejo erhält der Paraná keinen größeren Zufluss, das ganze Land zwischen beiden ist wasserarm und darum bis jetzt der Europäischen Ansiedlung unzugänglich geblieben.

Karl May dürfte freilich diese neuere Abhandlung Burmeisters bei der Niederschrift des ?Vermächtnis des Inka? nicht zur Verfügung gestanden haben. Bei drei weiteren, dabei jeweils nur im Singular gesetzten Erwähnungen des Monte impenetrabile hat May dann übrigens auf den Zusatz sin agua und also auch auf eine deutsche Übersetzung desselben verzichtete:]

Vermächtnis (Anfang: El Hijo del Inka/): Ungefähr zwanzig Kilometer im Norden von der Stelle, an welcher sich das soeben Erzählte ereignete, liegt jenseits des Rio Salado die Laguna Tostado. Der schon erwähnte Monte impenetrabile, d.i. undurchdringliche Wald, schickt seine Ausläufer bis an das Ufer der Lagune.

Cordilleren: (...) am nächsten Tage gab es Urwald, aber nicht den undurchdringlichen Urwald des Monte impenetrabile, sondern lichten, gut passierbaren Wald, dessen Stämme weit auseinander standen.

Cordilleren: In ihrer Nähe und in derjenigen der Flüsse giebt es Waldungen, welche kaum zu durchdringen sind. Der spanisch sprechende Einwohner nennt sie Monte impenetrabile, undurchdringlichen Wald.

Doch zurück zu dem Gespräch mit dem Offizier. Darin werden auch kurz die Gefahren erwähnt, die durch die Indianer ausgehen: »(...) Wir müssen ihnen [= den Indianern] zu bestimmten Zeiten einen Tribut - wir nennen es freilich Geschenk - an Pferden, Rindern und Schafen geben, damit sie unsre Herden nicht lichten und uns unsre Tiere nicht stehlen. Dennoch kommen sie häufig über die Grenze, und treiben uns das Vieh zu Hunderten von Stücken weg. Dabei nehmen sie auch Menschen gefangen und schaffen sie nach dem Chaco, um sie nur gegen Geld freizugeben. Sie kommen dann ganz offen in unsre Städte und zu unsern Behörden, um das Lösegeld zu fordern.« - »So gebt es ihnen nicht, sondern bestraft sie!« - »Das geht nicht, Señor. Würden wir einen solchen Boten von ihnen züchtigen, so wären die weißen Gefangenen, um welche es sich handelt, verloren. Wie nun, wenn Sie auch von ihnen festgenommen werden?«

Karl May hat hier nur angedeutet, was bei Burmeister & Jacques einen relativ breiten Raum einnimmt. Die Indier ? wie sie von Burmeister genannt werden ? werden dabei allesamt als gewissenlose Räuber, Mörder und Entführer dargestellt: Jacques theilt am Ende seines Aufsatzes authentische Actenstücke mit, aus denen hervorgeht, daß im Verlaufe von anderthalb Jahren, von April 1854 bis August 1855, allein aus der Provinz Santiajo del Estero 66 Personen von den Indiern getödtet und 47 geraubt worden sind. (...) ich selbst habe bei der Ankunft von Mendoza, den 12. Mai auf der Station Barancas, eine Bande Indianer, 10 Köpfe stark, getroffen, welche 7 geraubte Frauenzimmer bei sich hatten und damit nach Rozario zogen, um sie in Geld umzusetzen. Die Centralregierung kauft nämlich diese gefangenen den Indiern ab, um sie ihren Familien oder, wo die nicht mehr existiren, einer besseren Lebensweise zurückzugeben; aber dies Verfahren macht die Indier nur noch raublustiger, weil es ein leichtes Mittel ist, Geld zu beschaffen. ? Die Regierung sollte die Indier festnehmen und todtschießen lassen; das wäre besser, als ihnen ihre Schandthaten noch mit Geld zu bezahlen: Von zeit zu Zeit werden immer wieder Verträge mit denselben geschlossen, um diese menschen durch glimpfliche Behandlung zu einem friedlichen Verkehr zu veranlassen; man liefert ihnen Vieh, Kleidungsstücke und Geräthschaften, damit sie Ackerbau treiben und an feste Wohnsitze und erworbenes Eigenthum sich gewöhnen; aber das hilft stets nur auf kurze zeit; bald haben sie die erhaltenen Gegenstände verbraucht und kommen wieder um neue Forderungen zu stellen, und neue Gaben der Gutmüthigkeit oder der Schwäche zu ertrotzen.

Leider ist es auch so, daß der auf paläontologischen Gebiet sicher verdienstvolle Burmeister sich dann in völlig inakzeptabeler Weise gegenüber den Ureinwohnern äußert. Zunächst wirft er den Indiern vor, daß daß sie sich nicht von dem Grundgedanken los machen, daß die Gegnstände statt Einzelnen Allen gehören, und jedesmal demjenigen als Eigenthum zu Gebote stehen, der danach greifen und sie sich aneignen könne. Das die Europäer dies selber im großen Stil betreiben, indem sie das Land für sich beanspruchen und den Indianer wegnehmen, scheint Burmeister dabei freilich keine moralischen Kopfschmerzen zu machen. Ansonsten dürfte er nicht nur den Indianen allein vorwerfen, daß diese auf der tiefsten Stufe der menschlichen Gesellschaft stehen und nie auf eine andere kommen werden, weil sie den Werth der Gesellschaft wirklich nicht begreifen wollen. Schließlich zeigt sich Burmeister gar als Verfechter eines Völkermordes: Gegen die Indier giebt es nur ein Mittel, ihre Vernichtung; - man soll sich nicht mit philantropischen Gedanken gegen Leute herumtragen, die davon keinen Begriff haben, sondern alle Nachgiebigkeit für Schwäche auslegen, man soll sie ausrotten und eine bessere Nationalität an ihre Stelle setzen. Wenn man derartigen rassistischen Müll liest, wird man mal wieder daran erinnert, daß die Deutschen von den Nazis und ihre Ideologie nicht wie durch eine ungewollte Epidemie angesteckt wurden, sondern daß derartige abartige Ideologien schon lange Zeit in der Mitte der Gesellschaft geschwelt und gezündelt haben.

Doch reiten wir weiter durch die Pampa:


Vermächtnis: Bald wurde das Gras saftiger und der Boden weicher als bisher. Im Norden zeigten sich einzelne Bäume, ein sicheres Zeichen, daß man sich an der Laguna Porongos befand. Dieser Name bedeutet soviel wie See oder Sumpf der wilden Zitronenbäume, und solche Bäume waren es, welche man jetzt vor sich hatte. Die Sonne stieg eben hinter dem Horizonte hinab, als die drei Reiter das Wasser der Laguna vor sich glänzen sahen.

Für die wilden Zitronenbäume habe ich bislang keinen Burmeister-Quelltext gesichtet, möglicherweise hat May hier auch selber eigenmächtig und falsch übersetzt, denn einer Internetsuche nach handelt es sich bei Porongos wohl eher um eine Kürbisart bzw. den daraus hergestellten Trinkgefäßen.

Vermächtnis: Die Reiter befanden sich auf der östlichen Seite der Laguna, in welche von Osten her der Rio Dulce fließt. Dieser Name wurde dem Flusse gegeben, weil er ein wohlschmeckendes, süßes Wasser führt. Nachdem er aber durch die Salzwüste geflossen ist, hat er so viel Salz angenommen, daß sein Wasser im untern Teile seines Laufes ungenießbar geworden ist.

Hier findet sich ein entsprechender Quelltext Burmeisters erst im mittleren Teil des 2. Bandes: (...) Rio Dulce: Er ist zugleich die Grenze zwischen der Provinz Tucuman und der von Santiago del Estero bis dahin, wo er wieder nach Süden sich wendet und in dieser Richtung die letztere Provinz bis gegen Santa Fe hin durchströmt, hier in die große Laguna de los Porongos sich ergießend. Diese untere Strecke nennt man Rio Saladillo, weil das Wasser des Flußes, durch Auslaugung des salzreichen Bodens, einen schwach salzigen Beigeschmack bekommt.

Allerdings könnte man diese Aussage z.B. auch aus der Karte oder Lexikonartikeln gewinnen: Rio Dolce (Rio Dulce), Fluß in der Argentinischen Konföderativn, entspringt im Staate Tucuman, am Ostabhang des Andeshochlandes, fließt südöstlich und verliert sich nach einem Laufe von 590 km in der Salzlagune de los Porongos. [Meyers Komnversationslexikon, 4. Auflage 1888-1889]

In der HKA ? sowohl in der Buch- wie auch der CD-Rom-Ausgabe ? liest man nachfolgend im Text dann einen dicken Lapsus. Da heißt es: Diesen zu Rate ziehend, sah er, daß die Fährte eine immer mehr örtliche Richtung nahm. Sie lief nicht mehr nach Nordost, sondern schon nach Ostnordost. Statt örtlich müßte da natürlich östlich stehen.

Nun folgen drei ?Pasos?, die May wiederum jeweils nur von der Karte abgelesen hat, denn obgleich diese am unteren Laufe des Rio Salado gelegen sind, werden sie weder von Burmeister noch seinen Gewährsmänner Jacques & Co. erwähnt: »Wenn ich mich nicht irre, so reiten wir auf diejenige Gegend des Rio Salado los, in welcher Paso de las Cañas oder gar Paso Quebracho liegt.«

Auch den nächsten Wald hat May lediglich auf der Karte gefunden: »Auf diese Weise kommen wir nach dem Monte de los palos Negros, und von dieser Waldung habe ich gehört, daß sie fast undurchdringlich ist. Hätten wir uns vorher mehr links gehalten, so würden wir bis zum Rio Salado und noch darüber hinaus stets freies, offenes Land haben.«

Tatsächlich offenbart die Karte nordöstlich des Rio Salado eine waldfreie Lücke zwischen dem ?Monte impenetrabile sin agua? und dem weiter südwestlich gelegenen ?Monte del Lobo?. Der ?Monte de los palos Negros? liegt nun dieser Lücke vis-á-vis südlich des Rio Salado. Will man ?waldfrei? zu dieser Lücke gelangen, so muß man dieses letztgenannte Waldgebiet westlich oder östlich umgehen.

