Diesen Thread habe ich seltsamerweise gerade erst entdeckt. Du hast natürlich recht, daß es in "Kurdistan" nur eine Androhung ist, allerdings habe ich doch den Eindruck, daß May auch unabhängig davon, in welchem Genre er gerade schrieb, keine einheitliche Linie verfolgte. "Der Scout" ist etwa kein ausgesprochens Frühwerk mehr, die Winnetou-Figur ist schon ziemlich deutlch gezähmt, dennoch beschreibt May sowas wie die blutige Schlacht in der Mapimi.
"Ohne Not" ist immer eine Frage der Betrachtung. Als Schriftsteller kann man sich natürlich auch leicht eine Begründung zurechtbasteln, warum es auch mal notwendig sein kann, (in der Menge natürlich namenlose) Menschen zu töten. Wenn im "Silbersee" Hunderte von Tramps und Indianer hopps gehen, so mag May dies begründen, auch mag es dafür natürlich Beispiele in der Realtität gegeben haben, dennoch, die Verantwortung dazu, überhaupt derartiges Masenschlachten zu schildern, bleibt immer beim Autor, und dieser kann die Handlung natürlich "ohne Not" so schreiben wie er will.
Ähnlich widersprüchlich - oft sogar zu gleicher Zeit - hat er sich ja auch bei anderen Sachverhalten geäußert: So beispielsweise über Weiß-Rote-Mischlinge: Positiv - Apanatschka/Surehand, negativ: das "Halbblut" Ik Senanda; oder über die Chinesen: Positiv: "Methusalem", negativ: "Schwarze Mustang"
Wenn ich von den Alterstexten absehe, wo die Tendenz letztlich dann doch eindeutig in Richtung "Et terra pax" ging, gehören diese Antagonismen meiner Leseerfahrung einfach zu einer unverfälschten May-Lektüre dazu.