Die nächste von Jacques bzw. Burmeister übernommene Textpassage ist die zweite von Kosciuszko notierte Stelle (Stichwort: Dichter Wald):

Vermächtnis (in: Ein Pamparitt): Der Wald war sehr dicht. Er bestand hier an dieser Stelle aus Quebrachos, hohem Kaktus, Mistol, Chañars, Vinals und andern Leguminosen. Zwischen den ersten Bäumen drang ein Quell aus dem Boden und floß vielleicht zehn Ellen weit in eine Vertiefung, wo er einen kleinen, hellen Weiher bildete.

Burmeister: Die Gegend von Matará nach Gramilla und Brancho ist waldig, der Wald besteht aus Quebrachos, hohen Caktus, Mistol, Chañars, Vinals und andern Leguminosen und versteckt den Fluß, wenn man zu Lande reist , vollständig; er gewährt stellenweis einen schönen, wenigstens malerischen Anblick, wenn die hohen Cactus halb mit Schlingpflanzen bewuchert sind und die großen Nester der Lecheguahna (eine Art Chartergus) daran hängen. [S. 26]

Übrigens hatte sich May dieser Textstelle schon für Sendador II/Cordilleren bedient, hier übernahm er gar noch den Nebensatz mit dem Anblick, denSchlingpflanzen und den Vogelnester Burmeister: Die Wälder, durch welche oder an denen wir vorüber kamen, bestanden meist aus Quebrachos, Mistols, Vinals, Channars und sehr hohem Kaktus. Einen schönen Anblick gewährte es, wenn diese Bäume von Schlingpflanzen überwuchert waren, in denen zahlreiche Vogelnester hingen.



[Ausschnitt aus der dem 2. Band von Burmeisters ?Reise durch die La Plata-Staaten? beigefügten Karte. Diese ist ? wie auch die in der obigen Santa-Fe-Vergleichlesung - freilich nur für eingeloggte User, nicht aber für Besucher sichtbar]

Mit den Eintritt in den Grand Chaco verläßt May nun das damals erforschte Gebiet. Die zeitgenössischen Karten zeigen hier größtenteils weiße Flächen. Und so ist es ein Leichtes für May, diese Gegenden mit selbsterfundenen Orten und Geländeprofilen zu bereichern, lediglich die Laguna honda ist echt:

»Ja. Es war ein See, Lago de los Carandayes, also Palmensee jeheißen. (...) [Und] Es waren lauter Quellen, vier Stück (...) Die erste war die Fuente de los pescados, die zweite die Fuente de las sanguijuelas, die dritte die Fuente de los crocodilos und die vierte die Fuente gemela.« (...)
»Sie selbst kennen eine von diesen Quellen. Sie haben da, wo Sie nach der Schildkröte gruben, viel Fische gefangen. Sie waren an der Fuente de los pescados, an der Fischquelle. Die zweite liegt jenseits des Waldes in der Nähe des Lago honda; das Bassin, in welches sie fließt, ist voller Blutegel; daher ihr Name. Die dritte fließt am Ende der undurchdringlichen Waldung in eine Sumpflagune, welche voller Krokodile ist, und die vierte besteht aus zwei Einzelquellen, welche sich bald nach ihrem Austritte vereinigen, daher der Name Zwillingsquelle. Jede dieser Quellen ist von der andern anderthalb Pferdetagereisen entfernt, und sie liegen in einer schnurgeraden Linie. Wenn man diese Linie nach Nordwest verlängert, muß man unbedingt an den Palmensee kommen (...)«

Außerdem läßt sich May noch von der westöstlichen Kette der verlassenen Ansiedelungen inspirieren, die auf der Karten inmitten des Gran Chaco zu sehen ist. In einer derartigen, der frei erfundenen Ansiedelung der Niedermetzelung, suchen Vater Jaguar und seine Gefährten Schutz vor einem Unwetter: »(...) Wir werden reiten, und wenn wir uns beeilen, werden wir uns noch vor dem Ausbruche des Hurricans in Sicherheit befinden.« - »Wo soll unser Zufluchtsort sein?« - »Im Asiento de la mortandad.« - »Welch ein schlimmer Name. Ich habe ihn noch nie gehört, weil ich in dieser Gegend noch nicht über die Zwillingsquelle hinausgekommen bin. (...)«

May erklärt dann noch weiter: Solche Ansiedelungen hat es im Gran Chaco früher viele gegeben. Man stößt noch heutigen Tages auf die Trümmer derselben. Die Weißen kamen in das Land der Roten, setzten sich in demselben fest und benahmen sich als rechtmäßige Eigentümer, ohne an die Zahlung eines Kaufpreises oder an sonst eine Entschädigung zu denken.

Diese "Ansiedelungen" werden übrigens wie auch der Rio Salada auch im Roman El Sendador II/In den Cordilleren thematisiert:

»Jenseits des Parana, zwischen dem Rio Salado und dem obern Laufe des Rio Vivoras.«
»Giebt es dort nicht eine Reihe verlassener Ansiedelungen?«
»Ja. Es waren vor langer, langer Zeit Weiße eingewandert, welche sich aber nicht halten konnten - der - der - Indianer wegen, die sich feindlich gegen sie verhielten. Die Weißen haben fortgemußt, und ihre Häuser sind zerfallen. Jetzt kommen abermals welche, um uns aus unserm Reviere zu vertreiben. Sollen wir gehen, ohne uns gewehrt zu haben?«
»Was wollen diese Leute dort? Es giebt doch anderwärts Land genug, welches bequemer liegt und weit fruchtbarer ist. Warum ziehen sie gerade jene Gegend vor, welche zu dem wilden Gran Chaco gehört?«
»Dasselbe sagen und fragen auch wir. Es giebt so viel Platz, daß man uns in Ruhe lassen kann.«
»Was für Leute sind denn diejenigen, von denen Sie sprechen?«
»Sie sind teils aus Buenos Ayres herauf- und aus Corrientes heruntergekommen. Ihre Anführer sind ein nordamerikanischer Ingenieur und der Bevollmächtigte eines Bankiers in Buenos. Sie wollen den Rio Salado tiefer und breiter machen, damit Dampfer denselben befahren können. Ist das geschehen, so wollen sie in dem dichten Walde, welcher sich weit, weit am linken Ufer des Flusses hinzieht, Bäume fällen und Yerba1 sammeln lassen, um beides auf dem Salado in den Parana gehen zu lassen und sich viel Geld zu verdienen.«

Tatsächlich dreht sich das ganze Rio-Salado-Kapitel von Burmeister, aus dem hier hauptsächlich zitiert wird, um die zentrale Frage, ob und wie der Fluß schiffbar gemacht werden könnte. Dabei ist die Wirklichkeit gar nicht so weit entfernt von Mays nordamerikanischen Ingenieur und dem Bevollmächtigten eines Bankiers in Buenos Ayres gewesen: Aber [Don Estevan] Rams [ein in der Hauptstadt Paraná ansässiger reicher Kaufmann und Grundbesitzer] gab nicht nach, Er machte stets neue Versuche und engagierte endlich den Staats-Ingenieur von Buenos Aires, Hrn. Coghlan, zu einer eigenen ganz genauen Untersuchung des Flusses, welche das Endergebniß seiner Unternehmung feststellen sollte. Hierüber gab er einen öffentlichen, von einer Charte das Rio Salado begleiteten Bericht heraus und sandte verschiedene Agenten ins Land, eine Actiengesellschaft zu bilden, um mit deren Hülfe die sichere Schiffbarmachung des Flusses zu bewerkstelligen. [S. 35]

May geht in seinem Roman Sendador II/ Cordilleren dann nochmals auf diese Schiffbarkeits-Thematik ein: Die Absicht, in welcher diese Expedition unternommen wurde, war keineswegs eine neue. Schon früher hatten Nordamerikaner und auch andere den Rio Salado befahren, um zu begutachten, ob derselbe besser schiffbar zu machen sei. Es waren bedeutende Summen auf diese Untersuchung verwendet worden, doch hatte man stets nur ein negatives Resultat erzielt. Ob der Erfolg jetzt ein besserer sein werde, war wenigstens zu bezweifeln.

Dazu sei zum Vergleich exemplarisch der Anfang und das Ende von Burmeisters Bericht zitiert: Den ersten Versuch, den Rio Salado zu befahren, machte, im Auftrage seiner Regierung, der Nord-Amerikanische See-Officier Lieutnant Page im Jahre 1855 auf einem Dampfboot (...) [S. 23] - sowie: (...) ? ich glaube nicht, daß die Beschiffung des Rio Salado jemals zu einem regelmäßigen und unbehinderten Verkehrswege sich gestalten werde. ? [S. 41]

Im Gegensatz zum Vermächtnis übernahm May in Sendador II/Cordilleren sogar von Burmeisters Karte die Namen aller verlassenen Ansiedelungen:
»(...) Können Sie uns die Ansiedelungen beschreiben?«
»Sehr leicht. In diesen Gegenden baut einer wie der andere, und sodann hat die Natur alles gethan, sie einander ähnlich zu machen, indem sie alles mit Pflanzen überwucherte.«
»Also sind die Häuser unbewohnbar geworden?«
»Vollständig; sie sind zerfallen. In Zeit von einigen Jahren ist alles verfault und zerbröckelt, und die Schlingpflanzen legen ihre dicke Decke darüber hin.«
»Hatten diese Ansiedelungen ihre bestimmten Namen?«
»Das versteht sich ja von selbst. Man läßt hier keinen einzelnen Rancho ohne Namen, viel weniger aber eine ganze Siedelung. Sie lagen nicht weit voneinander in der Nähe des Lago Honda und hießen, glaube ich, Pozo de Sixto, Pozo de Quinti, Pozo de Campi, Pozo Olumpa und Pozo Antonio. Es sind noch andere da, deren Namen ich aber vergessen habe. Es ist ein ganz eigenartiger Eindruck, den so ein verlassener und von blühenden Schlinggewächsen überwucherter Ort auf den Menschen macht. Man meint, vor einem riesenhaften Grabe zu stehen, und trotz des Duftes, welcher den Blumen entströmt, hat man den Geruch von Fäulnis und Moder in der Nase. Warum die Glieder der Expedition gerade dorthin wollen, das kann ich nicht begreifen.

Einen der Orte erreichen Charley und seine Gefährten dann auch:
Wir waren den Wagenspuren gefolgt und gelangten nun an den Ort, wo die Leute gehalten hatten. Wir sahen die Spuren zerfallener Bauwerke, welche die Zeit in einen dichten Ueberzug von Schlingpflanzen gehüllt hatte. Dicht belaubte Bäume neigten ihre Wipfel darüber. Zur Seite erblickten wir die Spuren einiger Felder, welche aber so verwildert waren, daß ein scharfes Auge dazu gehörte, zu erkennen, daß hier einst der Spaten in Gebrauch gewesen sei. Der Ort hatte und machte den Eindruck tiefster Verlassenheit. Auch von den Leuten, welche hier gewesen waren und die wir suchten, war keiner zu sehen.
Wir bemerkten, daß die Ochsen ausgespannt worden waren, um zu grasen; aber der Aufenthalt war kein langer gewesen. Man hatte Pozo de Sixto bald wieder verlassen, und zwar nach verschiedenen Richtungen, wie die Fährten deutlich erkennen ließen.

Lueles, ein kleiner Ort zwischen Tucuman und Catamarea: Die ersten Wohnstellen waren elende Ranchos, Lehmhütten aus Holzstäben gebaut und mit Erde bekleidet, ganz wie es im Lande Gebrauch ist; aber die Ecksäulen und Träger sind keine behauenen geraden Balken, sondern rohes Rundholz, knorrig und gebogen, wie es in der Wildniß aufgewachsen, ohne jede Zurichtung, als daß die Rinde abgeschält worden. Von breiten Schilfdächern überragt, machen diese Wohnungen einen ebenso armseligen Eindruck. Bald hinter den Hütten liegt die ziemlich große Kirche des Ortes, ein altes, jetzt verfallenes Gebäude aus Spanischer Zeit, ohne Thurm, aber mit einem hölzernen Glockenstuhl zur Seite, welcher mir dem Einsturz nahe schien. Schon lange Zeit hatte ich das hohe Haus aus meinem Fenster im Manantial gesehen, weil es sich beträchtlich über seine nächsten Umgebungen erhebt, aber ich hatte es auch für viel besser gehalten, als ich es nunmehr antraf; Schlingpflanzen umrankten oder zerbrachen sein Gemäuer, und die ehemals von Mönchen bewohnten Nebengebäude waren in nicht viel besseren Zustande, alles schien verlassen und im Innern zerstört zu sein. [S. 182/183]




4-mal bearbeitet. Zuletzt am 28.09.05 16:11.
Re: Von Santa Fe aus durch die Pampas: Mit Dr. Morgenstern und Dr. Burmeister auf Glyptodon-Suche
28. September 2005 16:20
Mich interessieren die allgemein geographischen und ethnographischen Verhältnisse eines Landes. Auf andere Betrachtungen lasse ich mich niemals ein.«
[Karl May: El Sendador I/Am Rio de la Plata]

Wenn, wie oben angedeutet, Karl May bei der Beschreibung von Flora, Fauna und Geographie des Gran Chaco eine recht freie Hand hat, weil er sich nicht auf Quelen stützen kann bzw. muß, so bleibt dennoch sein Bestreben erkennbar, in die weiße Flecken der Chaco-Landkarte keine gänzlich unwahrscheinliche Welt hineinzusetzen, auch wenn das Amazonenreich der Tobas in Sendador II/Cordilleren natürlich schon einen utopischen Charakter hat. Die Beschreibungen der Botanik jedenfalls sind zumeist unspezifischer Natur, wenn von Waldungen, Steppen oder Wüsten die Rede ist, geht May also nur selten in Detail, an ein paar Textstellen hat May gleichwohl aber auch auf konkrete Benennungen einzelner Gewächse nicht verzichten wollen, eine davon hat Kosciuszko in seinem Artikel noch benannt:

Ombu-Baum Vermächtnis/171 f. Burmeister I. S.95

Vermächtnis: Der Ombu (Phytolacca dioeca) ist ein mächtiger Baum, dessen Blätter mit denjenigen des Maulbeerbaums große Aehnlichkeit haben. Das merkwürdigste an ihm ist sein Stamm, ein dicker Holzkörper vom Umfange einer mächtigen Eiche, der sich nach unten schnell ausdehnt und in gewaltige Wurzeläste teilt, die in Windungen eine Strecke über der Erde fortlaufen und erst dann in den Boden eindringen. Auf diese Wurzeln setzt man sich, wenn man den Schatten benutzen will, welchen die weit ausgebreitete Krone spendet. Aber dieser kolossale Stamm hat ein so lockeres Holz, daß es, wenn man hineinstößt, wie Zunder bricht. Darum ist der Ombu zu nichts zu gebrauchen, denn sein Holz ist nicht einmal zum Verbrennen tauglich. Man pflanzt ihn nur an, um einen Schattenspender zu haben.

Burmeisters Beschreibung stammt allerdings nicht etwa aus den 2. Band, in dessen Rio-Salado-Kapitel der Grand Chaco ein wenig besprochen wird, sondern aus dem Buenos-Ayres-Kapitel im 1. Band. Karl May ?verpflanzte? also den Ombu aus seiner ursprünglichen Umgebung kurzerhand an den Rand des Chaco:

Der Ombu (Phytolacca dioeca) ist ein großer, mächtiger Baum mit einfachen, herzförmigen Blätter, die mit den Maulbeerbaums die meiste Aehnlichkeit haben, aber etwas kleiner sind. Die farblosen Blumen stehen in langen dünnen Trauben, sind getrennten Geschlechtes und die ganzen Bäume ebenfalls; der eine Baum trägt bloß männliche, der andere bloß weibliche Blüthen. Das merkwürdigste an dem Baum ist sein Stamm, ein kolossaler dicker Holzkörper vom Umfange einer mächtigen Eiche, der sich nach unten schnell ausdehnt,und in gewaltige Wurzeläste theilt, die über der Erde in Windungen eine Strecke fortlaufen, und dann erst in den Boden eindringen. Darauf sitzt man, wenn man den Schatten des Baumes benutzen will. Aber dieser mächtige Stamm hat ein so lockeres Holz, daß es zu nichts sich gebrauchen läßt, wie Pappbogen liegen die Jahresringe lose um einander, und wenn man hineinstößt, brechen sie wie morscher Zunder; nicht einmal zum Brennen ist das Holz tauglich, es gibt weder Flamme noch Hitze. Der Baum kann darum gar nicht benutzt werden, man pflanzt ihn nur als Schattenbaum zur Decoration (...).

Übrigens hat Karl May bereits schon in El Sendador I/Am Rio de la Plata den Ombu eingesetzt ? und zwar ganz nach Burmeisters Vorbild als Stadtbaum: So kamen wir an Tupidos Quinta vorüber, und weiter ging es, bis die Straße eine breite Lücke zeigte, wo es kein Haus und keinen Garten gab. Wir befanden uns auf einer Blöße, die nur mit einigen hohen, stattlichen Ombu-Bäumen bestanden war.(...) Doch blieb ich schon nach wenigen Schritten stehen, denn aus dem dunklen Schatten der Ombu-Bäume lösten sich fünf oder sechs Gestalten (...)

Dabei bezog sich May jedoch auf ein anderes, kürzeres Ombu-Zitat von Burmeister, in dem er sich über die Gärten in der Umgebung Montevideos äußert: Rund um die Stadt sind im Abstande von 1-2 Stunden Landhäuser und Gärten (Quinten) in verschiedenem Styl und Geschmack angelegt (...) die älteren aus früherer Zeit sind zwar z. Th. Mit hohen stattlichen Ombu-Bäumen (Phytolacca dioeca) geziert, aber im Inneren meist sehr verwildert (...)

Neben diesem Ombu-Baum gibt es aber noch weitere Pflanzen, die May von Burmeister entliehen haben dürfte. So schreibt Bernhard Kosciuszko vorsichtigerweise ganz richtig: Die vorliegende Quellenstudie ist nicht ganz vollständig, führt jedoch die meisten und wichtigsten quellenabhängigen Stellen der Südamerika-Romane Mays an. Man kann davon ausgehen, daß alle -auch ein- oder zweisätzige - Passagen geographischer, botanischer, zoologischer und ethnographischer Schilderung, soweit sie über Allgemeines hinausgehen, entweder Zitat oder Paraphrase (zu mehr als 90 Prozent aus Burmeister und Zöller) sind.

Unglücklicherweise vermeidet Kosciuszko mit dieser unverbindlichen Formulierung aber eine konkrete Auflistung, in der eben jene kleineren Stellen zu benennen und den möglichen Quelltexten gegenüberzustellen wären. Dann würde nämlich klar, daß die ?Angabe ?Zu mehr als 90 Prozent? eine bloße [Über-] Schätzung ist, da May tatsächlich mindestens noch eine andere Textquelle benutzt hat, und zwar die 13. Ausgabe des Brockhaus von 1884/85. Dies erscheint zwar nicht zwingend bei der Erwähnung einzelner Pflanzen, wird aber überdeutlich, wenn man die beiden Beschreibungsvarianten der fünf bolivianischen Klima-Regionen ?Puna, Cabezeras, Valles & Yungas? in El Sendador und Vermächtnis mit der entsprechenden Passage im Brockhaus-Lexikonartikel vergleicht. Dazu mehr weiter unten.

Natürlich gibt es auch Überschneidungen zwischen den Informationen, die Burmeister und das Lexikon vermitteln, umso mehr als sich der Brockhaus-Artikel auch namentlich auf den Zoologie-Professor beruft:


Über dir gleichmäßigen Ebene erhebt sich selten ein vereinzelter Ombubaum (Phytolacca dioeca) bei einer Erstancia (Landgut) oder eine Gruppe verkrüppelter, stacheliger Chañars (Gonelia decorticans), oder es treten kleine Gruppen einer Palme auf, welche Burmeister Copernicia campestris nennt.

Dieser spezielle Palmentyp wird von May indessen nicht erwähnt. Im folgenden sind nun exemplarisch Textstellen zitiert, in denen May weitere Pflanzen nennt, mit denen er seinen Gran Chaco ausgestattet hat

Inka: Ich sehe trotz des Dunkels hier links einen hohen Laureliabaum, welcher mir auffiel, als wir aus dem Einschnitte kamen. (...)

Dazu gibt es noch weitere Laurelia-Fundstellen in Vermächtnis (3. El Hijo del Inka), sowie einmalig eine Laurelenwaldung (s.u.). Bei dem nächsten Zitat paraphrasiert May nun aus dem Brockhaus-Lexikon-Eintrag zu ?Gran-Chaco?. Zunächst May:

Inka: Der Gran Chaco war früher als eine sterile, unfruchtbare Gegend verrufen, und es gibt allerdings bedeutende Strecken, welche der Sandwüste Afrikas gleichen; aber wo Wasser vorhanden ist, entwickelt sich eine reiche, ja üppige Vegetation. Die Flüsse treten im November aus und setzen große Flächen unter Wasser, bei ihrem Rücktritt so viel Feuchtigkeit hinterlassend, daß sich der Pflanzenwuchs entwickeln und bis weit in die trockene Jahreszeit hinein erhalten kann. An den Ufern dieser Flüsse giebt es Wälder, welche den Urwäldern Brasiliens gleichen, und selbst in der Wüste findet man zahlreiche stehende Gewässer, welche so viele Pflanzen ernähren, daß dadurch auch die Tierwelt angezogen wird.
(...)
Um den See und an den beiden Ufern des Grabens hin zogen sich breite Ränder von Bäumen und Sträuchern, meist Channjars und Algaroten, in deren Laub eine muntere Vogelwelt ihr Wesen trieb.

Nun der ?Brockhaus?: Früher hielt man den Chaco großenteils für eine wasserlose Wüste; nähere Bekanntschaft hat aber gezeigt, daß der größte Teil desselben außerordentlich fruchtbar ist; die Ebenen sind abwechselnd von Wäldern und Wiesen bedeckt, und die Wälder zeigen namentlich an den Ufern der Vermejo und Pilcomayo eine Üppigkeit, die sie den brasil[ianischen] Urwäldern an die Seite stellt. Zahlreiche Lagunen unterbrechen die Fläche, versiegen aber gegen Ende der trockenen Jahreszeit. Mit dem im Oktober eintretenden Regen beginnen die Flüsse zu schwellen und überfluten einen breiten Gürtel zu beiden seiten, der infolge dessen eine außerordentliche Fruchtbarkeit entfaltet. Für die Viehzucht eignet sich das ganze Gebiet in viel höheren Grade als die Pampas, da beim Eintreten der Dürre das Vieh in die Wälder getrieben wird und sich von Früchten der Chañars, Algorrobo u. s. w. ernähren kann. [S. 284]

Die Chañars und Algaroben finden sich ? mitunter in unterschiedlichsten Schreibweisen - nicht nur im Vermächtnis sondern auch in Sendador II/Cordilleren: Nach kurzer Zeit konnten wir schon die einzelnen Baumarten, Ceibo, Channar, Algaroben und andere unterscheiden. Sonderbarerweise traten diese Bäume sofort als geschlossener Wald auf, ohne vorher durch Büsche eingeleitet zu werden.

Insgesamt gibt es noch sieben weitere Algaroben-Fundstellen in ?In den Cordilleren? (5x Der alte Desierto / 2x An der Laguna de Carapa). Nun sind Algaroben in der Tat eines der von Burmeister auf seiner Reise durch Argentinien am häufigsten genannten Gewächse, das gilt auch für die Chañars, an gleicher Stelle werden die beiden Pflanzen beispielsweise auf S. 50 erwähnt, der Ceibo und die Algaroben auf S. 193 [jeweils Bd. II]. Allerdings wächst der Chañar, ein Strauch mit grüner glatter Rinde (Gourliea decorticans) (...) am liebsten auf öden sandigem Schuttboden, dem ächten Wüstenland (...), wo nichts anderes fortkommen [sic!] kann [S. 102].

Insofern gibt es zwar Stellen geben, wo das Gewächs auch mit den anpassungsfähigen Algaroben zu finden ist, als typische Waldpflanze kann man trotz des obigen Burmeister-Zitates bzgl. des Waldes am Mittellauf Rio Salado
(... besteht aus Quebrachos, hohen Caktus, Mistol, Chañars, Vinals und andern Leguminosen ) die Chañar-Pflanze allerdings wohl nicht bezeichnen. Die Kombination von Ceibo und Algaroben ist da schon wahrscheinlicher: (...) sondern trafen in der übrigens schönen Waldung am anderen Ufer hauptsächlich nur feinblättrige Leguminosen an, namentlich die Algarroba (..), welche ich schon früher (I. Bd. S. 221), demnächst den Ceibu (...), ferner den Quebracho colorado und blanco, zwei oben (S. 105) geschilderte Arten der Gattung Aspidosperma, die in dem ganzen nördlichen Theile der Argentinischen Provinzen wachsen und das gangbare Nutzholz liefern. (...) Alle diese Bäume wachsen gemischt in derselben Waldung neben einander, wie jene früher genannten im Laurelenwalde, und stehen darin ziemlich gleichmäßig durcheinander vertheilt, nicht truppweise beisammen; was hier ebenso merkwürdig ist, wie dieselbe Erscheinung in den Tropenwäldern Brasiliens, von denen ich sie an anderer Stelle, in meinen geologischen Bildern, zur Genüge hervorgehoben habe. [S. 193].

Die Kombination von Algaroben und Chañars wird in der 13. Brockhaus-Auflage freilich nicht nur im speziellen ?Grand Chaco?-Artikel, sondern auch im Eintrag zur ?Argentinischen Konföderation? nahegelegt: Wenn auch der zur Argentinischen Föderation gehörige Teil des Gran Chaco unter dem Regenmangel der subtropischen Zone leidet, so überschwemmen doch die von tropischen Regen genährten Flüsse, namentlich der Pilcomayo und Rio-Vermejo weite Strecken Landes, in denen sich eine tropische Fülle der Vegetation entwickelt; unter den Bäumen derselben sind zu erwähnen: die Carandy-Palme, die vorzügliches Bauholz liefert, der Algarrobo [sic!] und der Chañar (Prosopis dulcis), aus dessen Früchten ein geistiges Getränk bereitet wird. Die dichtesten Bestände bilden Laurelenwälder, besonders da, wo die Ebene sich an die Vorberge der Anden anlehnt; am linken Ufer des Juramento bilden die stacheligen Dickichte der Mimosen und Leguminosen einen fast undurchdringlichen Wall, durch den nur einzelne natürliche Lichtungen den Durchgang öffnen, der von den Indianern des Chaco zu Raub- und Handelszügen benutz wird. Freilich liegen zwischen den Überschwemmungsgebieten der Flüsse aus größere unbewässerte Strecken, weite Grasflure, die zwischen dem Rio-Vermejo und Salado stellenweise in dürre Sandsteppen übergehen mit einer spärlichen Vegetation von Kakteen und Salzpflanzen. [S.871]

Karl May hatte diesen Artikel-Abschnitt nun wiederum bereits auszugsweise für Sendador II/Cordilleren (Anfang 2. Kapitel, Der Desierto) kopiert bzw. paraphrasiert: Wir wanderten durch eine der wildesten Partien des Gran Chaco. Der zur argentinischen Konföderation gehörige Teil desselben leidet allerdings unter dem Regenmangel der subtropischen Zone, doch überschwemmen während und nach der Regenzeit die Flüsse weite Strecken des Landes, und da entwickelt sich eine unvergleichliche Vegetationsfülle. Die Flüsse senden weite Buchten aus, welche den Bayous Nordamerikas oder den Maijehh des oberen Niles zu vergleichen sind. In ihrer Nähe und in derjenigen der Flüsse giebt es Waldungen, welche kaum zu durchdringen sind. Der spanisch sprechende Einwohner nennt sie Monte impenetrabile, undurchdringlichen Wald. Es giebt da nicht nur Bäume, sondern auch meilenweite Dickichte von stacheligen Mimosen und Leguminosen, die nur wenige natürliche Oeffnungen frei lassen, welche von den Indianern als Pfade und Wege zu ihren Raub- und Handelszügen benützt werden. Dann kommen dazwischen weite Grasfluren oder unbewässerte, öde Strecken, auf denen man nur selten einen Kaktus oder eine Salzpflanze zu sehen bekommt.

Es giebt ausgedehnte Flächen, welche man mit der arabischen Wüste vergleichen möchte. Man nennt sie Travesias. Der stetig wehende Südwind häuft den Sand zu Hügeln, Medanos genannt, auf; daher fallen sie an der Nordseite steil ab; ihre Umrisse verändern sich beständig, da der Sand an der südlichen Seite aufsteigt und auf der nördlichen herunterfällt. Sie wandern also von Süd nach Nord.
Auch giebt es Stellen, welche wegen ihres Triebsandes höchst gefährlich sind. (...) Und doch wissen (...) auch die Leute des südlichen Mendoza in Argentinien und die Indianer des Gran Chaco, daß es Gegenden giebt, welche mit tiefen, unergründlichen Triebsandmassen angefüllt sind, in denen Menschen und Tiere wie im Wasser versinken. Solche Stellen werden dort Quadales genannt.

Auch der zweite Teil stammt ist nach dem Lexikon-Artikel paraphrasiert, dort ist ist mit der Beschreibung der Travestsias freilich nicht der Gran Chaco sondern die Sierra de los Llanos gemeint: Außer diesen gibt es noch viele kleinere Salinas abwechselnd mit Travesias (Sandwüsten); ur da, wo genügend Feuchtigkeit vorhanden ist, zeigt der Boden seine bedeutende Fruchtbarkeit. Für den Süden sind Dünen beweglichen, feinen Sandes von 2-10m Höhe charakteristisch, sog[enannte] Medanos. Der Südwind bringt sie hervor, und daher fallen sie am Nordende steil ab, und ihre Umrisse ändern sich beständig. (...) Da, wo die Provinz Mendoza in das südl[iche] Indianergebiet übergeht, zeigen sich auch die Guadales [sic!], Treibsandmassen, in denen Menschen und Tiere versinken.

Die bei der obigen ?Abschrift? nicht übernommene Carandy-Palme findet sich stattdessen dann in der folgenden Vermächtnis-Passage: Man merkte hier, daß man in nordwestlicher Richtung geritten war und sich also dem Aequator um einige Grade genähert hatte, denn die Umgebung des Sees zeigte schon eine mehr tropische Vegetation. Die Ufer waren von Tacuarasrohren umsäumt, welche eine Höhe von bis zu zehn Meter besaßen. Daran schloß sich eine Laurelenwaldung, in welcher einzelne Cribobäume eine angenehme Unterbrechung bewirkten. Sogar Caranday-Palmen waren schon zu sehen, und weiter zurück, wo der Boden weniger Feuchtigkeit besaß, konnte man die phantastischen Gestalten baumhoher Aloes erblicken. Dazwischen stand das Gras so hoch und dicht, daß es den Pferden bis an die Leiber reichte. Verschiedene Vögel, besonders Kolibris, bevölkerten die Zweige; im Grase gewahrte man die Fährten vierfüßiger Tiere, und an den See brauchte man nur zu treten, um zu sehen, daß sein Wasser reich an Fischen war.

Bei den Cribobäumen dürfte es sich um einen Druckfehler handeln, gemeint sind sicherlich die Ceibobäume.
Die
Tacuarasrohre (die man übrigens ebensowenig wie die Carandays bei Burmeister findet) entstammen gleichfalls dem Brockhaus-Artikel: Außer den schon genannten gewöhnlichsten wildwachsenden Bäumen sind längst der großen Ströme einige Arten von Salix und die Ceibo (Erythrina Crista Galli) zu erwähnen. Ferner der Paraguaythee oder Maté (Ilex paraguayensis). Die Ibapohyfeige, die als hecken gepflanzten Agaven, die an den Ufern wachsenden, bis 10 m hohen von Tacuaras oder Rohrarten sowie eine Menge trefflicher Wiesengräser. [S. 873]

Die Aloes hingegen werden bei Burmeister mindestens am Rande erwähnt: Weiter sah ich an den Abhängen auf dürren Boden truppweise ein Gewächs, daß ich lange Zeit für eine Aloeform hielt. [S. 390]. Daß May diese Seite gelesen hat, ist freilich sicher, kopierte er hier doch die Angaben über das Land zwischen den Flüßen Paraná und Uruguay heraus, die er für jene Beschreibung der Umgebung von Corrientes in ?El Sendador II? verwandt, die aus der Buchausgabe herausgestrichen wurde, da May dort den Übergang von ?Am Rio de la Plata? zu ?In den Cordilleren? umgeschrieben hatte.

In Vermächtnis beschreibt May ferner ein Cambadorf im Chaco und die Früchte und Getreide, die dort angebaut werden:Diese letzteren bestanden durchweg aus mit Schilf und ähnlichem Materiale gedeckten Erdhütten, deren Inneres einen einzigen Raum bildete. Dabei gab es kleine Felder, auf denen Mais, Hirse, Mandioca, Bohnen, Quinoa, Tomaten, Erdnüsse, Bataten, Melonen und Kürbisse gebaut wurden.

Auch diese Auswahl dürfte May dem Brockhaus-Artikel entliehen haben, obgleich sich dieser freilich nicht speziell auf den Gran Chaco, sondern auf ganz Argentinien bezieht: An Gemüsen werden angebaut: Mandioca, Bohnen, Quinoa, Portulak, Kartoffeln, Tomaten, Batanen, Erdnüsse, Melonen, Wassermelonen (Sandia), Kürbisse (Lapallo). Von Getreidearten gedeihen: Mais, Weizen, Gerste, Hafer, Hirse, Sorghum und Reis. Der Lexikon-Artikel betont freilich auch:Der große Guaranizweig der Chiriguanos wohnt auf den östl. Abhängen der Anden und im Chaco. Diese Indianer, in Bolivia Cambas genannt, sind in Viehzucht und Ackerbau sehr fortgeschritten.

Vermächtnis: Mitten in der Sandwüste lag eine große Lagune, deren Wasser außerordentlich trüb und schlammig war. Sie wurde von einem breiten Schilfrande umsäumt, welcher seinerseits wieder von Tamarinden, Breas und baumartigen Kakteen umgeben war.

Tamarinden sind bei Burmeister wohl nicht u finden, sie wurden von May allerdings bereits vorher schon in einigen May-Erzählungen eingesetzt, und zwar in ?Der Krumir?, ?Ein Phi-Phob?, ?Die Sklavenkarawane? und ? Im Lande des Mahdi?, dort z.B. in Band III: Wir kamen durch keine der Sumpflandschaften, welche wir gefürchtet hatten, sondern durch einen ungeheueren Tamarindenwald, welcher ohne Ende zu sein schien.

Dagegen werden die Breas wiederum von Burmeister mehrfach erwähnt, das erste Mal hier: Neben ihr wachsen (...) die Brea (Caesalpinia praecox) von ähnlichen Ansehn, aber mit brauner rissiger Rinde und eigenthümlichen Schotten, deren oberfläche hetzförmig gegliedert ist.

Allerdings sind die in den folgenden Zitaten genannten Aliso und Carapas indessen [höchstwahrscheinlich] weder bei Burmeister noch bei Zöller, auch [ganz sicher] nicht im Brockhaus-Artikel zu finden:

Vermächtnis: Der Aliso stand so nahe am Wasser, daß die Hälfte seiner Krone sich über demselben befand. Seine untern Aeste waren so stark, daß sie das Gewicht eines erwachsenen Mannes leicht zu tragen vermochten.
[Karl Mays Werke: Das Vermächtnis des Inka, S. 543. Digitale Bibliothek Band 77: Karl Mays Werke, S. 39535 (vgl. KMW-III.5, S. 362)]

Sendador II/Cordilleren: (In den Aesten dieser Büsche hingen dürre Halme, Grasstengel und anderes Zeug, ein sicheres Zeichen, daß wir uns einem größeren Gewässer näherten, welches zur Regenzeit seine niedrigen Ufer überschwemmte und später beim Zurücktreten diese Hochwasserzeichen an den Sträuchern hängen ließ. Dann trafen wir bald auf Bäume, die ich nicht kannte, auch noch nicht gesehen hatte.
»Das sind die Carapas, von denen die Lagune ihren Namen hat,« erklärte Pena. »Ich denke, daß wir nun bald das Wasser erreichen werden.«
(...)
Schon befanden wir uns nicht mehr im Freien, sondern unter dem gefiederten Laubdache eines geschlossenen Waldes, welcher ausnahmslos nur aus Carapabäumen bestand.



Ausschnitt aus der "Argentinien"-Karte der 3. Auflage des "Meyers". Feundlicherweise hat man dort die Gebiete der einzelnen Indianerstämme im Gran Chaco markiert. Entsprechend deutlich wird dadurch Mays Angabe zum weg aus dem Chaco zu der "Pampa de Salinas" (hier auf der Karte "Pampa de las Salinas"): Über einen Monat befanden wir uns seit unserm Aufbruche von der Laguna de Bambu unterwegs. Uns möglichst in der geraden Richtung haltend, hatten wir die Grenze der argentinischen Republik hinter uns gelegt und bolivianischen Boden betreten. Wir waren durch die Gebiete feindlicher Indianer gekommen, aber stets so vorsichtig gewesen, ein Zusammentreffen mit ihnen zu vermeiden. Die Stämme befreundeter Tobas hatten wir natürlich nicht vermieden. Im KMV-Karl-May-Atlas hat man die "gerade Richtung" sehr wörtlich genommen und einen Reiseweg über Salta gewählt. Je nachdem aber, wo man die nicht näher bestimmt "Isleta del Circulo" lokalisiert, rückt der Weg nach Norden. Die Aussage, man sei abwchsen durch Gebiete feindlicher Indianer wie der Tobas gekommen, macht aber mehr Sinn, wenn man von einer nördlicheren Reiserute ausgeht, die dann idealerweise in das Tal des Pilcomayo einmündet, welches in der Tat dann auch eine relativ gerade West-Ost-Richtung bis fast hin zur Pampa aufweist.



3-mal bearbeitet. Zuletzt am 05.10.05 14:11.
Re: Von Santa Fe aus durch die Pampas: Mit Dr. Morgenstern und Dr. Burmeister auf Glyptodon-Suche
01. Oktober 2005 16:49
Es gab ein dünnes, niedriges Gras, welches an die Puna der peruanischen Alpen erinnerte.
[Karl May: Die Jagd auf den Millionendieb/Satan und Ischariot III]

Es ist merkwürdig ? wenngleich auch nicht vollständig verwunderlich, daß sich in Aufsätze, die den ?unverfälschten? May behandeln, unwillkürlich Ausdrück aus den KMV-Bearbeitungen einschleichen. So liest man in Walther Ilmers Jahrbuch-1979-Beitrag ?Karl May auf halbem Wege? den Satz: Die Ereignisse an der Pampa de las Salinas sind weit über ihre Funktion im Buch hinaus Spiegelungen (...). Dabei hat May stets immer nur Pampa de Salinas geschrieben, das zusätzliche des ist eine ?Korrektur? in den Bearbeitungen. Auffälligerweise ist dies auch das einzige Mal, daß die Pampas de (las) Salinas in dieser vollständigen Schreibweise in den vier Jahrbuch-Beiträgen zum ?Sendador? überhaupt erwähnt wird, ansonsten ist allenfalls von den ?Pampas? die Rede. In gleicher Weise übernimmt auch Prof. Dr. Claus Roxin im KMG-Reprint die KMV-Schreibweise: So heißt es über die Wiederbegegnung an der Pampa de las Salinas: (...)

Warum aber wurde der Begriff überhaupt ?verlängert?? Nun, wenn man etwa die oben abgebildete Karte aus der 3. Auflage des ?Meyers? betrachtet, so findet sich tatsächlich in den bolivianischen Anden eine ?Pampa de las Salinas?, die freilich in der 4. Auflage durch den Namen ?Salinas de Gareimendoso? ersetzt ist (s.u.). Möglicherweise hat man nun in Radebeul/Bamberg nun geglaubt, daß May das ?des? geschludert hat, tatsächlich aber hat sich May einer Textquelle bedient, in der wirklich lediglich die ?Kurzschreibweise? ?Pampa de Salinas? zu lesen ist, er hat also aus seiner Sicht gar keinen ?Fehler? begangen. Diese Textquelle ist einmal mehr die 13. Auflage des ?Brockhaus?, wiederum der Artikel zur ?Argentinischen Konföderation?:


Namentlich teilt letztere [= Serrania de Llica Salinas] die ganze Hochebene in zwei Teile, deren nördlicher das Gebiet des Titicacasees und der Laguna de Aullagas enthält, der südlichere dagegen die 7700 qkm große Pampa de Salinas, eine flache Mulde, die von einem Salzsee ausgefüllt wird. In der trockenen Jahreszeit ist dieselbe vollständig mit einer festen, 4 m dicken Salzkuste bedeckt, welche mit Maultieren passiert werden kann, und in der feuchten Zeit schwimmt diese Kruste inselartig auf dem Wasser. (...) Im südl[ichen] Teile der großen Hochebene sind nur spärliche Wasserläufe vorhanden, die in der feuchten Jahreszeit die schon oben erwähnten Laguna da Salinas erreichen.

Karl May leitet nun den Schlußteil von Sendador II/In den Cordilleren mit einer umfangreichen Betrachtung der durch unterscheidliche Höhen definierten Regionen Boliviens ein. Wie man sehen wird, ist auch diese Beschreibung fast vollständig dem Brockhaus entliehen, lediglich der im folgenden grau markierte Satz entstammt nicht dem Lexikon:

Die Pampa de Salinas gehört zu Bolivia. Die Bewohner dieses Landes unterscheiden in Beziehung auf das Gebirge der Anden folgende Regionen.

Die erste Region ist diejenige, welche von den Pampas bis zu einer Höhe von 1600 Metern aufsteigt und wird Yunga genannt. Hier herrscht die Ueppigkeit der Tropen im vollsten Sinne des Wortes. Ueber diese Flächen erstrecken sich undurchdringliche Urwälder, welche nur zuweilen von sogenannten Pajonales, weiten Grasfluren mit einzelnen Baumgruppen, unterbrochen werden. Die Tierwelt ist hier am reichsten vertreten durch Scharen von Papageien und buntflimmernden Kolibris; überhaupt spottet das Reich der Vögel hier jeder Aufzählung und Beschreibung. Affen giebt es in großen Scharen, Fledermäuse die Menge, und Pumas, Onzen und Jaguaren kann man täglich begegnen.
Die nächst höhere Region wird Medio Yunga genannt und steigt nicht ganz bis 3000 Meter auf. Ihr Klima ist weniger heiß, infolgedessen hier die Tiere und Pflanzen der gemäßigten Zone gedeihen.
Dann kommen die Cabezeras de los valles, die obern Thalstufen, bis 3300 Meter hoch. Diese sind gegen die Stürme der Puna geschützt und haben eine angenehme Temperatur.
Hierauf folgt die Puna bis zu einer Höhe von 3900 Meter. Die Luft derselben ist außerordentlich trocken, weshalb nur wenige Pflanzen hier gedeihen. Zu denselben gehören das kurze, dürre Punagras, niedriges, schirmartig ausgebreitetes meergrünes Zwergholz, sowie einige kleine Myrten- und Lorbeerarten.
Was nun endlich über 3900 Meter hoch liegt, wird Puna brava genannt. Hier wehen heftige, kalte Winde, welche selbst im Sommer oft dichtes Schneegestöber mit sich führen und dem Wanderer, welchen sie überraschen, mit dem Tode drohen. Nur den beiden Umständen, daß diese Region sehr reich an wertvollen Erzen ist und daß die Pässe so hoch liegen, verdankt es die Puna brava, daß sie von Menschen besucht wird.
Freilich darf man nicht meinen, daß diese angegebenen Regionen scharfe und regelmäßig gezogene Grenzen bilden. Es gibt selbst in der Puna fruchtbare Thäler, und ebenso erheben sich aus den niederen, tropischen Regionen steile Hochplateaus, welche die Eigentümlichkeiten der Puna besitzen.

Und nun der originale Auszug aus dem Lexikon-Artikel, der noch weitaus mehr Einzelheiten aufweist. Diese hat May dann in Das Vermächtnis des Inka ausgewertet:

Obgleich B[olivien] fast gänzlich innerhalb der Wendekreise liegt, so ist infolge der bedeutenden Höhenunterschiede sein K l i m a außerordentlich reich an Abstufungen. Nach dem Klima und der hiermit zusammenhängenden Pflanzenwelt teilt man das Land in folgende Regionen. Die Puna brava begreift alles Land über ungefähr 3900 m Höhe, während die Puna zwischen 3900 und 3300 m über dem Meere liegt. Nur der Reichtum dieser Regionen an wertvollen Erzen und die hohe Lage aller Pässe haben es bewirkt, daß dieselben verhältnismäßig so bedeutend bewohnt sind. Fast das ganze Jahr hindurch ist die Luft äußerst trocken und es weht ein heftiger kalter Wind. Nur an geschützten Stellen vermag die Sonne zuweilen die Temperatur über 20° zu erreichen; in der wärmsten zeit nachmittags steigt das Thermometer auf 12-14°, morgens sind im Winter (April bis Oktober) Fröste nicht selten (bis 10° abwärts). Im November beginnt die Regenzeit und dauert bis Ende Februar; sie ist die wärmste und angenehmste. Den ganzen Rest des Jahres herrscht große Trockenheit. In der Puna brava namentlich im südl[ichen] Teile von B[olivia], herrschen im Winter wütende Schneestürme, die meist die Karawanen, die sie überraschen, vernichten. In dieser obern Region verwandeln sich auch oft die Sommerregen in Schnee und Hagel. Der Rauhigkeit der Luft entsprechend, fehlen in diesem Gebiete die Bäume fast gänzlich, nur Kräuter und Gräser (Yareta, Valeriana, Gentiana u.s.w.) dienen dem Vieh zur Weide; der spärliche Ackerbau beschränkt sich auf Kartoffeln, Gerste, Oca (die Knolle von Oxalis tuberosa) und Quinoa (Chenopodium Q.). Zur Puna wird auch gewöhnlich das ganze Gebiet westlich von der Corlillera de los Andes, die Desiertos de Atacamo, gerechnet; obgleich es bis zum Meeresspiegel hinabsteigt und demgemäß in seinen untern Teilen sehr heißes Klima besitzt, so stimmt sein äußeres Ansehen sehr wohl mit dem der Puna überein, da die gänzliche Regenlosigkeit nur an wenigen Stellen eine Vegetation aufkommen läßt. Wesentlich verschieden von der Puna sind die Cabezeras de los Valles (die obern Thalstufen), zwischen 3300-2900 m über dem Meere, in denen schon eine angenehme Wärme und größere Feuchtigkeit herrscht und die gegen die heftigen Stürme der Puna geschützt sind. Infolge dessen zeigt sich hier schon Baumwuchs, und man baut mit Erfolg Weizen, Mais, Gemüse, mehrere Obstsorten und in besonders günstigen Lagen sogar schon Wein und Feigen. Unter den wildwachsenden Pflanzen ist namentlich die Chinchona Calisaya hervorzuheben. In der nächsten Stufe, den Valles oder Medio Yungas (2900-1600 m), gedeihen alle Feld- und Gartenfrüchte der gemäßigten Zone in vollster Üppigkeit, schon vielfach untermischt mit denen der heißen Zone, wie Bananen und Bataten. Wälder finden sich in großer Ausdehnung, reich an Cinchona-Arten. In den Yungas endlich, welche alles Land unter 1600 m umfassen, findet sich bei einer Mitteltemperatur von 20-24° R., die selten unter 15° sinkt, die ganze Üppigkeit der Tropenregion, undurchdringliche Urwälder, nur stellenweise unterbrochen von Pajonalas, weiten Grasfluren mit einzelnen Baumgruppen. Der Anbau erstreckt sich auf alle Kulturgewächse der heißen Zone, namentlich Kola, Kakao, Kaffee, Zuckerrohr, Ananas, Bananen, Melonen, Reis, Pfeffer u.s.w. Der Charakter dieser Region stimmt in Klima, Fauna und Flora mit dem des Innern von Brasilien überein. Trotz ihrer größeren Beweglichkeit zeigt auch die T i e r w e l t in jeder dieser Regionen einen andern Charakter. Bis in die höchsten Teile der Puna brava hinauf, wo die Yareta (Bolex glebaria) spärlich die Felsen bekleidet, findet sich eine Nagerart, die Biscacha (Lagostomus) und die Bicuña (Camelus V.). Die Region der Puna teilen mit diesen das Lama, Guanaco, Alpaca und die durch ihren Pelz wertvollen Chinchilla (s.d.). An Vögeln sind namentlich zu erwähnen der Condor und eine Anzahl von Wasservögeln. In den Valles beginnt mit dem Baumwuchs ein reicheres Tierleben, namentlich an Vögeln, zwischen denen zuweilen schon Kolibris und Papageien, eigentlich Bewohner der Yungas, auftauchen. In den letzteren endlich entfaltet die Tierwelt den ganzen Reichtum der Tropen; zahlreiche Affen und Fledermäuse hausen auf den Bäumen, Pumas, Onzen, Jaguare durchstreifen den Wald, ebenso der Hucumari (Ursus frugilegus). Der Reichtum an Vögeln, Amphibien und Insekten spottet jeder Aufzählung.

Es folgt nun der entsprechende Abastz aus der Kamerad-Erzählung. May hat dabei einige der in dem Hausschatz-Roman verwendeten Einzelheiten ausgelassen, während er auf andere, im ?Sendador? ausgefürten Details, hier wiederum verzichtet:

Wer von Osten aus die Anden ersteigt, um westwärts nach Chile oder Peru zu kommen, hat verschiedene Gebirgsstufen zu erklimmen, die sich infolge der Verschiedenheit ihrer Höhe auch durch eine Unähnlichkeit ihres Klimas unterscheiden.

Die erste Stufe besteht aus den Yungas, welche bis 1600 Meter ansteigen. Hier herrscht die ganze Ueppigkeit der Tropenregion mit ihren weiten, undurchdringlichen Urwäldern, welche zuweilen von saftigen Grasfluren, die man Pajonales nennt, unterbrochen werden. Die Medio Yungas erreichen als zweite Stufe eine Höhe von durchschnittlich 2900 Meter. Hier herrscht noch das Klima der gemäßigten Zone, und man kommt durch ungeheure Wälder, welche besonders reich an Cinchona-Arten sind. Darauf folgen die Cabezeras de los volles (Die obern Thalstufen) bis 3300 Meter Höhe. Sie sind gegen die Stürme des oberen Gebirges geschützt und infolge dessen auch noch reich an den verschiedensten Vegetationsformen. Bis hierher erstreckt sich der geschlossene Baumwuchs, also der Wald, während auf der nächsten Stufe Bäume nur vereinzelt und zwar nur in besonders geschützter Lage anzutreffen sind. Diese nächste Stufe, welche Puna genannt wird, steigt bis zu 3900 Meter Höhe empor. Man trifft auf derselben außer den vereinzelten Bäumen nur Kräuter und Gräser (Gentiana, Valeriana, Yareta u.s.w.) an, welche den Tieren als Weidefutter dienen. Es herrscht hier eine große Trockenheit, welche nur in der Regenzeit unterbrochen wird. Die nun folgende Stufe wird Puna brava genannt und umfaßt bis zu den höchsten Bergesspitzen alles, was über 3900 Meter liegt. Diese Höhen sind reich an wertvollen Erzen; hier führen die Pässe zwischen den Bergesriesen über das Gebirge. In dieser Region verwandelt sich selbst im hohen Sommer der Regen sehr oft in Schnee und Hagel; im Winter aber herrschen wütende Schneestürme, welche denjenigen Reisenden, die so kühn sind, in dieser Jahreszeit den Uebergang über die Anden zu wagen, meist das sichere Verderben bringen.

Da, wo jenseits der argentinischen Grenze auf bolivianischem Gebiete die Puna an die obere Cabezera grenzt, zieht sich ein ziemlich dichter Wald von Cinchona Calisaya-Bäumen an den östlichen Berghängen hinab. Auf den freien Stellen, welche dieser Wald umschließt, befinden sich die Wohnstätten der Mojosindianer. Etwas höher, jenseits der Punagrenze, liegt das Guanacothal, welches eine Abteilung dieser Indianer jetzt zur Jagd aufgesucht hatte. Und noch weiter oben, beinahe in der Puna brava gelegen, breitet auf einem kleinen Hochplateau die Salina del Condor ihre salzigen Wasser aus, höher noch liegt die Mordschlucht.

Anstelle der ?Pampa de Salinas? hat May in Das Vermächtnis des Inka mit der ?Salina del Condor? eine fiktive Hochebene zum Schauplatz des Geschehens gemacht, wobei diese wie auch das Guanaco-Thal durch die Nennung der entsprechenden Tiere im Lexikon-Artikel angeregt worden sein könnten: Letztere, in der die Mojoindianer die Guanacos jagen, könnte freilich auch durch einen Schilderung Burmeisters inspiriert worden sein: Indessen stießen wir von Zeit zu Zeit auf Guanaco-Heerden, und eben hier blickten wir eine solche in jäher Tiefe vor uns durch die Schlucht eilen. (...) Man jagt sie (...), ißt ihr Fleisch, das sehr wohlschmeckend sein soll (...).[II, S. 256]

Bei den Beschreibungen der Landschaften in den Hochanden bietet Karl May nun weder in Sendador II/Corilleren noch Vermächtnis mehr als allgemeine, unverbindliche Landschaftsformen an, er nennt nicht mehr als Täler, Berge, mehr oder weniger enge Schluchten und steile Felswände, Geröll, spärlichen bis keinen Pflanzenwuchs usw. Eine direkte Vorlage kann deshalb nicht nachgewiesen werden. Dennoch darf man annehmen, daß sich May zumindest von Burmeisters Bericht einer wesentlich weiter südlich erfolgten Kordilleren-Überquerung nach dem Chilenischen Caldera anregen ließ. Zwar läßt sich der Zoologie-Professor in seinen Schilderungen unentwegt über die unterschiedlichen Gesteinsarten aus, während May nichtmals das Wort ?Sandstein? verwendet mag, dennoch zeigt eine Gegenüberstellung ähnlicher Landschaftsmotive, daß abgesehen von dem Auslassen spezifischer Merkmale, May durchaus ein vergleichbares Bild der Andenlandschaft zeigt:

Vermächtnis: Noch war keine Viertelstunde vergangen, so hatte man das obere Ende der Schlucht erreicht. Sie mündet auf eine kleine Ebene, von wo aus ein freier Blick auf die westlich sich erhebenden Berge gewonnen wurde Der Arriero blieb halten, um sich zunächst zu orientieren. Er betrachtete die Gestalt jeder einzelnen Höhe, jedes einzelnen Berges, prüfte die Thaleinschnitte zwischen denselben (...).
Die Ebene sank in ein schmales Thal hinab, welches sich nach und nach verbreiterte und zwischen hohe, schroff aufgebaute Berge hineinzog. Die Spitzen dieser Berge waren kahl; an den Hängen gab es hier und da eine grüne Stelle, noch von der Regenzeit her; Wasser aber war nirgends zu sehen. Da und dort stand ein Busch, bei welchem die Arrieros und der Peon anhielten, um dürres Gezweig zu sammeln.

Burmeister: Eine enge Schlucht zog sich von der breitesten Seite der ebene aus zwischen den Sandbergen hinauf und neben ihr stand nach Süden ein isolierter, hohe, hell rothrother Felsenkegel, dessen untere Gehänge gleichaflls ganz in ziegelrothen Sande steckten. Dieser Berg bildet den Wegweiser für die Straße durch die Cordilleren, welche neben ihm durch die Schlucht zum Rücken des Gebirges hinaufsteig, er führt den namen Estanzuelo. Auf einigen der vordersten Sandberge wuchsen zerstreut niedrige Gebüsche, alles übrige war öde und kahl, doch schimmerte von den erhabenen Stellen auf dem flachen Rücken der Berge grüner Rasen herunter. (...) so arm und öde, wie hier, sind sie überall, von Mendoza bis Bolivien und noch weit in Bolivien hinein. [II, S. 260]

Vermächtnis: Hier oben gab es nur glatten Fels, auf welchem selbst die Hufe der Maultiere kaum eine Spur zurücklassen konnten; die Tiefe aber war angefüllt von Gesteinstrümmern, welche sich im Laufe der Zeit von den Wänden abgelöst hatten und hinuntergestürzt waren.

Burmeister: Auf der Oberfläche des Gesteins ist Alles kahl; kein Busch, kaum eine Pflanze wuchert in den Fugen der Gesteine, selbst den Boden am Bach bedecken nur herabgestürzte Trümmer in allen Größen, in allen Größen, von mächtigen Blöcken bis zum kleinsten Rollstein. [II, S. 250]

Vermächtnis: Der Name Barranca del Homicidio, also Mordschlucht, war ein unheimlicher, und die Umgebung dieses Ortes, die ganze Gegend, stand im Einklange mit dem Eindrucke, welchen diese Bezeichnung machte. Die Vormittagssonne verschwendete ihre Wärme an ein Bild trostloser Einsamkeit. Leblos und kahl erhoben sich im Westen die Riesen des Gebirges; öde standen rings die Felsenhöhen in der Nähe und weder an ihren Hängen noch in den Thälern war eine Spur von Vegetation zu bemerken.

Burmeister: [(...) die Cordilleren (...): Lauter kahle, öde, zackige Ketten mit isolierten Kegeln, eine hinter dem anderen (...) Leben irgend welcher Art war an dieser Stelle nicht zu bemerken [II, S. 255]

(...) eine zweite ähnliche Schlucht öffnete sich uns nach Westen (...); auch hier ist Alles ganz kahl, ohne Baum, Strauch oder überhaupt irgend ein grünes Gewächs an der ganzen Oberfläche. (...) je weiter wir kommen, desto dürftiger und öder wird die Gegend. [II, S. 252]

Den Ausdruck "Barranca" verwendet May freilich falsch, denn die "Barranca" ist tatsächlich keine Schlucht sondern ein (einseitiger) Abhang, insbesondere bei Flüssen, wie in May schon in Sendador II/Rio de la Plata beschrieben hat: Die Ufer steigen zu beiden Seiten ziemlich steil empor, eine Bildung, welche man hierzulande 'Barranca' nennt. Eine Schlucht ist dagegen eine ?Quebrada?, und so erwähnt Burmeister etwa bei seinem Ritt über die Kordilleren auch eine ?Quebrada del Diablo?, also eine Teufelsschlucht. Auch ist sein Weg nicht frei von Toten, so liegen Menschen und Tiere, die bei der Überquerung der Anden von Schneestürmen überrascht worden sind, unverwest am Wegesrand.[/i]

Vermächtnis: Was die Schlucht selbst betraf, so fiel sie so steil in die Tiefe hinab, daß nur Fußgänger aber nicht Reiter, und selbst erstere nicht leicht, hinabkommen konnten. Auch hier gab es, weder an den Seiten noch auf dem Grunde der Schlucht, irgend eine Art von Pflanzenwuchs, und nur am Rande derselben, da wo die Reiter abgestiegen waren, sah man einige halb aus der Erde gerissene Wurzeln, deren Stengel von früher Dagewesenen als Feuerungsmaterial benutzt worden waren.

Hier ist die einzige Stelle, wo man mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit annehmen kann, daß May tatsächlich Burmeisters ritt durch die Kordilleren ebenfalls aufmerksam gelesen hat. Dort heißt es: Mit den Wurzeln einer Pflanze, welche man ihrer Form das Ziegenhorn nennt (...), wurde Feuer angemacht. Jenes Gewächs ist, neben einigen zwergförmigen Cactus-Arten, die einzige Pflanze, welche man in dieser Höhe, wie später auf dem rücken der Cordilleren antrifft; sie bildet dichte sanft gewölbte Rasen von kreisförmigen Umriß, die gegen drei Fuß Durchmesser haben können und aus kurzen, an einander gedrängten Stengeln mit fein zerschliffenen Blättern bestehen, welche alle strahlig von dem dicken Wurzelstock ausgehen (...). Ihre Wurzel ist harzig und brennt gut, daher man sie überall auf diesen Höhen zur Feuerung verwendet; der Peon pflegt, wo er gute Rasen trifft, abzusteigen, sie auszureißen und an seinen Sattel zu binden, um sie später am Nachtlager zu verbrauchen. / [Fußnote:] Auf der Chilenischen Seite heißen diese Pflänzchen Llaretas und daher rührt der Gattungsname Laretia für die dort bis Bolivien hinauf wachsende Laretia acaulis (...). [II, S. 254]

Ganz sicher aber hat der Brockhaus-Redakteur, der Burmeisters Buch abschließend als eine der wenigen in deutscher Sprache verfaßte Fachliteratur nennt, diese Stelle aufmerksam gelesen, heißt es da doch:
Auf den hohen Plateaus wächst eine einzige Pflanze, die Llareta, deren dicke, harzige Wurzel gut brennt. Man könnte sogar so weit gehen, mutzumaßen, daß der oben als einzig von May nicht als aus dem Lexikon übernommen zitierte Satz (Zu denselben gehören das kurze, dürre Punagras, niedriges, schirmartig ausgebreitetes meergrünes Zwergholz, sowie einige kleine Myrten- und Lorbeerarten.) ebenfalls von der Beschreibung Burmeisters abgeleitet worden sein könnte, beschreibt doch strahlig (...) ausgehend und schirmartig ausgebreitet mehr oder weniger die gleiche Art von Pflanzenwuchs.



Argentien-Karte der vierten Auflage von "Meyers Konversationslexikon", das übrigens auch unter [susi.e-technik.uni-ulm.de] im Internet zu finden ist. Der Meyers-Artikel (der 3. wie auch der 4. Auflage) zu Bolivia enthält übrigens nahezu dieselben Angaben zu den Regionen (Puna brava, Puna, Valles und Yungas), doch die Detailangaben zu der Pflanzen und Tierwelt sind anders bzw. fehlen ganz.
-> [susi.e-technik.uni-ulm.de]
-> [susi.e-technik.uni-ulm.de]

Vor der vor kurzem vollzogenen Neugestaltung der Seiten konnte man auch die geographischen Karten abrufen, bislang fehlt jetzt aber leider der Link noch.

Fernerhin hat May natürlich noch sehr gerne und oft den "Pierer" benutzt, doch dort sind die charakteristischen Höhen-Regionen nicht benannt, und auch Burmeister nennt sie nicht, bzw. verwendet den Ausdruck "Puna" nur in der Zweitbedeutung als Höhenkrankheit.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 01.10.05 16:50.
Re: Von Santa Fe aus durch die Pampas: Mit Dr. Morgenstern und Dr. Burmeister auf Glyptodon-Suche
02. Oktober 2005 09:50
Hallo Thomas
Schicke mir doch mal eine detaillierte Liste oder Aufstellung Werk und Quelle.
Überfliege deine Beiträge meistens weil mich das Thema persöhnlich nicht intressiert aber ich die Quellen möglichst bibliographisch den Werken zuordnen
möchte. Auch einzelne Erzählungen von May aufzuschlüsseln als Quelle wären intressant. Den Zeitraum zum Fertigstellen überlasse ich Dir. Für deine weiteren Forschungen würde ich dir einen Auszug meiner Datenbank schicken. (Wohin ?). Was meinst Du?
Übrigens tolle Tagung viele nette Leute kennengelernt. Freue mich schon auf 2007.
Schade das Jenny nicht da war.
Konnte einige intressante Sekundärtitel als Lücken in meine Sammlung schließen.
Besten Gruss Günther

Winnetou 1: Catlin Indianer Nordamerikas

Winnetou 2: ????

Durch die Wüste ????
Re: Von Santa Fe aus durch die Pampas: Mit Dr. Morgenstern und Dr. Burmeister auf Glyptodon-Suche
04. Oktober 2005 12:53
Hallo Günther,

zur Zeit bin ich ab und an damit beschäftigt, sämtliche Quelltexte, die May aus Zöller und Burmeister und aus Lexika für seine drei Südamerika-Romane verwendet hat, vollständig zuzuordnet, seien es die Textpassagen, die er mehr oder weniger wörtlich bzw. leicht bearbeitet übernommen hat, oder seien es Passagen, wo er sich lediglich inspirieren ließ. Die obigen Textzitate sind ja nicht komplett.

Möglicherweise werde ich in den nächsten Wochen auch noch als weiteren "Appetithappen" ein paar Zitate zu den "Sendador"-Roman posten. Das ganze Projekt wird aber sicherlich mindestens noch ein halbes Jahr dauern. Vorher ist auch keine "detaillierte Liste" fertig. Ob ich die komplette Übersicht dann lediglich on-line stelle oder - was auch sehr reizvoll wäre - gleich eine kommentierte Ausgabe der drei Romane etwa in Form einer kleinen aber feinen "Books on demand"-Buchauflage realisiere, wird sich dann zeigen. Insbesondere müßte ich für ein Projekt, daß alle May-Quellen berücksichtigt, noch einige weitere Texte auswerten, so etwa auch von May benutze Buch über die Inkasprachen einsehen. Es hätte ja wenig Sinn, eine Leseausgabe herzustellen, die nicht alle Quelltexte berücksichtigt.

Insofern braucht es also noch etwas Zeit ...

Viele Grüße
Thomas
Re: Von Santa Fe aus durch die Pampas: Mit Dr. Morgenstern und Dr. Burmeister auf Glyptodon-Suche
04. Oktober 2005 13:12
Hallo Thomas

Mach wie Du meinst.

Ein Books on Demand kommentierte Ausgabe wäre Klasse. Ich fand es immer schon schade das deine Texte nur im Internet stehen zwar kopiertwerden können aber irgendwann auch wohl mal weg sind. Falls Du seltene Vorlagen suchst kann ich vieleicht helfen melde dich dann rechtzeitig.

Gruss Günther
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